Uckermärker Lebensbeichte

Ätzende Kollegen und ein liebloser Freund...

Prenzlau / Lesedauer: 4 min

Sandy Merciers Bücher führen seit Monaten die Bestseller-Listen an. Die aus Schwedt stammende Autorin kann bis heute ihren großen Erfolg kaum fassen.
Veröffentlicht:16.10.2021, 08:37
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Von:
  • Author ImageClaudia Marsal
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Kann man sich an Erfolg gewöhnen? Sandy Mercier weiß es nicht. Noch scheint die 35-Jährige jedenfalls etwas skeptisch, was ihren Status als Bestsellerautorin anbelangt. Die Schwedterin ist zwar schon seit 2019 in der illustren Lage, mit der Schriftstellerei ihren Lebensunterhalt bestreiten zu können. Trotzdem komme ihr das Ganze manchmal noch so unwirklich vor, gesteht die junge Frau lachend ein. „In solchen Momenten gehe ich dann in die große Buchhandlung in der Berliner Gesundbrunnenstraße und überzeuge mich mit eigenen Augen davon, dass dort meine Bücher auf dem Tisch mit den Thalia-Empfehlungen stehen.“

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Dieser Anblick sei jedes Mal aufs Neue ein ganz erhebendes Gefühl, setzt sie nachdenklich hinzu; zu Kopf gestiegen seien ihr die Erfolge jedenfalls noch nicht. Im Gegenteil. Dass sie immer noch an sich zweifelt, wundert nicht, schließlich hat Sandy Mercier auch die andere Seite der Medaille kennengelernt.

Die bis zum Abitur in der Oderstadt beheimatete Uckermärkerin war tief in ihrem Inneren zwar schon lange Autorin, nur der Sprung an die Spitze der Leselisten dauerte etwas.

Amnesty International

Dazwischen lagen eine Ausbildung zur Rechtsanwaltsfachangestellten, für die sie nach Berlin zog, sowie ein Studium der Afrika-Wissenschaften, das sie bis kurz vorm Master durchzog. Nicht zu vergessen ihre Arbeit für die Hilfsorganisation Amnesty International, die übers Ehrenamt in eine Festanstellung führte. Sandy Mercier blickt auf arbeitsreiche, heftige Jahre zurück, in denen sie alles gab und zweimal mit einem Burnout an ihre Grenzen gelangte. Ein einschneidendes Erlebnis sei zudem ein Unfall mit Nahtod-Erfahrung gewesen, blickt die 35-Jährige zurück: „Das wurde mir dann endgültig bewusst, dass das Leben zu kurz ist, als dass man alles aufschieben sollte. Manchmal gibt es vielleicht kein Nachher mehr.“

Sandy Mercier fing nach ihrer Genesung sofort mit einem Fernstudium fürs Schreiben an. „Parallel dazu begann ich, Tagebuch zu führen.“ Sie trieb dabei vor allem die Frage um, warum gerade sie Burnouts bekam und was sie anders machen müsste, damit das nicht erneut passiert.

Eine wichtige Erkenntnis war, „dass ich vieles nur gemacht habe, um Anerkennung zu bekommen. Davon musste ich mich lösen.“ Das gelang ihr mithilfe von Sachbüchern, in denen sie ihr eigenes Erleben verarbeitete. Unter dem Pseudonym Jule Pieper schrieb sie sich alles von der Seele, was da lastete. Ihre Protagonistin möchte alles sein – nur nicht sie selbst. „Jeder Tag ist für sie eine Herausforderung. Langweiliger Job, ätzende Kollegen, nervtötende Mitbewohnerin und ein liebloser Freund, mit dem sie nur Sex verbindet. Und der ist noch nicht einmal gut. Am Ende eines weiteren enttäuschenden Tages entdeckt sie ‚Das Buch deines Lebens‘. Jule beginnt, darin zu lesen, und das stellt ihr Leben total auf den Kopf. Sie spürt, dass sie etwas verändern kann, wenn sie nur will. Doch ist sie überhaupt bereit für eine Veränderung?“

Mach das Licht an!

„Meine Mission ist es, spannende Stunden zu bereiten und dabei die Tiefen der Seele aufzudecken“, beschreibt Sandy Mercier ihre Werke: „Warum tun Menschen Dinge, die sie nicht verstehen? Wieso drehen Leute durch? Führen ihr Leben so ganz anders, als es normal zu sein scheint? Ich möchte hinter die Fassaden schauen.“ Zumindest als Sandy Mercier, denn mit diesem Namen, ihrem echten, schreibt sie auch Krimis („Die Todesküsserin“) und Psychothriller („Mach das Licht an“ und „Unter meinem Bett.“) Als Jule Pieper will sie vor allem Lebensveränderin sein: „Mit meinen Büchern zeige ich den Lesern, wo sie gerade stehen und helfe ihnen, die nötigen Veränderungen vorzunehmen, wenn sie bereit dazu sind. Denn ich glaube aus tiefstem Herzen daran: Jeder es verdient, glücklich zu sein.“ Dass diese Botschaft ankommt, beweist der durchschlagende Erfolg von „Das Buch meines Lebens 2“, das die Fortsetzung ihres Bestsellers ist. Auch dieser Roman widerspiegelt ihre eigene Lebensgeschichte.

Es geht ihr darum, sich zur Wehr zu setzen und sich sowie anderen Menschen gegenüber Grenzen zu setzen – häufig, um sich selbst zu schützen. Oder sich auch die ein oder andere neue Fähigkeit anzueignen, sich negativen Menschen entgegenzustemmen.

Dazu hatte sie alle Zelte in der Heimat abgebrochen, um für drei Monate auf die Kanaren zu gehen, wo sie sich innerhalb weniger Tage dann das zweite Sachbuch von der Seele schrieb.