Letzte Generation
Arztsohn aus Prenzlau wieder frei
Prenzlau / Lesedauer: 5 min

Claudia Marsal
Jura-Student Roman Weber ist als Vertreter der Klima-Bewegung „Letzte Generation“ wiederholt verhaftet und zweimal sogar inhaftiert worden. Nach seiner letzten Gewahrsamnahme im Münchner Gefängnis Stadelheim hatte sich seine Prenzlauer Familie an die Öffentlichkeit gewandt. Nach dem bewegenden Appell von Mutter Karin Weber gab es zahlreiche Reaktionen beim Uckermark Kurier. Viele Leser verurteilten die Klimakleber-Aktivitäten, wegen welcher der 25-Jährige in Konflikt mit der Staatsmacht gekommen ist. Andere äußerten ihr Mitgefühl und versicherten, die Ängste der Eltern nachvollziehen zu können und seine Beweggründe zu verstehen.
Wie geht es Roman jetzt? Auch diese Frage wurde wiederholt gestellt. Dazu hat sich der gebürtige Prenzlauer am Donnerstag nun selbst geäußert. Der Ältere von zwei Brüdern räumte ein, dass „die Inhaftierung für mich bedrückend und befreiend zugleich gewesen ist. Zu wissen, dass ich mit der Situation klarkomme, gibt mir viel Freiheit.“ Denn nun brauche er weniger Angst zu haben, wieder vorm Richter zu stehen, so Weber: „Ich weiß, selbst wenn ich wieder ins Gefängnis komme, ich werde mit der Situation klarkommen. Zumindest leichter, als ich mit dem Gedanken klarkomme, nicht alles getan zu haben, um auf die Klimakrise aufmerksam zu machen. Ich halte es nicht aus, nicht alles zu versuchen, um auf die Bedrohung für Milliarden Menschenleben aufmerksam zu machen.“
Erneut zur Straßenblockade
Zurück in Berlin habe er deshalb sofort wieder an einer Straßenblockade teilgenommen. Seine Überzeugung habe es definitiv nicht gebrochen, betonte der junge Mann, der in der Uckermark aufgewachsen ist und am Scherpf-Gymnasium sein Abitur gemacht hat. Eigentlich habe er eine Pause machen wollten, führte der angehende Jurist weiter aus. Aber wenn er sehe, wie schmerzhaft die Polizei beim Wegtragen selbst mit älteren Aktivisten umgehe oder wie ein Autofahrer Pfefferspray gegen Aktivisten einsetze, „dann fällt es mir sehr schwer, zu Hause zu bleiben. Ich werde definitiv bald wieder auf der Straße sitzen, fraglich ist nur, ob nächste Woche oder nächsten Monat. Ich wache immer noch nachts auf und wähne mich im Gefängnis, ich werde wohl noch etwas brauchen, bis ich mich wieder ganz an die Freiheit gewöhnt habe.“

Interesse und Zustimmung erfahren
Seine Eltern, die Diabetesberaterin Karin Weber (58) und der Mediziner Dr. Michael Weber (61), die in der Kreisstadt gemeinsam eine diabetologische Schwerpunktpraxis führen, verrieten der Presse ebenfalls, wie sehr sie die Reaktionen auf den Artikel berührt haben. „So, wie das Thema polarisiert, so gab es auch polarisierte Kommentare. Viele Personen aus unserem Umkreis haben uns ihr Interesse und ihre Zustimmung zu Romans Geschichte um seinen Aktivismus geteilt. Gegenstimmen wurden uns gegenüber nur wenig persönlich geäußert, die haben wir allerdings zuhauf in den Kommentaren der sozialen Medien gelesen. Dabei ist mir aufgefallen, dass die Kommentare zum großen Teil in vulgärer, beleidigender Sprache wohl eher der emotionalen Entladung der Schreibenden als der inhaltlichen Auseinandersetzung dienten“, schrieb uns die Mutter: „Da kann ich nur nochmals an die psychologische Analyse in unserem Bericht anknüpfen, wie unterschiedlich Menschen auf eine große Bedrohung – wie die z. B. der Erderwärmung - reagieren. So ist Verleugnung eine bewusste oder auch unbewusste Methode, eine angemessene, aber als unangenehm empfundene Angst nicht spüren zu müssen. Die Bedrohung besteht darin, unser Zuhause auf der Erde in der bekannten Form zu verlieren. Die Funktion von Angst ist es, uns auf diese Bedrohung aufmerksam zu machen, damit wir die Situation ändern. Wer in Verleugnung oder Verdrängung seiner eigenen Gefühle lebt, bringt sich in Gefahr, zu spät auf die Angst mit Veränderung zu reagieren, nämlich dann, wenn die Klima-Kipppunkte schon erreicht wurden und kein Zurück mehr möglich ist.“

Verdrängte Ängste
Interessanterweise, so Karin Weber, aktivierten Menschen, „die die verdrängten Ängste in uns ansprechen, die verdrängte Wutkraft, und sie wird dann nicht gegen die zugrunde liegende Bedrohung, sondern gegen den Überbringer der Nachricht gerichtet. So erklären wir uns, neben dem verständlichen Ärger darüber, dass das Alltagsleben gestört wird, teilweise die enorme Aggressivität, die den Aktivisten der letzten Generation entgegengebracht wird.“
Roman Weber, der bereits ein vierjähriges Mathematikstudium absolviert hat, habe seinen Sinn für Zahlen und seine hohe Aufmerksamkeit auch darauf geschult, zu erkennen, wie Zahlen missbraucht werden könnten, um Falsches zu beweisen, stellt seine Familie heraus.
Der 25-Jährige betont, „dass gerade der hohe Grad an wissenschaftlicher Auseinandersetzung mit der Klimakrise in der ‚Letzten Generation‛ mich so positiv überrascht hat und meine frühere Abneigung dieser Bewegung gegenüber verändert hat. Der Anteil von gebildeten, sich ernsthaft mit unserer Zukunft auseinandersetzenden Menschen in der ‚Letzten Generation‛ ist extrem hoch. Sie orientiert sich am wissenschaftlichen Konsens tausender Wissenschaftler, die an den Sachstandsberichten des IPCC der Vereinten Nationen arbeiten.“
Beweis für globale Erwärmung
Sie hätten belegt, dass menschliche Aktivitäten eindeutig die globale Erwärmung verursacht hätten, vor allem durch die Emission von Treibhausgasen. Der Klimawandel sei, so der Prenzlauer, eine Bedrohung für das menschliche Wohlergehen und die planetare Gesundheit: "Das Zeitfenster, in dem eine lebenswerte und nach-haltige Zukunft für alle gesichert werden kann, schließt sich rapide. Wir würden alle gerne in Ruhe so weiter machen wie bisher, aber der bereits bestehende Klimawandel erlaubt kein einfaches Weiterso, denn wir rasen auf die Klima-Kipppunkte zu, von denen es dann kein Zurück mehr gibt.“