Preisschock in Wolfshagen

1100 Euro-Abschlag bricht Wirten das Genick

Wolfshagen / Lesedauer: 3 min

Corona und die Preisexplosion bei Lebensmitteln hatten die Betreiber der „Gaststätte zur Königssäule” noch kompensiert. Doch dann kam Post von E.ON.
Veröffentlicht:21.09.2022, 12:56
Aktualisiert:21.09.2022, 16:03

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Der Weg zur Arbeitsagentur – Joachim Gyimes und Thomas Perkuhn wollten ihn nie gehen. Doch in dieser Woche mussten die beiden Männer der Behörde in Prenzlau nun melden, dass sie ab November 2022 ohne Einkommen sind. Bislang ist ihr Beispiel nur ein Einzelfall - doch er könnte in den kommenden Monaten nicht der einzige bleiben, fürchten die beiden.

Vor 13 Monaten sah die Welt noch ganz anders aus. Im August 2021 hatte das schwule Paar die Wolfshagener „Gaststätte zur Königssäule” nach 17-jährigem Leerstand neu eröffnet. Über zwei Jahre kostenintensiver Umbau waren dem vorausgegangen. „Wir haben unser gesamtes Vermögen in den Erhalt des denkmalgeschützten Objektes gesteckt, Fördermittel gab es nicht. Hier wollten wir die letzten Jahre unseres Berufslebens verbringen”, erzählt Joachim Gyimes.

+++ Bald 2400 Euro für Gas im Einfamilienhaus fällig? +++

Er hatte für diesen Traum sogar seinen gutdotierten Job in der Stuttgarter Automobilbranche aufgegeben. Weil sich sein Partner, ein gelernter Koch, immer ein eigenes Lokal gewünscht hatte, war der 56-Jährige mit ihm in die Uckermark gezogen. Hier lief zunächst auch alles gut an, wie sein ein Jahr jüngerer Lebensgefährte versichert: „Vom ersten Tag an war das Restaurant voll.”

Gutbürgerliche Küche

Mit ihrer gutbürgerlichen Karte, auf der neben typischen Ost-Gerichten wie Steak au four und Hamburger Schnitzel auch Käsespätzle als Hommage ans Schwabenland standen, trafen die zwei offenbar einen Nerv. Selbst die Corona-Einschränkungen habe man so leidlich kompensieren können, blicken die Gastronomen zurück. Womit sie nicht gerechnet hätten, sei allerdings der „Hammer” zu Jahresbeginn gewesen, setzt Thomas Perkuhn schnell hinzu: „Plötzlich kletterten die Lebensmittelpreise in astronomische Höhen. Für Fleisch und Milchprodukte wurden 30 Prozent und mehr fällig. Und Produkte wie Öl bekam man gar nicht mehr.”

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Schon damals hätten sie nächtelang besorgt zusammengesessen, ergänzt sein Partner: „Wir haben uns nicht geschont und jede Veranstaltung, die wir für Gaststätte und Saal bekommen konnten, ausgerichtet. Selbst die Bückware Öl trieben wir auf. Als gebürtiger Wessi kannte ich solche Zustände bislang nur von meinen Urlauben am Balaton.” Thomas Perkuhn, der aus Sachsen-Anhalt stammt, fühlte sich indes an vergangene Zeiten in der DDR erinnert: „Wahnsinn, was da auf einmal abging.”

Zusammenbruch des Mittelstandes

Die Beine weggehauen habe ihnen dann aber die jüngste Information ihres Gasversorgers E.ON, konstatieren die Wirtsleute bitter: „Der monatliche Gasabschlag wurde von 350 auf 1100 Euro erhöht. Und das ist vermutlich noch nicht das Ende der Fahnenstange, zumal sich die Preise ja auch bei Strom, Wasser und allen anderen Dingen rasant erhöhen.”

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Die beiden haben sich deshalb schweren Herzens entschlossen, ihr Lokal zu schließen. Am 30. Oktober 2022 werden sie letztmalig Gäste bewirten. Denn „Hoffnung, dass die Regierung mit klugen Entscheidungen den Zusammenbruch des Mittelstandes in Deutschland verhindert”, haben die Unternehmer nicht: „Sie steuern uns zielstrebig ins Chaos.” Beide sind so wütend, dass sie die Politiker am liebsten wegen Veruntreuung von Steuermitteln verklagen würden. „Die haben doch mal den Eid geschworen, dem Volk zu dienen. Davon ist nichts, aber auch rein gar nichts zu merken. Sie versuchen, die Welt zu retten und vergessen dabei die Menschen in unserem Land.”