Backleidenschaft

Die fleißige Tortenfee aus der Uckermark

Prenzlau / Lesedauer: 4 min

Vorbei sind die Zeiten, als Jessica Böttcher verzweifelt nach dem richtigen Geschenk für Partys in der Verwandtschaft und Bekanntschaft suchte.
Veröffentlicht:01.04.2022, 08:47

Von:
  • Claudia Marsal
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Backen ist Entspannung – diese Erkenntnis setzt sich zunehmend auch bei jüngeren Menschen durch. Es stehen längst nicht mehr nur die Omas am Herd, wenn für die heimische Kaffeetafel produziert wird. Immer öfter binden sich auch junge Frauen (und Männer) die Schürze um und werden kreativ. Jessica Böttcher hat ihr Herz ans Tortenkreieren verloren. In ihrer Verwandtschaft und Bekanntschaft gilt sie als der Geheimtipp für die schwierigen Sachen. Mittlerweile gibt es kein Rezept mehr, an das sich die 38-Jährige nicht ran traut. „Begonnen hat das alles mal in der Küche meiner Oma”, erinnert sich die Mutter einer zwölfjährigen Tochter zurück: „Die sagte irgendwann: 'Jessi, du kommst jetzt mit ran':" Bis heute ist die Jagowerin ihrer Großmama dankbar dafür, sie mit einbezogen zu haben: „Ich brauchte nie ein Backbuch, hab' die meisten Rezepte von Oma übernommen. Der Rest ist meine eigene Kreativität.”

Süße Kunstwerke

Die angehende, examinierte Altenpflegerin weiß, dass es in den sozialen Netzwerk tausende Tutorial-Videos zum Thema Torte gibt, also Anleitungen fürs Backen und Dekorieren. „Aber so was brauche ich nicht, habe ich mir noch nie angeschaut.” Wer ihre süßen Kunstwerke in Augenschein nimmt, wird das kaum glauben können. Eine Torte ist schöner als die andere, egal für welchen Anlass sie gemacht wird. „Ich mache das nicht professionell”, schränkt die Uckermärkerin lachend ein: „Meistens sind die Torten mein Mitbringsel oder Geschenk bei Partys.”

+++ In Gerswalde schmeckt die Torte „wie bei Muttern” +++

Ab und an tue sie aber auch einer Freundin einen Gefallen damit, beispielsweise wenn deren Kinder, Mann, Eltern usw. Jubiläen haben, bei denen ein besonderes Backwerk auf dem Tisch stehen soll. Gefragt, wie zeitaufwändig das Ganze ist, winkt Jessica Böttcher schmunzelnd ab: „Das möchten Sie nicht wissen. Es dauert schon eine Weile, bis alles zu meiner Zufriedenheit ist.” Aber als Perfektionistin gebe sie erst Ruhe, wenn auch das letzte Nugattröpfchen richtig sitze. Mit Nugattorten habe ihre „Karriere” mal begonnen, resümiert sie stolz. Die hat sie immer für die Bekannten ihrer Oma gebacken, als diese selbst nicht mehr konnte.

Senioren zufrieden

Auch die ihr während eines Praktikums im Pflegeheim Brüssow anvertrauten Senioren hat sie vor zwei Jahren mit einer unvergesslichen Torte überrascht. „Ich freue mich so, wenn die andern sich freuen. Das ist doch der schönste Lohn.” Ganz sicher mit einem Backwerk belohnt wird am 8. Juli die alte Dame, die sich für die praktische Prüfung von Jessica Böttcher zur Verfügung gestellt hat. „Wir kommen dann mit vier Leuten in ihre Wohnung”, erzählt die junge Frau. Neben ihrer Wenigkeit werden zwei Lehrer und die Praxisanleiterin dabei sein, wenn die Umschülerin unter Beweis stellt, was sie in den vergangenen drei Jahren gelernt hat. Natürlich sei ihr davor schon bange, räumt Jessica Böttcher ein. Aber das ist vermutlich Zittern auf hohem Niveau, denn bislang ist ihr Notendurchschnitt eine 1. Diese Zensur würde sie natürlich gern überall stehen haben, wenn am 13. September das Prüfungsergebnis von Theorie und Praxis mitgeteilt wird. Tags darauf feiert sie ihren 39. Geburtstag. Gut möglich, dass die Umschülerin am Abend vorher schon am Herd steht und einen Tortenmarathon hinlegt.

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Auch für den 10. Juni hat sich die Torten-Fee schon etwas Besonderes überlegt: „Da haben wir an der Medizinischen Schule unseren letzten Unterrichtstag. Da werde ich mir eine besondere Torte zu Thema Altenpflege ausdenken.” Was Zutaten und Zubehör anbelangt, habe man glücklicherweise eine riesige Auswahl, schwärmt die Jagowerin. Auch Fototorten kann sie mittlerweile selbst herstellen, weil man im Internet ganz bequem Bilder hochladen kann und diese dann als Esspapier zugesandt bekommt. Beim übrigen Dekor sind den Wünschen ebenfalls keine Grenzen gesetzt. Womit die talentierte Bäckerin überhaupt nicht arbeitet, das ist Fondant. „Sieht zwar schick aus, aber ich kenne niemanden, der das isst. Meist wird der Überzug runtergepult, schade um die Mühe, die das macht.”

Nicht umgesattelt

Gefragt, ob sie mit dieser Gabe nicht lieber umsatteln und an der Tortenspritze verdienen will, winkt Jessica Böttcher kategorisch ab: „Nee, nee, ich bleibe bei meinem Omis und Opis in der Pflege. Ich brauche die zum Betutteln und komme jeden Tag glücklich heim von der Schicht.” Gott sei dank sei der enge Zeitplan beim DRK nicht bis auf die letzte Minute festgezurrt, so dass man je nach Bedarf auch mal fünf Minuten länger zum Reden bleiben kann. Denn alles lasse sich nicht auf die Schnelle erledigen, das weiß sie spätestens, seit sie Torten dekoriert. Denn unter einer Stunde verlässt da kein Exemplar ihre Küche, die in solchen Momenten einer Zuckerbäckerwerkstatt gleicht. Buttercreme, Obstbelag und vieles mehr dauern eben...