Zeugensuche in der Uckermark
Ex-Heimkind sagt: Schläge gehörten dazu
Herzfelde / Lesedauer: 3 min

Claudia Marsal
Frank Wolf möchte die Geschichte seines Lebens niederschreiben. Doch der 57-Jährige hat ein Problem: Noch sind die ersten Kapitel leer. Der gelernte Maurer ist in Heimen und Pflegefamilien aufgewachsen. Dokumente davon gibt es kaum. Und Erinnerungen daran hat er nicht. Woran das liegt, kann der dreifache Vater nicht sagen: „Vermutlich verdrängt, weil da so viel Schlimmes passiert ist.“ Lange Zeit war der Familienvater sogar froh, nicht mehr an den schweren Anfang erinnert zu werden.
Aber jetzt ist der Punkt erreicht, wo sich Frank Wolf seiner Vergangenheit stellen will. In dem Bewusstsein, dass er seinen drei Töchtern (15, 24, 26) eine bessere Kindheit ermöglicht hat, als sie ihm je vergönnt war, setzt das Heimkind nun alles daran, den Schleier der ersten Jahre zu lüften. Bislang habe man ihm da aber viele Steine in den Weg gelegt, beklagt der Hobbyautor. Seine Recherchen zu der elternlosen Ära sind im Sande verlaufen.
„Angeblich gibt es keine Angaben mehr zu meiner Familie, weil nach 25 Jahren alle Unterlagen vernichtet wurden“, bedauert Frank Wolf im Gespräch mit dem Uckermark Kurier. Schwarz auf weiß hat er nur seinen Geburtstag (18.01.1961) und den Geburtsort Berlin-Köpenick. Später sei ihm, so Wolf, gesagt worden, dass er in seinem dritten Lebensjahr aus der Familie herausgenommen wurde. Warum, das weiß er nicht.
10 000 Euro Entschädigung
Glücklicherweise habe er seinen Zwangsaufenthalt im Kinderheim Herzfelde noch belegen können, sagt Frank Wolf nachdenklich. Nur deshalb kam der heute bei Schwerin lebende Mann in den Genuss von 10 000 Euro Entschädigungsgeld aus dem Fonds für DDR-Opfer. „Damit habe ich mein Bauernhäuschen ein bisschen hübsch gemacht“, erzählt der gebürtige Hauptstädter. Doch was in den sieben Jahren in Herzfelde mit ihm passiert sei und davor bei den Pflegeeltern, das könne alles Geld der Welt nicht ungeschehen machen, setzt er hinzu. Auf die Frage, ob dazu auch Schläge gehörten, nickt er nachdenklich.
Trotzdem möchte Frank Wolf diesen Erlebnissen jetzt ins Auge sehen. Aber dafür müssten ihm andere Zeitzeugen auf die Sprünge helfen, bittet er die Zeitung um Unterstützung. „Bis auf ein Jugendweihebild ist mir nichts geblieben von dort“, setzt er erklärend hinzu. Er erinnere sich nur vage an das Schloss Herzfelde, in dem er als Heimkind untergebracht war. Auch das Dorf und die Schule in Mittenwalde kann er nur noch schemenhaft beschreiben.
Schwerer Start ins Leben
„Als ich mit 18 Jahren auf eigene Beine gestellt wurde, gab es ein paar persönliche Bekleidungsstücke mit auf den Weg, aber keine Fotos oder andere Dokumente.“ Sein schwerer Start in ein selbstbestimmtes Leben habe dann sein Übriges getan. „Ich stellte sofort einen Ausreiseantrag und äußerte mich regimekritisch“, denkt Frank Wolf zurück. Dafür kassierte der junge Mann zwei Jahre und zehn Monate Haft. Zum Glück traf der politische Häftling danach auf seine heutige Lebensgefährtin. „Danach zog Normalität bei mir ein.“ Aber auch die Mutter seiner drei Kinder weiß natürlich, wie sehr ihn die Geister der Vergangenheit noch plagen und wie wichtig es vermutlich ist, vor ihnen nicht mehr wegzulaufen.
Die Familie unterstützt sein Vorhaben, sich Klarheit über damals zu verschaffen. Gefragt, ob er das Buch in erster Linie für die Vergangenheitsbewältigung und zur Information seiner Lieben schreiben will, sagt Frank Wolf, dass er da weiter denkt. „Ich möchte mit meinem Schicksal an die Öffentlichkeit gehen, um zu zeigen, wie schnell es einem schlecht gehen kann und wie sehr einen Menschen eine schlimme Kindheit prägt.“
Wer Informationen hat, möchte sich bitte unter folgender Nummer bei ihm melden: 03848 550185