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Flüchtling erzählt

Für den Führerschein oft aufs Essen verzichtet

Prenzlau / Lesedauer: 3 min

Fahrlehrer Dirk Weise sagt: „Wenn die Leute bei mir einen Ausländer sehen, heißt es oft: 'Na, der kriegt das doch sicher vom Staat bezahlt.“ Stimmt das?
Veröffentlicht:19.11.2023, 12:00

Von:
  • Claudia Marsal
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Chris Kelem Mphela Mbeck ist gewillt, in Deutschland Fuß zu fassen. Der junge Mann aus Kamerun tut alles, damit die Integration gelingt. Nach knapp drei Jahren im Flüchtlingsheim hat der Afrikaner mit Freundin und Kind eine eigene Wohnung bezogen. Auch jobtechnisch läuft es. Der Migrant macht eine Installateurlehre in einem Prenzlauer Handwerksbetrieb.

Keine fremde Hilfe

Zum Glück fehlte ihm bislang nur noch die Fahrerlaubnis. Denn die erste Frage, die ihm potenzielle Arbeitgeber bei Bewerbungen stellten, war stets die, ob er einen Führerschein hat. Vor der Ausbildung an sich war Chris Kelem Mphela Mbeck auch nicht bange. Zögern ließen ihn vielmehr die finanziellen Hürden.

Dirk Weise ist begeistert von seinem Schützling. Die Prüfung bestand Chris Kelem Mphela Mbeck schnell. Doch bevor sich der Azubi ein eigenes Auto leisten kann, dauert es noch. (Foto: Privat)

Denn Geld übrig hatte der 26-Jährige dafür nicht: „Ohne fremde Hilfe war ich gezwungen, zeitweise auf Essen zu verzichten, um ein paar Euro bei Seite legen zu können. Aber durch Gottes Gnade konnte ich es schließlich schaffen.“ Die Prüfung bestand der frischgebackene Papa zeitnah. Zwar erst im zweiten Anlauf, aber nachdem Fahrschulinhaber Dirk Weise persönlich seine Ausbildung übernommen hatte, lösten sich alle Probleme in Luft auf.

Der Unternehmer hat Erfahrung mit ausländischen Schützlingen. Sie machen mittlerweile 15 Prozent seiner Schüler aus. „Es hat sich herumgesprochen, dass ich mit allen gut kann“, lacht der Kreisstädter: „... und dass ich keine Unterschiede zwischen Weiß, Schwarz oder sonst etwas mache.“ Vor allem zu den Afrikanern habe er meist schnell einen Draht, setzt der Familienvater hinzu. „Ich bin nämlich mehrmals im Jahr in Kenia. Dank privater Kontakte unterstütze ich dort auch soziale Projekte  und weiß daher, wie die Menschen ticken. Ich komme mit der Mentalität gut klar.“ Anfangs kläre er sofort, dass der Unterricht nach deutscher Uhrzeit beginne, setzt der 60-Jährige schmunzelnd hinzu: „Damit gehen wir Ärger aus dem Weg.“  

Auch Toni Arndt (links) gehört zum Fahrlehrerteam. (Foto: Claudia Marsal)

2020 gestartet

Der Kreisstädter ist ausgebildeter Fahrlehrer, hat aber lange im Gesundheitswesen seine Brötchen verdient. Erst 2020 besann er sich auf den einstigen Beruf zurück und gründete neben seinem Pflegedienst eine Fahrschule in Prenzlau.  Seit dem Sommer gibt es eine Außenstelle in Brüssow.

Gefragt, was die Ausbildung ausländischer Schüler anders macht, verweist Dirk Weise auf die Sprachbarriere. Die theoretische Prüfung könne zwar in vielen Sprachen abgelegt werden, nicht zwingend in Deutsch. Beim praktischen Teil dürften sich die Führerscheinbewerber aber nicht auf Englisch, Persisch, Russisch, Tschechisch ... verlassen. „Da müssen sie die deutschen Begriffe kennen und Anweisungen verstehen“, betont der Fahrschulinhaber: „Aber in der Regel sind sie gelehrig, was das anbelangt.“

Dirk Weise liegt am Herzen, abschließend noch mit einem Vorurteil aufzuräumen: „Wenn die Leute bei mir im Auto einen Ausländer sitzen sehen, heißt es oft: ‚Na, der kriegt das doch vom Staat bezahlt. Aber nee, kriegt er nicht. Die sparen sich das wirklich vom Munde ab. Da haben sie meinen Respekt.“