Weniger Qualifikation verlangt
Das sorgt für Frust im Lehrerzimmer
Prenzlau / Lesedauer: 3 min

Claudia Marsal
Seit Tagen beherrscht ein Thema die Diskussion in brandenburgischen Lehrerzimmern: die Pläne der Regierung, Seiteneinsteiger künftig schon mit Bachelor-Abschluss zu verbeamten. Es soll hierzulande perspektivisch die Möglichkeit geben, diese mit den Besoldungsstufen A11 beziehungsweise A12 einzustellen – unabhängig davon, ob ihr studiertes Fach in irgendeiner Weise mit einem Unterrichtsfach zusammenhängt. Grundschulpädagogin Henrike Vogel aus Prenzlau gehört zu denen, die dagegen Sturm laufen. Die 29-Jährige hat eine Petition gestartet, um das Kabinett zum Umdenken zu bewegen.
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Sie ist überzeugt, dass es keine Lösung sei, unqualifizierte Lehreranwärter mit einer Verbeamtung zu locken. Im Gespräch mit dem Uckermark Kurier betonte die an der Diesterweg-Grundschule beschäftigte Lehrerin, dass dieser Reformversuch die Mühen all jener entwerte, „die sich im regulären Lehramtsstudium befinden oder harte Arbeit in der berufsbegleitenden Qualifizierung leisten. Der Anreiz, ein vollständiges Studium abzulegen, verschwindet aufgrund des geringen finanziellen Vorteils, den vollständig qualifizierte Lehrkräfte hätten. Die Situation ist ernst – Britta Ernst scheint sie nicht erfasst zu haben.”
Überforderung ist vorprogrammiert
Henrike Vogel glaubt, dass auch für die unausgebildeten Bachelor-Seiteneinsteiger die Reform nicht das gewünschte Ergebnis bringen dürfte: "Überforderung ist vorprogrammiert und führt über kurz oder lang zu einer höheren Arbeitsbelastung für neue und alte Kollegen, zu einem Verlust von Professionalität des Berufsstandes, aber vor allem zu einem Qualitätsverlust des Unterrichts.”
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Selbst die Kultusministerkonferenz begegne den Reformvorschlägen mit Ablehnung, hat sie in Erfahrung gebracht: „Wir fordern, diese sogenannte Reform zu stoppen, um die bisherigen Professionsstandards weiterhin zu gewährleisten. Es darf keine Aufweichung der Zugangsvoraussetzungen für diesen gesellschaftlich enorm wichtigen Beruf geben, vor allem nicht auf Kosten unserer Kinder, denn sie sind der größte Schatz Deutschlands für die Zukunft.”
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Um Erfolg zu haben, bittet sie nicht nur Lehrer darum, diese Petition zu teilen und zu unterzeichnen: „Schicken Sie den Link an Kollegen, Eltern, Referendare und Studenten, kurzum: an alle, die von den Konsequenzen der Reform betroffen sind. Nur gut ausgebildete Lehrkräfte können guten Unterricht absichern.”
Kräfte bündeln
Um Kräfte zu bündeln, ist die gebürtige Berlinerin mit dem Brandenburgischen Lehrerverband beruflicher Schulen (BLV) und dem Deutschen Philologenverband Berlin/Brandenburg (phv) in Kontakt getreten. Bereits am 9. Januar 2023 hatten diese einen Offenen Brief an Ministerin Britta Ernst geschickt, in dem sie die geplante Reform kritisierten. Nun unterstützen sie diese Petition.
Knapp 500 Menschen haben schon unterschrieben und Kommentare hinterlassen; beispielsweise Anne Burth. Sie schrieb: "...weil unsere Kinder ein Anrecht auf eine qualifizierte Bildung haben. Gerade in dieser Zeit, wo sich in den Klassen oft Kinder unterschiedlichster Nationen mit unterschiedlichsten Bildungsvoraussetzungen befinden, bedarf es ausschließlich qualifizierter Lehrer, wenn Bildung gelingen soll. Unser Bildungssystem wurde seit Jahren kaputtgespart. Das muss sich ändern.” Und Regine Vogel setzte hinzu: „Ich empfinde es als ungerecht denen gegenüber, die qualifizierten Unterricht erteilen und als Notnagel der Politik, um den wahren Problemen auszuweichen.” Unterzeichner Guido Sabrowski spitzt sogar noch weiter zu: „Ich habe das starke Gefühl, dass Bildung in der BRD keinen hohen Stellenwert mehr besitzt oder besitzen soll. Seit Jahren beobachte ich einen immer größeren Verfall an den schulischen Ansprüchen. Mit dieser Art, Lehrstellen zu besetzen, wird das Niveau noch stärker sinken.”