Polizei schnappt mutmaßliche Dealer
Das sind die Drogen der „Hartz-IV“- Bande
Prenzlau / Lesedauer: 4 min

Claudia Marsal
Von dem, was da am Dienstag so unscheinbar eingetütet auf dem Tisch der Polizeiinspektion lag, hätten die Dealer gewiss ein paar Wochen gut leben können. Denn der Grundbedarf der drei Männer wird seit Jahren durch den Staat gedeckt. Die 35 000 Euro, die ihnen das Verticken der Ware gebracht hätte, wären somit auf dem Spesenkonto der 22 bis 30 Jahre alten Prenzlauer gelandet. So wie wahrscheinlich seit langem schon.
Die Polizei geht davon aus, dass die Köpfe des am 13. Dezember gesprengten Prenzlauer Drogenrings, allesamt Hartz IV-Bezieher, ihren illegalen Nebenerwerb schon ewig betreiben. Nur ist man ihnen jetzt erst auf die Schliche gekommen, beziehungsweise hat in enger Zusammenarbeit mit Staatsanwaltschaft und Gericht endlich genug Beweise gesammelt, um sie vor den Kadi stellen zu können.
Kiloweise Drogen gefunden
48 Beamte hatten am vergangenen Freitag insgesamt elf Objekte in der Kreisstadt durchsucht, darunter Garagen und Lagerhallen. Auch dank der guten Spürnasen der Drogensuchhunde förderten die Ermittler 1,2 Kilo Marihuana, zwei Kilo Creatin, zwei Kilo Amphetamine, 2048 Ecstasy-Pillen sowie LSD und Haschisch zu Tage. Weiterhin beschlagnahmten sie Bargeld, Kontounterlagen und hochwertige Gegenstände, unter anderem einen 1,70 Meter großen Flachbildfernseher, den man im Haushalt eines Sozialleistungsbeziehers wohl eher nicht vermuten dürfte, wie es Inspektionsleiter Hans-Jürgen Klinder vorsichtig umschrieb.
Was die soziale Herkunft der Tatverdächtigen anbelangt, wolle man mit dem Hinweis auf den Hartz-IV-Bezug nicht den Stab über dieses Klientel brechen, versicherte der leitende Beamte. Aber es erkläre, warum die Männer alle Zeit der Welt hatten, die Beschaffung und Veräußerung von Drogen in großem Stil zu organisieren und durchzuführen.
Totschläger und Elektroschocker
Dass sich auch Totschläger und Elektroschocker bei der Bande fanden, ist ein weiteres Indiz für ihre kriminelle Energie. Sie schreckten vermutlich auch nicht vor Gewalt zurück, obgleich sie sich den Festnahmen und Durchsuchungen nicht widersetzten, wie Kripochef Bodo Schulz versicherte. Das größte Lob bei der Ergreifung der mutmaßlichen Täter gebührt Ermittlungsgruppenleiter René Hackbarth und seinem vierköpfigen Team. Seit sechs Monaten hatten die Polizisten die Dealer observiert und Telefongespräche mitgehört, um Vertriebsstrukturen zu erkennen, Umschlagplätze zu orten und eine Vorstellung von dieser Parallelwelt zu bekommen. Im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten hat man alle Chancen genutzt, um ihnen endlich das schmutzige Handwerk zu legen. Der erste Hauptbeschuldigte, ein 28-jähriger Prenzlauer, ist bereits mit Erfolg hinter Gitter gebracht worden. Die Staatsanwaltschaft Neuruppin hatte für ihn Haftantrag beim Amtsgericht Neuruppin gestellt. Dieses erließ am 14. Dezember dann einen Haftbefehl.
Schlag gegen Drogen-Szene
Über die anderen beiden Hauptbeschuldigten muss das Gericht noch befinden. Im Zuge des Verfahrens kristallisierte sich aber heraus, dass es fünf weitere Personen gibt, die dringend der Mittäterschaft verdächtig sind – zwei Männer und drei Frauen. Sie werden sich ebenfalls strafrechtlich verantworten müssen, kündigte Polizeichef Klinder an. Und auch etlichen Konsumenten dürften demnächst unliebsame Briefe ins Haus flattern.
Kripo-Chef Schulz zu Folge laufe zurzeit die Auswertung der Telefonmitschnitte auf Hochtouren. Das Datenmaterial soll zu weiteren Drogenabnehmern führen, die ebenfalls mit Konsequenzen zu rechnen haben. René Hackbarth ist sicher, dass der Szene ein empfindlicher Schlag versetzt werden konnte, von dem sie sich so schnell nicht erholt. Es ist zwar wahrscheinlich, dass sich neue Dealer finden und auch neue Strukturen bilden. Aber das wird dauern. Und dann dürften auch die Preise erst mal in die Höhe schnellen. Bislang waren die in der Uckermark recht moderat, sagen die Experten. Ecstasy-Pillen gab es für fünf Euro das Stück (anderswo kosten sie zehn Euro); und auch Marihuana war mit acht Euro pro Gramm recht preiswert. Trotzdem war der Handel offenbar ein lohnendes Geschäft, sonst hätten die drei Haupttäter nicht so viel riskiert.