Naturschutzstation

Land sollte sich schämen: Station bleibt geschlossen

Uckermark / Lesedauer: 5 min

Die Naturschutzstation Woblitz hat zum Jahresanfang ihren Betrieb geschlossen. Nachfolger gibt es keine, und auch künftig sieht es nicht gut aus, wenn es um die Versorgung von verletzten Wildtiere geht.
Veröffentlicht:29.05.2023, 18:00

Von:
  • Monika Strehlow
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Seit die Naturschutzstation Woblitz an der Grenze von Uckermark und Oberhavel vom Landesamt für Umwelt zum 1. Februar 2023 geschlossen wurde, stehen die Artenschützer in Nordbrandenburg vor dem Scherbenhaufen eines bisher gut funktionierenden Netzwerkes beruflicher und privat engagierter Naturschützer. Nach Recherchen des Uckermark Kurier, der im Januar von dem drohenden Debakel berichtete, fehlt ihnen das Verständnis dafür. Wie der Templiner Tierarzt Ingo Börner sind viele ratlos. Seit Jahrzehnten sorgt Börner für Erstversorgung und Notbehandlung verletzter oder geschwächter Wildtiere, besonders von Greifvögeln, um sie zur weiteren Behandlung der Woblitz anzuvertrauen. An seinem Haus in Milmersdorf hatte der im NABU Templin organisierte Ornithologe sogar Volieren für solche Notfälle eingerichtet. Die Woblitz–Station hatte eine herausragende Funktion für ganz Nord–Brandenburg, betont er. Selbst in der Staatlichen Vogelschutzwarte wüsste derzeit niemand, wie es weitergehen solle, so Börner. Als eine von zwei Außenstationen der Vogelwarte, einer Institution des Landesumweltamtes, war diese Naturschutzstation Anlaufstelle für verletzte Greifvögel und ihre Wiederauswilderung in Größenordnungen, schätzt er ein. Ersatz für den herben Verlust sieht er nicht und sagt: „Es ist eine landeseigene Aufgabe, sich um Natur– und Artenschutz zu kümmern und sich nicht aus Kostengründen zurückzuziehen.“

Letzter Zeuge einer fast 40-jährigen Geschichte. Jetzt hängt hier nicht nur das Schild schief. (Foto: Monika Strehlow)

Die meisten der brandenburgischen Wildtiere, darunter Großvogelarten, wie Seeadler, Fischadler und Störche, wurden bisher an der Kleintierklinik der Freien Universität Berlin behandelt. Deren Leiterin Dr. Kerstin Müller wartet bis heute auf eine Antwort von Minister Axel Vogel auf ihren Brief vom 8. Februar. Darin fragte sie: „… wie und wo in Zukunft die Vorbereitung der Brandenburger Wildvogelpatienten auf die Freilassung stattfinden soll“. Denn die müssten in ausreichend großen Flugvolieren unter Aufsicht und Pflege durch erfahrenes Personal auf die Wiederauswilderung vorbereitet werden. Entsetzt berichtet sie dem Uckermark Kurier: „Letzte Woche musste ein Seeadler ohne weitere Vorbereitung nach tierärztlicher Versorgung freigelassen werden, weil Brandenburg keine einsatzbereite und betreute Großflugvoliere mehr hat.“ Für sie ist das sehr beschämend, besonders, weil das Umweltministerium im Internet mit der Natur werbe, sich aber nicht um die Lebewesen dort kümmere.

Paul Sömmer hatte viele Jahre die Station allein geführt. (Foto: Monika Strehlow)

Der Förderverein der Woblitz–Station, die Arbeitsgemeinschaft zum Schutze wildlebender Greifvögel und Eulen Aquila e. V., verlegte nun Ende April den Vereinssitz nach Berlin. Vorsitzender Karsten Matschei betont zwar, das Ehrenamt weiterführen zu wollen. Doch wer die tierärztlich versorgten Tiere künftig aufpäppeln und auswildern kann, weiß auch er nicht. Der Weg zum Storchenhof Papendorf bei Pasewalk ist weit und dieser kaum auf Greifvögel eingestellt. Laut Landesumweltamt stehen vier Pflegestationen für verletzte Tiere bereit, darunter aber nur noch zwei für Greifvögel. Doch Fahrten bis Potsdam und Oppelhain in Südbrandenburg bedeuten Tagestouren, mit entsprechendem Stress für die Tiere. Zudem ist fraglich, ob unter diesen Umständen Ehrenamtler noch so viel Zeit und Kosten investieren können.

Für das Landesumweltamt ist die Schließung endgültig. Bemühungen der Behörde, eine andere Organisation als Träger zu gewinnen, sind gescheitert. Verhandlungen gab es mit dem brandenburgischen Landesverband des NABU sowie mit der Stiftung Pro Artenvielfalt in Bielefeld, die sich auch im Märkischen stark engagiert. In beiden Fällen sorgten offensichtlich finanzielle Gründe für die Absagen. So erfuhr der Uckermark Kurier von Roland Tischbier, Vorstandsvorsitzender der Stiftung, dass man sich über den Kauf des Stationsgrundstücks und dazugehörender Flächen mit dem Landesbetrieb Forst Brandenburg nicht einig geworden sei. Doch ohne den Erwerb wären die erforderlichen hohen Investitionen in eine Ertüchtigung der Station nicht zu verantworten gewesen, bedauerte Roland Tischbier die unterschiedlichen Interessen.

Der Turkmenen-Uhu war aus unsachgemäßer Haltung zur Woblitz gekommen. Er wurde zum Symbol für Besucher der Station und nun als einer der letzten Pfleglinge umgesiedelt. (Foto: Monika Strehlow)

Der Leiter des Referates Artenschutz im Landesumweltamt Lars Lachmann, verweist auf die gesetzlichen Aufgaben der Behörde, zu denen die Pflege von Wildtieren nicht gehöre. Zudem hätten sich Populationen wie Seeadler und Wanderfalken in der Vergangenheit erholt. „Ich bin auch nicht glücklich mit der Schließung. Aber wir müssen Entscheidungen priorisieren. Das Wichtigste ist der Schutz der Lebensräume und Brutgebiete“, verweist er auf Programme wie Natura 2000, ein europaweit zusammenhängendes Netz von Schutzgebieten nach der EU–Flora–Fauna–Habitatsrichtlinie (FFH).

Eine Sanierung hat das Stationshaus an der Woblitz in 30 Jahren nicht erlebt. Jetzt soll es wieder vom Forstbetrieb genutzt werden. (Foto: Monika Strehlow)

Für den Landtagsabgeordneten Thomas Domres (Linke) ist das Thema nicht abgeschlossen. Er hatte, nachdem er im Februar im Landtag die Woblitz thematisierte, erneut auf der Landtagssitzung vom 11. Mai nach den Anstrengungen des Landesamtes für Umwelt gefragt, die Aufgaben der Naturschutzstation Woblitz weiterzuführen. (Anfrage Nr. 1652). Die Antwort von Minister Vogel befriedigt ihn nicht. Er findet es erschreckend, „dass ausgerechnet ein grüner Umweltminister eine Naturschutzstation schließt. Damit macht er die erfolgreiche Arbeit der letzten Jahre kaputt, erschwert die Arbeit von Ehrenamtlern, macht die Begleitung von Naturschutzprojekten komplizierter, und trotz Stellenaufwuchs in seinem Geschäftsbereich wollte er keinen Weg finden, die Naturschutzstation als wichtigen Baustein für den Greifvogelschutz zu erhalten“, so Thomas Domres.