Asylpolitik

Flüchtlingsunterkunft mit bis zu 300 Plätzen geplant

Prenzlau / Lesedauer: 4 min

Die Kreistagsabgeordneten in der Uckermark sollen über eine weitere Gemeinschaftsunterkunft in Prenzlau entscheiden. Angedacht sind 250 bis 300 Plätze.
Veröffentlicht:08.04.2023, 06:10

Von:
  • Heiko Schulze
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„Die Situation stellt den Landkreis Uckermark und seine Gebietskörperschaften vor außerordentliche Problemlagen bei der Unterbringung von Geflüchteten“, heißt es in der Begründung der Beschlussvorlage „Errichtung sowie Betreibung einer Gemeinschaftsunterkunft in Prenzlau, Brüssower Allee 91“. Zusätzlich zum bereits bestehenden Asylbewerberheim in der Berliner Straße (derzeit circa 400 Bewohner). Und zusätzlich zur temporären Unterbringung von bis zu 70 ukrainischen Flüchtlingen (Familien) in der Brüssower Allee 99 (ehemals Telekom). Darüber entscheiden sollen die uckermärkischen Kreistagsabgeordneten in ihrer Sitzung am Dienstag, dem 18. April.

Herausforderung viel größer als 2015/2016

Vor dem Hintergrund des Angriffskrieg gegen die Ukraine und der anhaltend hohen Migration von Asylbewerbern und Flüchtlingen wurde das Aufnahmesoll des Landkreises Uckermark allein im Jahr 2022 fünf Mal erhöht, schildern Landrätin Karina Dörk (CDU) und ihr erster Beigeordneter Frank Bretsch (SPD). Lag dieses zusätzliche Aufnahmesoll für den Landkreis im Februar 2022 noch bei 258 Personen, erhöhte sich dieses bis Januar 2023 rückwirkend auf 2107. Der Landkreis hatte 2022 insgesamt 1722 Asylsuchende und Flüchtlinge untergebracht und damit erstmals sein Aufnahme–Soll nicht erfüllt.

Niveau unverändert hoch

Für das Jahr 2023 wurde die Uckermark vom Land Brandenburg verpflichtet, weitere 1756 Geflüchtete (Stand jetzt) aufzunehmen. Diese Aufnahmeverpflichtung — über zwei Jahre hinweg konstant auf hohem Niveau — stellt den Landkreis vor eine größere Herausforderung, als es in der Flüchtlingswelle der Jahre 2015/2016 der Fall war, räumt die Verwaltungsspitze ein. Gleichzeitig betont sie — fett gedruckt hervorgehoben in der Beschlussvorlage — dass es sich um eine „gesetzlich normierte Pflichtaufgabe nach Weisung“ des Landes Brandenburg handelt.

Die Aufnahme des allgemeinen Wohnungsmarktes sei nahezu ausgeschöpft. Aktuell stünden im Kreis gerade einmal 100 belegbare Unterbringungsplätze zur Verfügung, wobei die Verwaltung noch in diesem Quartal eine Vollbelegung der bestehenden Gemeinschaftsunterkünfte erwartet. In Schwedt wurde bereits ein mehrgeschossiger Plattenbau angekauft und wird umfangreich saniert. Gleichzeitig wird dort die Sporthalle des Oberstufenzentrums als Notunterkunft hergerichtet. Der Landkreis ist zudem mit dem Angermünder Bildungswerk im Gespräch.

800 Plätze zusätzlich notwendig

Auf der Kreistagssitzung am 8. März hatte Landrätin Dörk angekündigt, dass mindestens 800 weitere Plätze notwendig sind, um das vorgegebene Aufnahmesoll 2023 erfüllen zu können. Ein Schritt soll dabei die Errichtung und Betreibung einer Gemeinschaftsunterkunft im ehemaligen Verwaltungsgebäude des Armaturenwerkes sein — mit einer Kapazität für 250 bis 300 Asyl– und Schutzsuchende. Die Kreistagsabgeordneten sollen am 18. April die Landrätin als Vertreterin in der Gesellschafterversammlung der Uckermärkischen Dienstleistungsgesellschaft mbH (UDG) bevollmächtigen, dem Geschäftsführer der UDG eine entsprechende Weisung zu erteilen, der seinerseits den Geschäftsführer der Uckermärkischen Entwicklungsgesellschaft (UEG) anweisen soll, diese Gemeinschaftsunterkunft „zum nächst möglichen Zeitpunkt“ zu planen und zu errichten. Der Geschäftsführer der gemeinnützigen Uckermärkischen Betreuungs– und Pflegegesellschaft (GUB) soll zugleich angewiesen werden, diese Gemeinschaftsunterkunft zu betreiben. Das Asylbewerberheim in der Berliner Straße wird von der Human–Care GmbH betrieben.

Zum Thema ein Kommentar von Redaktionsleiter Heiko Schulze:

„Soziale Fragen noch völlig ungeklärt“

Das Land Brandenburg reicht den anhaltenden Ansturm an Asylbewerbern und Flüchtenden an die Landkreise als „gesetzlich normierte Pflichtaufgabe“ weiter. Doch mit dem Betreiben und Einrichten entsprechender Unterkünfte ist es nicht getan. Auch nicht mit Geld. Die Frage, welchem Ansturm die soziale Infrastruktur direkt vor Ort überhaupt gewachsen ist, muss zuvor gestellt und geklärt werden. Von der Antwort hängen wesentlich der Erfolg von Integration und die Akzeptanz in der Bevölkerung ab.

In der Kreisstadt Prenzlau mit circa 19 000 Einwohnern leben nach Auskunft des Rathauses aktuell 1126 Geflüchtete und Asylsuchende in Wohnungen, 403 im Asylbewerberheim in der Berliner Straße 28 und bis zu 70 in der Brüssower Allee 99. Die in der Brüssower Allee 91 angedachte Gemeinschaftsunterkunft mit Platz für weitere 250 bis 300 Schutz– und Asylsuchende würde die Gesamtzahl auf circa 1900 nach oben schnellen lassen — nahezu zehn Prozent der Bevölkerung der Kreisstadt. Dieses sagt etwas zur Quantität aus. Entscheidend sind die freien/fehlenden und personellen Kapazitäten in Schulen und Kindereinrichtungen, im Haupt– und Ehrenamt, in der medizinischer Versorgung.

Die Auswüchse einer nicht geglückten Integration erlebten Prenzlauer jüngst durch den Vorfall im Wohngebiet Robert–Schulz–Ring, ebenfalls im Osten der Stadt gelegen.

Heißt es noch vor der am 18. April zu treffenden Entscheidung der Kreistagsabgeordneten „Augen auf“, um diese sozialen Fragen mit Realitätssinn und nicht nach dem Motto „Wünsch Dir was“ zu beantworten? Oder geht es wieder einmal — aufgrund von Sachzwängen und Überforderung — nur um „Augen zu und durch“ in der Hoffnung, dass es irgendwie schon klappen wird? Letzteres wäre ein fatales Signal.