Motorradfans mit Herz
Biker helfen kranken Kindern in Templin
Templin / Lesedauer: 5 min

Horst Skoupy
Eine „Gruppe“ von Bikern hatte Andreas Meyer angekündigt. Sie wollten nach Templin kommen, um hier eine Familie mit zwei sehr kranken Kindern zu unterstützen, hatte der Neustrelitzer erklärt. Wie sich herausstellen sollte, war die Ankündigung stark untertrieben. Zur besten Mittagszeit erfüllte am Sonntag das Gedröhn der Motoren von 118 Motorrädern und zwölf Trikes die Stadt. Ihr Ziel: Ein Anwesen in einem Templiner Ortsteil, der auf Wunsch der Familie aus persönlichen Gründen ungenannt bleiben soll. „Wenn wir etwas machen, dann machen wir das richtig“, kommentierte Andreas Meyer den Auflauf, der für einiges Aufsehen an diesem Sonntag mit herrlichem Ausflugswetter gesorgt hat.
++ Biker mit Herz ++
Mit „wir“ meinte er die Biker Friends MV. „Wir sind eine lose Truppe von Bikern aus ganz Mecklenburg-Vorpommern, die alle ein gemeinsames Ziel eint: Wir wollen hilfsbedürftigen Kindern helfen“, erklärte der 54-Jährige. Von Neustrelitz, über Neubrandenburg bis Anklam, Wismar, Rostock und die Landkreise in Mecklenburg-Vorpommern reichten die Kennzeichen an den Bikes und Trikes.
Vor zehn Jahren hatten sie damit begonnen, jedes Jahr sogenannte Spendenfahrten zu unternehmen, bei denen die Biker Geld spenden – für die Kinderkrebsstation des Dietrich-Bonhoeffer-Klinikums Neubrandenburg, die Körperbehindertenschule in Neubrandenburg oder das Caritas-Kinderheim in Neustrelitz, zählte Ricardo Krüger aus Neustrelitz Beispiele auf. Sowohl 2020 als auch in diesem Jahr konnten die Fahrten wegen Corona nicht stattfinden. Ihr Ziel haben sie trotzdem nicht aus den Augen verloren. Und so haben sie sich in diesem Jahr erstmals auf „Hausbesuche“ verlegt.
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Den Stein ins Rollen gebracht hatte Sebastian „Basti“ Reinke. Von ihm kam der Vorschlag, in diesem Jahr die Templiner Familie von Ayleen und Ricardo zu unterstützen, die alles für Töchter Pauline (6) und Lilli (7) tun. Beide sind sehr krank. Mit Rücksicht auf die beiden Kinder wollen Ayleen und Ricardo nicht näher auf deren Krankheit eingehen. „Ich kenne die Kinder, seit sie in den Windeln gelegen haben. Ich weiß, wie schwer es die Familie hat“, erzählte der Burg Stargarder. Als guter Freund der Familie, der sie schon oft mit seinem Bike besucht hat, kennt Sebastian Reinke die Herzenswünsche der Mädchen. Dazu gehört auch der Traum, selbst einmal eine Motorrad-Tour unternehmen zu können. „Ich hatte unseren Bikern vorgeschlagen, ihnen den Wunsch zu erfüllen“, so Basti. Die Resonanz hatte ihn selbst überwältigt. „Es waren sofort alle dabei gewesen. Ich selbst hatte mit 20 bis 40 Bikern gerechnet. Dass so viele gekommen sind, ist einfach unglaublich.“
++ Spielzeug kommt auf knatternden Motorrädern ++
Doch nicht nur für ihn war die Aktion wirklich überraschend. „Wir hatten die Tour vor Pauline und Lilli komplett geheim gehalten“, erzählte Mama Ayleen. Als am Sonntag ein Biker nach dem anderen bei ihnen auf den Hof fuhr, konnten es die beiden Mädchen kaum fassen. „Es war wohl ein bisschen viel für sie, vor allem für Pauline“, so die 25-Jährige. Dabei war das nur der Auftakt der Überraschungen, denn zunächst wurden die Mädchen ausstaffiert: Mit T-Shirts der Biker Friends MV und den Namen der Mädchen, die Textilunternehmer Danny Stölzel von der Firma SubMission-cs aus Neubrandenburg für sie angefertigt hat. Mit zwei großen Plüsch-Rentieren als Maskottchen. Und für die Eltern gab es einen unscheinbaren braunen A4-Umschlag. „Da könnt ihr nachher reinschauen“, kommentierte der Neubrandenburger Klaus Gryzbeck die Übergabe an Ayleen und Ricardo. Es sollte sich herausstellen, dass sich 1237 Euro darin befanden, gesammelt von den Biker Friends MV. Nicht nur von ihnen, Biker-Braut Katrin Petzold hatte für die Tour in ihrer Firma gesammelt, der Gesellschaft für den Betrieb von Sozialeinrichtungen (GBS) in Demmin. Die Firma betreibt unter anderem ein Wohnheim für Patienten mit psychischen Erkrankungen. Die Mitarbeiter hatten spontan über 100 Euro für die Templiner Familie gespendet, die Katrin Petzold übergeben konnte. „Wir haben mit Vielem gerechnet, aber nicht damit“, kämpfte Ayleen mit ihren Emotionen. Was die Familie mit dem Geld macht, konnte sie im ersten Moment der Überwältigung nicht sagen. Auf jeden Fall etwas für die Kinder.
Dann kam der große Augenblick. Pauline und Lilli durften sich aussuchen, auf welchem der „Böcke“ sie mitfahren wollten. Schnell waren sie sich einig, bei Frank Stock aus Wesenberg auf sein chromglänzendesTrike aufzusteigen. Was ganz praktisch war, denn die Maschine ist ein Viersitzer, auf dem auch noch Mama Ayleen Platz fand. Und so setzte sich der Pulk in Bewegung. Die Begeisterung von Pauline und Lilli war ihren Gesichtern abzulesen, als sie auf dem Markt in Templin ihre Helme abnahmen. Sie strahlten mit der Sonne um die Wette.
Es sind genau diese Augenblicke, für die die Biker Friends MV solche Touren unternehmen. „Wir können das Leid der Kinder nicht lindern. Aber wir können ihnen etwas Gutes tun, an das sie sich noch lange erinnern können“, sagte Biker-Braut Marlies. Sie weiß von sie spricht, denn sie ist Krankenschwester und wird täglich in ihrem Job damit konfrontiert, wie belastend eine Krankheit für die Patienten und ihre Angehörigen sein kann.