Testpflicht adé

Gastro-Chefs begrüßen weniger Zettelwirtschaft

Prenzlau / Lesedauer: 6 min

Hier ein paar Reaktion der Gastronomen unserer Region auf den angehobenen Schwellenwert im Land Brandenburg.
Veröffentlicht:13.10.2021, 10:10

Von:
  • Simone Schamann
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Endlich Schluss mit Zettelwirtschaft und ungeliebter Kontroletti-Rolle beim Bedienen der Gäste – zumindest erst mal. Der Uckermark Kurier sprach mit Wirten und einem Hotelier aus unserer Gegend: Was sagen Sie zum Wegfall der Testpflicht? Um es gleich vorweg zu nehmen: Vor Freude aus der Hose gesprungen sind sie alle nicht.

Dafür haben die Gastronomen im laufenden und vergangenen Jahr einfach zu viel mitgemacht. Weniger Bürokratie im laufenden Betrieb ist bei den Gewerbetreibenden natürlich höchstwillkommen – die Chefs und Chefinnen beschäftigt jetzt im Herbst aber auch schon stark, was im kommenden Geschäftsjahr so alles auf sie zukommen wird und könnte. Uckermark.

Der Wegfall der Testpflicht unter bestimmten Umständen war bereits am 5. Oktober im Kabinett beschlossen worden. Seit heute ist die Verlängerung der dritten Corona-Verordnung des Landes Brandenburg offiziell in Kraft – mit folgendem Zusatz, wie das Ministerium für Soziales, Gesundheit, Integration und Verbraucherschutz informiert: „Anhebung des Schwellenwertes für Wegfall der Testpflicht (Paragraf 6 Absatz 3): Der Schwellenwert für den Entfall der Pflicht zur Vorlage eines Testnachweises wird von bisher 20 auf 35 erhöht.

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Das bedeutet: In den kreisfreien Städten und Landkreisen, in denen die Sieben-Tage-Inzidenz an mindestens fünf aufeinanderfolgenden Tagen unter 35 liegt, ist in vielen gesellschaftlichen Bereichen die Vorlage eines negativen Testergebnisses bzw. eines Impf- oder Genesenennachweises nicht mehr nötig. Das betrifft zum Beispiel die Innengastronomie, touristische Übernachtungen, Reisebusreisen, Indoor-Sportanlagen, Theater, Kinos und Schwimm- und Spaßbäder. Diese Inzidenz-Regelung gilt auch in anderen Bundesländern.“

Das sagen Gastronomen aus unserer Region zu aktuellen Situation:

Alexandrou Spyrou vom Sempre Roma in Prenzlau: „Ich befürworte generell nicht, dass die Restaurants Papiere und den Impftstatus kontrollieren sollen – ich bin doch kein Polizist oder vom Ordnungsamt. Von daher finde ich es natürlich super, dass der Schwellenwert angehoben wird und die Gäste einfach so reinkommen können. Allerdings weiß ja kein Mensch, wie lange das jetzt gilt und was noch so alles kommt...

Kai Frodel vom Hotel Uckermark in Prenzlau: „Ich schaue mit großer Sorge Richtung Herbst und Winter, da es einfach keine klare Linie gibt, wie man in Zukunft mit dem Virus umgehen will. Zudem macht mir die enorme Preissteigerung – 300 Prozent! – im Energiebereich Kopfzerbrechen. Ein Vielfaches an Kosten für Strom und Gas ab kommendem Jahr – wie sollen wir Gewerbetreibenden das stemmen? Wir reden ja nicht über ein paar Euro mehr im Monat, sondern über richtig viel Geld, über Zehntausende Euro Mehrkosten pro Jahr. Das sind die Dinge, die mich zurzeit beschäftigen.

So eine enorme Kostensteigerung könnte vielen Gewerbetreibenden den Garaus machen, das ist schlicht nicht finanzierbar. Wir sind als Familienbetrieb plus tollem Personal und Hotelbetrieb gut aufgestellt und werden es schaffen, davon gehe ich aus – aber was sollen andere sagen? Man kann die exorbitanten Mehrkosten ja nicht einfach auf die Gäste umlegen, denn die haben die höheren Energiepreise im privaten Bereich ja auch zu tragen. Ich frage mich: Wie soll das bitte alles funktionieren?

