Ölboykott
Ist Wasserstoff eine Chance für die PCK Raffinerie?
Schwedt / Lesedauer: 4 min

Sven Wierskalla
Seit Wochen bangen die Beschäftigten der PCK Raffinerie in Schwedt und mit ihnen viele Uckermärker um ihre Zukunft. Das hängt mit dem von der Bundesregierung beschlossenen Boykott russischen Öls zusammen, das ab dem Jahreswechsel in Kraft treten soll. Das PCK in Schwedt, eine von nur zwei Raffinerien, die es überhaupt nur in den östlichen Bundesländern gibt, wird bisher zu 100 Prozent über die Pipeline „Druschba“ mit russischen Erdöl versorgt. Von 2023 an soll es dann mit Rohöl von anderen Lieferanten versorgt werden – angeliefert auf dem Seeweg zum Rostocker Hafen und von dort über eine bereits vorhandene Leitung nach Schwedt. Das sehen zumindest Pläne des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz vor. Derzeit wird die Pipeline zwischen Rostock und Schwedt modernisiert und ertüchtigt.
+++ Rettungsplan für PCK-Raffinerie in Schwedt – Rohöl aus Kasachstan +++
Eine dauerhafte Zukunftssicherung stellt diese Lösung allerdings keineswegs dar. Erstens ist die Kapazität der Pipeline von Rostock nach Schwedt begrenzt – mithilfe dieser Zuleitung kann das PCK nur zum Teil beliefert werden und seine volle Kapazität nicht ausschöpfen. Zweitens muss im Zuge der angestrebten Energiewende hin zu erneuerbaren Energien auch das PCK klimafreundlich umgebaut werden. Nicht zuletzt befindet sich die PCK Raffinerie GmbH derzeit noch mehrheitlich im Besitz des russischen Energiekonzerns Rosneft. Das soll allerdings nicht so bleiben, weder mit Bezug auf die Eigentumsverhältnisse noch im Hinblick auf die Produktion von Diesel, Benzin, Kerosin oder anderen Mineralölprodukten aus fossilen Rohstoffen.
Pläne für umfangreiche Investitionen
Der grüne Energiespezialist Enertrag SE mit Sitz in Dauerthal in der Uckermark hat nämlich gemeinsam mit anderen Partnern Pläne, bei der Raffinerie als Investor einzusteigen. Dabei gibt es bei Enertrag keineswegs die Vorstellung, den Schwedter Großbetrieb im Alleingang übernehmen zu können. „Die Expertise von Enertrag liegt in der Produktion von grüner Energie“, teilte das Unternehmen mit. „Der Weiterbetrieb der fossilen Raffinerie unter den Bedingungen des Öl-Embargos ist mit erheblichen technischen und kommerziellen Herausforderungen verbunden. In Bezug auf ein Gesamtkonzept arbeiten wir gern mit einem Partner zusammen, der die notwendige langjährige Expertise für den Weiterbetrieb einer Öl-Raffinerie besitzt.“
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Enertrag möchte sich in einem solchen Konsortium mit Partnern darauf konzentrieren, nachhaltigen Kraftstoff herzustellen, zum Beispiel Flugbenzin als sogenanntes e-Kerosin zu gewinnen, indem dem Kraftstoff zu wesentlichen Teilen Wasserstoff beigemischt wird. Um solchen klimafreundlichen Kraftstoff herstellen zu können, „muss im ersten Schritt durch Elektrolyse grüner Wasserstoff mittels Strom aus Wind- und Photovoltaik-Anlagen hergestellt werden. Anschließend wird dieser zusammen mit CO2 in einem sogenannten Fischer-Tropsch-Reaktor zu einem synthetischen Rohöl weiterverarbeitet. Dieses erneuerbare Rohöl kann wiederum zu verschiedenen synthetischen Kraftstoffen veredelt werden. Das produzierte e-Kerosin kann als nachhaltiger Ersatz für fossiles Kerosin in der Luftfahrt verwendet werden“, erläutert Matthias Philippi, Sprecher von Enertrag.
Transformation bei allen Raffinerien
Die Dauerthaler sehen sich als Zukunftspartner für den notwendigen grünen Transformationsprozess des Standortes Schwedt, fügt Philippi hinzu. Diese Notwendigkeit betreffe alle heutigen Rohölraffineriestandorte. Einzelne Raffinerien wie Heide oder Leuna hätten sogar schon erste grüne Transformationsprojekte begonnen. „Um die EU-Vorgaben zur Reduktion des Ausstoßes von Treibhausgasen zu erfüllen, müssen Raffinerien zunehmend mehr grüne Produkte beimischen. Neben Biokraftstoffen ist vor allem grüner Wasserstoff sehr gut dafür geeignet.“ Enertrag sieht sich für diesen Transformationsprozess als geeigneten Partner für PCK.
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Der Windenergie und Wasserstoffspezialist, der bereits seit 2011 im Hybrid-Kraftwerk Prenzlau Erfahrungen mit der industriellen Gewinnung von Wasserstoff aus erneuerbaren Energien sammelt, hält es für möglich, das mit dem Aufbau einer grünen Raffinerie in Schwedt 400 Arbeitsplätze bis zum Jahr 2027 entstehen. Gleichwohl räumt Philippi ein, dass diese Umwandlung nicht einfach werden und voraussichtlich mehrere Jahre in Anspruch nehmen wird. „Für viele Menschen sind die Folgen des Krieges in der Ukraine sowie des drohenden Ölboykotts existenzbedrohend. Das kann man nicht schön reden“, räumt der Unternehmenssprecher ein und kann die PCK-Beschäftigen, die um ihre Arbeitsplätze fürchten, gut verstehen.
Zur Wasserstoffkompetenz von Enertrag: Potenzial von Wasserstoff in der Uckermark ergründen
Zugleich wirbt der Enertrag-Sprecher dafür, den Blick nach vorne zu richten. „Man kann versuchen, die Folgen der Krise bestmöglich abzufedern. Uns ist bewusst, dass eine Umstellung der gesamten Produktion auf grünen Wasserstoff nicht von heute auf morgen vonstatten gehen kann. Gleichzeitig zeigen die jüngsten Entwicklungen aber auch, dass wir schnellstmöglich unabhängig von fossilen Energieimporten werden müssen. Wir dürfen also keine Zeit verlieren. Daher wollen wir noch 2022 mit der detaillierten Planung beginnen, um in 2023 die Genehmigungsanträge zu stellen. Ziel ist dabei eine Inbetriebnahme der ersten Projektstufe innerhalb von drei bis vier Jahren.“ Demnach könnte die grüne Raffinerie beim PCK 2025 oder 2026 in Betrieb gehen.