Zu alt?

Fitter Ex-Lehrer fühlt sich diskriminiert

Prenzlau / Lesedauer: 4 min

Ralf Bahr ist topfit und voller Schaffenskraft. Die hätte der pensionierte Lehrer gern in den Dienst der Gesellschaft gestellt. Doch er darf nicht.
Veröffentlicht:05.02.2023, 10:57

Von:
  • Claudia Marsal
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Als der Ruhestand für Ralf Bahr in greifbare Nähe rückte, sah sich der langjährige Lehrer für Sport und Deutsch mit seiner Frau nach einem hübschen, kleinen Domizil auf dem Lande um. Das Paar wollte endlich weg aus dem hektischen Berlin und liebäugelte schon lange mit der idyllischen Uckermark, wo es manch schönen Urlaub verbracht hatte. Vor fünf Jahren wurden die Eheleute dann fündig. Sie kauften in Blankenburg einen 1970er Jahre-Bau, was sich als nicht ganz unproblematisch erwies, weil im Nachgang einige diffizile Grundstücksfragen zu klären waren. „Bei der Lösung dieser Probleme hat uns das Amt Gramzow sehr unterstützt“, blickt der pensionierte Pädagoge dankbar zurück. Und weil am Ende alles schön war und der neue Heimatort sie mit offenen Armen empfing, entschied sich Ralf Bahr, der Gemeinschaft etwas zurückzugeben. Er meldete sich freiwillig, als nach Schiedsleuten gesucht wurde. Und bei der Gelegenheit bot er sich auch gleich noch als Schöffe an.

+++ Freiwillige vor! Wer ist bereit, Schöffe zu werden? +++

Ein Bericht des Uckermark Kurier über die Schöffenwahl in Brandenburg hatte nämlich sein Interesse geweckt: „Daraufhin habe ich mich bei meiner Verwaltung über die Vorgehensweise informiert.“ Der gebürtige Hauptstädter war auch ganz zuversichtlich, was das Ehrenamt anbelangt. Doch dann musste er feststellen, „dass ich mit 69 Jahren zu alt dafür bin.“ Der zweifache Großvater konnte zunächst gar nicht glauben, was auf der Internetseite des Justizministeriums stand. Aber dort war zweifelsfrei zu lesen, dass Bewerber für das Amt am 1. Januar 2024 nicht älter als 69 Jahre sein dürften. Der Wahl-Uckermärker feiert dieses Jahr aber bereits seinen 70. Geburtstag. Ralf Bahr findet diese Regelung ungerecht: „Gerade rüstige Rentner sind doch noch in vielen Bereichen ehrenamtlich tätig, da sie genügend Zeit haben und viel Erfahrung einbringen können. Sei es in Sportvereinen, an Schulen als Lesepaten, in sozialen Projekten wie zum Beispiel der ‚Tafel‘, in Bürgerinitiativen usw. Ich bin wie gesagt im Verwaltungsbereich des Amtes Gramzow als Schiedsperson tätig, und da gibt es trotz juristisch relevanter Tätigkeit auch keine Altersbegrenzung.“

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Diesen Ausschluss von gesellschaftlicher Teilhabe empfindet der vielseitig interessierte und aktive Senior als Diskriminierung. Und auch schade, denn der Staat verschenke damit viel Potenzial. Er selbst fühle sich heute ähnlich leistungsfähig wie vor 20 Jahren, versichert Ralf Bahr: „Bis vor drei Jahren habe ich an meiner alten Schule noch eine Sport-AG geleitet. Meine Frau und ich fahren leidenschaftlich gern Ski. Auch als Betreuer für unsere Enkel in Berlin werden wir gern ‚engagiert‘. Was spricht also dagegen, dass ich meine Erfahrungen auch als Schöffe nutze?“ Irgendwann habe er mal eine Geschichte gehört, die eine Begründung sein könnte: Da war ein älterer Schöffe bei einer Verhandlung eingeschlafen, woraufhin es eine erfolgreiche Revision wegen Verfahrensfehlern gab. Aber vor so einem Malheur seien doch auch Jüngere nicht gefeit, ist der Pensionär überzeugt. Ihm will daher nicht in den Kopf, warum in Brandenburg bei den Laienrichtern so verfahren wird.

Richter wünschen sich Anhebung

Der Bundesverband ehrenamtlicher Richterinnen und Richter (DVS) hatte übrigens schon 2015 in einem Grundsatzpapier die Abschaffung der Altersgrenze nach § 33 Nr. 2 GVG vorgeschlagen, sodass auch Personen über 70 Jahre Schöffen bleiben können, sofern sie nicht gewissen Ausschlussgründen unterfallen. In Niedersachsen hatte die FDP dazu sogar eine Anfrage eingebracht, aber von der Landesregierung zur Antwort erhalten, dass man die festgelegte Altersobergrenze für richtig und angemessen halte.

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Gegen eine Aufhebung der Altersobergrenze sprächen das Gebot der effektiven Strafrechtspflege und die besonderen Belastungen, die sich aus einer möglichen ganztägigen und in Großverfahren auch über mehrere Monate oder gar Jahre andauernden Hauptverhandlung ergeben können. In der Antwort von 2018 hieß es: „Sofern eine Schöffin oder ein Schöffe dabei im laufenden Verfahren an der weiteren Teilnahme gehindert ist, muss die Hauptverhandlung vollständig wiederholt werden, sofern an dem Verfahren nicht von Anfang an Ergänzungsschöffinnen oder Ergänzungsschöffen teilgenommen haben. Ein Aussetzen der Hauptverhandlung kann dann über die Verlängerung hinaus auch dazu führen, dass Haftbefehle aufgehoben und Angeklagte daher aus der Haft entlassen werden müssen. Ferner kann die Wiederholung einer Hauptverhandlung für potentielle Opfer von Straftaten, etwa auf Grund der neuerlichen Vernehmung im Verfahren, erhebliche Belastungen bedeuten. Für die Justizhaushalte sind mit der Wiederholung von Hauptverhandlungen schließlich hohe Kosten verbunden.“ Mit fortschreitendem Alter steige zudem die Gefahr von unvorhersehbaren und gegebenenfalls länger andauernden Ausfällen wegen Krankheit oder anderen Belastungserscheinungen.