Viele Gäste werden einfach wegbleiben, weil sie es sich selbst nicht mehr leisten können, essen zu gehen. Kleine Erleichterungen für den laufenden Betrieb in unserem Bundesland schön und gut – aber was werden in naher Zukunft wieder für Beschränkungen kommen, sobald die Bundesregierung sich neu gebildet hat?

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Was wenn Geimpfte mit Corona infiziert sind?

Jetzt hört man zum Beispiel immer öfter, dass Geimpfte weiterhin an Corona erkranken – für solche Szenarien gibt es scheinbar keine Strategien in der Politik. Auch Gerüchte, dass geplant ist, in Zukunft dauerhaft nur noch eine gewisse Anzahl an Personal und Gästen pro Quadratmeter in Restaurants zuzulassen, finde ich beunruhigend. Angeblich war man sich da schon vor der Bundestagswahl einig, gesagt wird es aber erst hinterher – wundern würde mich das nicht. In puncto Impfen bin ich übrigens ein Verfechter von 3G, denn damit fühlt sich niemand ausgegrenzt und ausgestoßen. Die Menschen müssen selbst entscheiden dürfen, niemand sollte sich unter Druck gesetzt fühlen.“

Martina Wenzel vom Restaurant Grünling in Templin: „Na sicher, die Anhebung des Schwellenwertes ist eine große Erleichterung im laufenden Betrieb. Insofern freue ich mich selbstverständlich. Aber das Beste wäre natürlich, wenn die Inzidenz dann auch für immer unter 35 bleibt. Dass die Impfquote ausreicht und wir hier in der Uckermark den Schwellenwert gar nicht mehr unterschreiten – das ist tatsächlich meine Hoffnung.

Natürlich mussten wir für das Kontrollieren des Impf/Test- oder Genesenenstatus kein neues Personal einstellen, das hätten wir uns auch gar nicht leisten können – aber es hat beim Kellnern schon immer aufgehalten. Personalien aufnehmen, die Gäste müssen ankreuzen, ob sie getestet, geimpft oder genesen sind, Zettel wieder einsammeln und so weiter – das ist schon ein Mehraufwand gewesen. Und ich mache drei Kreuze, wenn das nicht wiederkommt. Auch unseren Gästen wünsche ich das sehr – einfach wieder normal essen gehen, ohne bürokratisches Zettel ausfüllen.“

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"Ich empfinde den ganzen Umgang als ein einziges Rumgeeiere"

Ralph Scheffel vom Steakhaus DOM in Prenzlau: „Es ist doch alles ein Hin und Her – und am Ende müssen wir Gastronomen sowieso wieder mitmachen, was die Politik entscheidet. Schön, dass es in Restaurants jetzt durch den erhöhten Schwellenwert wieder etwas einfacher wird – aber mal sehen, was danach noch kommt. Das Virus wird ja nicht verschwinden. Sorry, aber ich empfinde den ganzen Umgang damit als ein einziges Rumeiern von Woche zu Woche. Paar Tage so, dann wieder so – da weiß doch kein Mensch mehr, was gilt. Wir als Restaurant sind ja schon zu einer Art Auskunftsbüro geworden.

Bevor sie kommen, rufen die Leute an und fragen, was denn nun zurzeit eigentlich gilt, was sie mitbringen müssen und so weiter. Das ist jetzt keine Kritik an meinen Gästen, sie können gern anrufen – aber da läuft doch irgendwas schief, wenn niemand mehr so richtig durchsteigt, welche Regeln aktuell sind und was sie überhaupt für einen Sinn haben.

Warum müssen die Leute zum Beispiel auf dem Weg zum WC die Maske aufsetzen, wenn sie vorher stundenlang ohne Maske am Tisch gesessen haben? Tut mir leid, das ist einfach Blödsinn, den ich meinen Gästen täglich aufzwingen muss. Ich bin wirklich sauer auf die Politik. Die sollen mal herkommen und ein paar Tage unseren Job übernehmen. Die Regeln selbst umsetzen, die sie da festlegen. Abstand auf den Zentimeter, Maske rauf, Maske runter – die wissen doch gar nicht, was sie da entscheiden!

Wenn sich das irgendwann mal grundlegend ändert, würde ich mich viel mehr freuen als über einen angehobenen Schwellenwert, der jederzeit wieder gesenkt werden kann.“

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