Kritik an Behörden
Ärztin schockiert: Was hätten die Leute noch getan ...?
Prenzlau / Lesedauer: 4 min

Claudia Marsal
Das Publikum in Malchow ist an diesem Abend ein anderes: Mehr Ärzte und Pflegekräfte, mehr Unternehmer und Mitarbeiter von Behörden haben sich am Dienstag auf den Weg in die Uckermark gemacht, um Prof. Dr. med. Ursel Heudorf zu erleben. In den Besucherreihen gibt es schon vor Beginn immer wieder Erstaunen: Ach, Sie auch hier ... Kein Wunder, man kennt sich in der Region. Vielleicht auch deshalb dankbares Nicken, als Pfarrer Thomas Dietz auf das Mitschnittverbot verweist: „Wir wollen hier einen geschützten Raum bieten.“ Manch einer dreht sich dann auch schnell weg, als die Presse Fotos macht.
Obwohl die vom Bundestag festgestellte „epidemische Lage von nationaler Tragweite“ seit vielen Monaten ausgelaufen ist, sitzt die Angst offenbar noch tief. Die Menschen haben nicht vergessen, wie schnell man wegen der Teilnahme an einer „Schwurbler“-Veranstaltung Ärger bekommen oder — noch schlimmer — wegen kritischer Standpunkte als „rechts“ diffamiert werden kann. Die langjährige Vize–Chefin des Gesundheitsamtes Frankfurt/Main zeigt sich dann auch ehrlich erstaunt, dass trotzdem so viele Menschen in der Dorfkirche nahe Prenzlau vor ihr sitzen.
Hochkarätige Fachleute
Unlängst erst habe sie mit anderen hochkarätigen Fachleuten in der Main–Metropole einen Diskurs angeboten, erzählt die Medizinerin. Dabei sollte es auch darum gehen, warum der Pandemieplan, in den viele Vorerfahrungen weltweit eingeflossen waren, und den das RKI noch im März 2020 auf SARS–CoV–2 angepasst hatte, in den Schubladen geblieben war... „Dieser hatte nämlich die Grundlagen des Verwaltungshandelns zum Inhalt, wonach freiheitseinschränkende Maßnahmen immer eines legitimen Zwecks bedürfen und geeignet, erforderlich und angemessen sein müssen. Doch all das wurde nicht berücksichtigt.“ Zu dieser Veranstaltung in Hessen seien nur knapp 30 Leute gekommen.

Die Besucherzahl in Malchow übertrifft das zu Wochenbeginn um ein Vielfaches. Dem zollt die 70–Jährige allergrößten Respekt. Die als vehemente Kritikerin der Corona–Maßnahmen bekannte Expertin bekräftigt vor den Anwesenden, dass sie sich vor der Pandemie nicht hätte vorstellen können, dass der Staat teilweise so extrem einschränkende Maßnahmen ohne Beachtung der rechtsstaatlichen Grundregeln verhängen würde.
Fassungslos gemacht
Das habe sie schlicht fassungslos gemacht. Sprachlos verfolgt die Ärztin in der anschließenden Fragerunde die Schilderungen der Besucher, welche von Bußgeldverfahren berichten, die bis heute wegen der Teilnahme an Demos, gefälschten Impfzertifikaten und anderen Verstößen anhängig seien. 3000 Euro und mehr hätten Betroffene schon zahlen müssen, verlautet aus der Runde. Ein Ende sei nicht in Sicht. Andere hätten wegen ihrer Haltung sogar ihren Arbeitsplatz verloren, hört sie von einer jungen Frau, der an der Uni Greifswald gekündigt worden ist. Das habe es, so Heudorf, leider auch im Öffentlichen Gesundheitsdienst gegeben. Sie wisse von Kollegen, die entlassen beziehungsweise versetzt wurden. „Andere haben aus Angst um den Job geschwiegen und sich erst öffentlich geäußert, als die Rente in Sicht war.“ Das sei für eine Demokratie einfach unerträglich.

Für umso wichtiger halte sie die Aufarbeitung. Man könne nicht einfach zur Tagesordnung übergehen, denn was an Unrecht geschehen sei, dürfe sich nicht wiederholen. Nach ihrer Meinung zur Impfpflicht gefragt, bezeichnet Prof. Dr. med. Ursel Heudorf diese als unsäglich und kontraproduktiv, obwohl sie selbst ein Impfbefürworter sei. Vor allem zu Beginn der Pandemie habe sie den schnell verfügbaren Impfstoff als einen Segen für die besonders schutzbedürftigen Menschen in den Heimen gehalten, räumt die Medizinerin ein. Später aber alle zwingen, erpressen oder mit fragwürdigen Geschenken locken zu wollen — nein, das widerspreche allen Grundsätzen der Ethik und Rechtsstaatlichkeit. Die Ärztin hat mit hunderten anderen Wissenschaftlern einen offenen Brief unterschrieben, der von er Politik Aufarbeitung fordert. „Denn ich frage mich wie viele andere, was hätten die Leute noch alles getan, wenn man sie dazu aufgefordert hätte ...? Was?“