Flüchtlingsheim
„Klar machen, welcher Druck im Kessel ist“
Prenzlau / Lesedauer: 3 min

„Wir werden uns darauf einstellen müssen, dass Prenzlau eine zweite Gemeinschaftsunterkunft bekommt“, schilderte Prenzlaus Bürgermeister Hendrik Sommer (parteilos) in einer ersten Reaktion nach der Kreistagsentscheidung vom Dienstag. Auch wenn die Landrätin Karina Dörk (CDU) das Wort „Gemeinschaftsunterkunft“ durch „Erstaufnahmeunterkunft“ ersetzt habe, ändere das nichts daran, dass diese zweite Einrichtung nach dem Asylbewerberheim in der Berliner Straße der Kreisstadt auf lange Zeit erhalten bleiben werde. Noch fehle es an Plätzen im Landkreis, um den Ansturm an Asylsuchenden und Flüchtlingen weiter verteilen zu können. Rechtliche Einspruchsmöglichkeiten gegen den Kreistagsbeschluss sieht Sommer nicht: „Wir sind quasi das Ende der Fahnenstange.“ Mit all den Problemen und offenen Fragen, die sich daraus für die Kommune und ihre Bürger ergeben. „Ein Sozialsystem ist nur sozial, solange es sich das leisten kann. Wie soll ich einer Rentnerin, die zur Tafel muss, um über die Runden zu kommen, die Situation erklären?“ Was EU, Bund und Land durch ihre Asylpolitik zuließen, die Landkreise und Kommunen jetzt ausbaden müssten, sei „Wahlkampfhilfe für die AfD“. Diese habe zwar auch keine Lösungen, profitiere aber von der Unzufriedenheit vieler Bürger mit der Politik der anderen Parteien.
Von Wahlkampfgetöse enttäuscht
Dieses Wegdrücken der Folgen ihrer Entscheidungen habe er auch Dienstagabend im Kreistag erlebt, zeigte sich Sommer enttäuscht: „Als Bürgermeister der Stadt, die von dem Beschluss unmittelbar betroffen ist, sollte ich zunächst in der Einwohnerfragestunde kein Rederecht bekommen.“
Den Umgang der Kreistagsfraktionen mit der Thematik habe er zeitweise als unwürdig und als Wahlkampfgetöse empfunden, ohne dass belastbare Antworten auf drängende Probleme gegeben wurden, führte er Beispiele an: „Wer kommt für mögliche Kollateralschäden auf, beispielsweise auf dem bislang nicht umzäunten Spielplatz der Lebensschule, wer soll bei dem bestehenden Mangel an Fachkräften die soziale Betreuung absichern, welches Sicherheitskonzept gibt es, welche Gelder fließen wohin?“ Wer als Politiker in den 18– bis 25–jährigen Flüchtlingen, die zu einem Großteil kommen würden, das Potenzial sehe, die Fachkräfte–Lücke zu füllen, sei gedanklich jenseits der Realität unterwegs. Die Wohnbau Prenzlau habe im Übrigen dem Landkreis 40 Wohnungen für Flüchtlinge angeboten. Das sei bislang daran gescheitert, dass der Landkreis sich weigere, die Mietverträge dafür zu unterschreiben: „Es sind schlechte Erfahrungen, die die Wohnbau davon abhalten, die Verträge direkt mit den Flüchtlingen zu unterschreiben.“
Mit Mietern im Gespräch
Für den 2. Mai habe er die Mieter des betroffenen Bürohauses im Gewerbegebiet Ost zu sich eingeladen. Auch diese seien von dem Beschluss „kalt erwischt“ worden. Beim Ausbau der Kasernen an der Berliner Straße hätte niemandem gekündigt werden müssen, führte Sommer aus. Vor dem Hintergrund der Kreistagserfahrungen vom Dienstag, die ihn schockiert hätten, wolle er sich auf der heutigen Stadtverordnetenversammlung bei deren Fraktionen für „die konstruktive, kollegiale und vielfach freundliche Zusammenarbeit“ bedanken. Diese gebe ihm auch die Hoffnung, Wege in dieser Situation zu finden, die den Zusammenhalt der Prenzlauer nicht eskalieren lassen: „Definitiv werden wir auch unsere Turnhallen dem Kreis als Notunterkünfte nicht zur Verfügung stellen.“
Unser Fernsehsender UMtv berichtete auch über den Kreistag.
SVV–Vorsitzender Ludger Melters (CDU) versicherte am Mittwoch auf Nachfrage, seinen Antrag aufrechtzuerhalten und hofft, dass auf der heutigen SVV eine breite politische Basis diesen mittragen wird. Er spricht sich in dem von SPD und CDU bereits mit getragenem Antrag gegen eine weitere zentrale Flüchtlingsunterkunft und gegen die Erweiterung der Einrichtung in der Berliner Straße zum jetzigen Zeitpunkt aus: „Bund und Land soll dadurch einmal mehr bewusst werden, welcher ‚Druck im Kessel‘ ist.“
Die öffentliche Sitzung der Prenzlauer Stadtverordneten beginnt am 20. April um 17 Uhr in der Aula des Scherpf-Gymnasiums im Seeweg.