Backen wie vor über hundert Jahren – in Fürstenwerder ein Erfolgsrezept
Fürstenwerder / Lesedauer: 4 min

Das Hoffen auf einen Nachfolger – es prägt Familienbetriebe bis heute. Bei den Ihlenfeldts war es in der Vergangenheit stets von Erfolg gekrönt. Das konnte Albert Ihlenfeldt, der Ururgroßvater von Senior Henning natürlich nicht ahnen, als er die Bäckerei im November 1890 aus der Taufe hob. „Er hatte bis dahin in Lindenhagen eine Getreidemühle betrieben und sich dann entschlossen, das Geschäft zu erweitern”, erzählt der 68-Jährige dem Uckermark Kurier. Bei der Wahl des Grundstücks ließ sich der Ururahne vor allem von einem leiten: Hoch auf dem Berg sollte es sein, denn Überschwemmungen gab es am alten Wohnort genug. In der heutigen Karl-Marx-Straße 36 in Fürstenwerder wurde der Müller fündig. Und dort steht die Bäckerei im Herbst 2020 immer noch.
Junger Meister
Nur dass jetzt mit 44 Jahren wieder ein relativ junger Meister den Teig nach uraltem Rezept knetet. Der Weg von Bert Ihlenfeldt war insofern vorbestimmt, als dass auch er eine Bäckerlehre absolvierte – praktischerweise beim eigenen Vater, dem Fünften in der Dynastie. Doch dann ging der Zweitgeborene zur Armee. Sogar im Auslandseinsatz war der zweifache Vater und stellte seine Fähigkeiten als Koch unter Beweis. Aus dem Kosovo wieder zurück in Deutschland entschied sich Bert zur großen Freude seiner Eltern, an den Backofen zurückzukehren.
Seit 2015 ist nun der Junior am Ruder und Vater Henning nur noch dann gefragt, wenn Not am Mann ist. „Auch ich bin erst ein paar Jahre weg, bevor ich mich entschieden habe, den elterlichen Betrieb zu übernehmen”, berichtet der Rentner.
In der Großbäckerei
An seine Jahre in der Großbäckerei Neubrandenburg beispielsweise denkt der diplomierte Lebensmitteltechnologe sehr gern zurück. Dort habe er erstmal gesehen, wie modern eine Backstube sein könne, erinnert er sich zurück. Nicht zu vergessen die vielen Mädchen – 30 an der Zahl, die zeitgleich eine Ausbildung zum Konditor machten und ihren Mitlehrlingen der Kopf verdrehten. Bei Henning Ihlenfeldt wurde es sogar mehr als eine Romanze. Er brachte von dort seine heutige Ehefrau Brigitte mit nach Hause.
1986 wagten die zwei den Schritt zurück. Vater Fritz war zu dieser Zeit schwer erkrankt und hatte die Firma schließen müssen. Vom 1. Januar 1985 bis zum 7. August 1986 mussten die Fürstenwerderer ohne ihre heißgeliebten Schnecken, Pfannkuchen und Brote auskommen. Danach ging es wieder los. Dass vier Jahre später die Wende die Karten neu mischen würde, sahen Brigitte und Henning Ihlenfeldt nicht kommen. Auch sie wurden überrollt von den neuen Entwicklungen. Dass der kleine Betrieb dabei nicht unter die Räder kam, hatten die Eheleute auch ihren Unternehmensberatern aus dem Westen zu verdanken, wie Henning Ihlenfeldt dankbar sagt: „Die haben uns viele wertvolle Tipps gegeben. Unter anderem rieten sie dazu, bei den alten Rezepturen zu bleiben und den Sauerteig weiter selbst herzustellen.. Außerdem warnten sie davor, die Preise gleich zu sehr hochzuschrauben. Schuster, bleib' bei deinen Leisten, das war ihr Rat. Sie haben uns nicht übers Ohr gehauen.”
Pudding-Creme
30 Jahre später weiß Henning Ihlenfeldt, dass immer noch das am besten geht, was sie seit über einem Jahrhundert backen, die deutsche Creme auf Puddingbasis für Torten gehört dazu. Doch auch Neuem hat sich die Bäckerei nicht verwehrt, versichert der Meister und verweist auf das Chiabrot und andere Spezialitäten. Die Fülle der Supermärkte mit den Selbstbackautomaten habe aber auch ihr Geschäft verändert,. räumt Ihlenfeldt ein. An die zu DDR-Zeiten normalen 300 Brote am Tag komme heute keiner mehr ran. „Die Verzehrgewohnheiten haben sich verändert. Früher aß jeder im Schnitt fünf Stullen pro Tag – undenkbar heutzutage, wo Pommes, Pizza und Co. die Mahlzeiten dominieren. Rund 4000 Brötchen gehen allerdings bis heute an Wochenenden über den Ladentisch. „Da haben die Leute Zeit, gemeinsam zu frühstücken.” Dafür heißt es dann aber wie anno dazu mal ganz früh aufstehen. Ab und an verirrt sich zu dieser Zeit schon Berts Erstgeborener, der elfjährige Fabian, in die Backstube und fragt, ob er helfen kann. Wer weiß, vielleicht steht da ja schon Meister Nummer 7...