In Haßleben hausen wohl wieder Schweine
Haßleben / Lesedauer: 4 min

Was passiert, wenn ein riesiger Betrieb über Jahre leer steht, zeigt sich aktuell am Beispiel Haßleben. Bis zur Wende existierte hier die größte Schweinemastanlage Europas. 200 000 Tiere wurden pro Jahr in dem kleinen Dorf gemästet. Der Ort lebte quasi davon. Viele Einheimische hatten in dem Betrieb eine Anstellung. Die Massentierhaltung bestimmte in Haßleben den Alltag. Doch nach der Wiedervereinigung schlossen sich die Tore. Die Ställe leerten sich jäh. Die Jobs gingen verloren. Bis 2004 ein Holländer auf die Idee kam, die alte DDR-Liegenschaft zu reaktivieren und 65 neue Arbeitsplätze in Aussicht stellte, der Uckermark Kurier berichtete. Aber der Investor scheiterte mit seinen Umbauplänen. Im Oktober 2017 hob das Verwaltungsgericht Potsdam endgültig die vom Landesumweltamt bereits erteilte Genehmigung für eine Anlage mit 37 000 Mastplätzen auf. Eine Berufung wurde nicht zugelassen.
Aus besiegelt
„Nach 14 Jahren zähen Widerstands war das ein wichtiger juristischer Etappensieg für die Bürgerinitiative ‚Kontra Industrieschwein Haßleben‘ und die Verbände hinter der Klage“, teilte danach die „Albert Schweitzer Stiftung für unsere Mitwelt“, eine deutschlandweit tätige Tierschutz- und Tierrechtsorganisation, mit. Mit dem letzten Richterspruch war das Aus dann offenbar doch besiegelt, denn seitdem werden die Haßlebener Zeugen des unaufhaltsamen Verfalls des Objektes. „Wir glauben nicht, dass es mit Schweinen noch einmal was wird“, sagt Ortsvorsteher Timo Mende. Er hätte noch eine Chance im Rückbau der Anlage gesehen, wie der Haßlebener sagt: „Unter dem Beton befindet sich schließlich wertvolles Ackerland. Aber wer soll das bezahlen?“ Dem entgegen ständen ja auch die Eigentumsverhältnisse, so Mende weiter. Besitzer sei weiterhin der Holländer, der hier noch eine Photovoltaikanlage betreibe.
Doch was die Erfüllung der Verkehrssicherungspflicht anbelangt, stehe es mittlerweile nicht zum Besten, beklagt Mende. Er wisse, dass es in der Anfangszeit noch einen Mitarbeiter gegeben habe, der nach dem Rechten sah. Doch das scheine vorbei zu sein. Die Einwohner von Haßleben machen sich jedenfalls zunehmend Gedanken über das Treiben auf dem Firmengelände. Mende selbst hat des Nachts wiederholt Lichter in dem Gebäude flackern sehen. An mehreren Stellen ist der Maschendrahtzaun herunter getreten. Fotos, die dem Uckermark Kurier vorliegen, belegen, dass die Tür zum Bürogebäude weit offen steht und es auch im Inneren mittlerweile wüst aussieht. Die Bilder dokumentieren, dass es vermutlich Stammgäste gibt, die hier übernachten.
Schlafsäcke entdeckt
In einem Büro liegen zwei Schlafsäcke ausgerollt. Dabei ist das im Volksmund als „weißes Haus“ bezeichnete Gebäude alles andere als einladend. Die Flure sind total zugemüllt. Von den Wänden hängen Regale, Bilder und Karten herab. Der Treppenaufgang ist mit Unrat übersät, ebenso die Zimmer der ehemaligen Angestellten.
Ein Raum scheint besonders brisant zu sein. Dort lagern nämlich noch unzählige Akten aus der Vergangenheit. Ordner mit Lohn- und Gehaltsabrechnungen sowie anderen Betriebsinterna liegen im Dreck beziehungsweise stehen aufgereiht in unzähligen Regalen. „Überall redet man von Datenschutz, aber dort scheint sich niemand darum zu scheren“, beklagt eine Einwohnerin, die sich Sorgen macht, dass persönliche Angaben an die Öffentlichkeit gelangen. „Es geht doch niemanden etwas an, was damals verdient wurde“, ärgert sich die Uckermärkerin. Ihre Sorge gilt aber auch denen, die sich „unbefugt Zutritt verschaffen und damit Hausfriedensbruch begehen“, wie das zuständige Ordnungsamt Boitzenburg betont: „Das ist dann auch keine Ordnungswidrigkeit mehr, sondern ein Straftatbestand, der in die Zuständigkeit der Polizei fällt.“
Eigentümer ist gefragt
Der Ortsvorsteher betont, dass er die Behörden über das Treiben dort informiert habe. „Nicht auszudenken, wenn mal jemand auf dem Gelände in einen Gulli fällt oder eine Treppe runter stützt“, malt Mende bewusst schwarz und fordert, dass die Verantwortlichen endlich handeln. Eine schriftlich gestellte Anfrage beim Eigentümer blieb bis Redaktionsschluss unbeantwortet, weil der Verantwortliche nicht erreichbar war. Telefonisch kam allerdings schon zur Auskunft, dass man sich zeitnah von den Zuständen vor Ort überzeugen werde.