Moorschutz
Landwirtschaft auf Moorböden braucht Strukturwandel
Prenzlau / Lesedauer: 7 min

Ines Markgraf
Moore können ungeheure Mengen an Kohlendioxid speichern. Trocknen sie jedoch aus, setzt der umgekehrte Prozess ein. In der Randowniederung ist das der Fall. Lars–Andreas Sieh, einer der Vorsitzenden des Bauernverbandes Uckermark, wirtschaftet dort und kann das bestätigen. Aus einst saftigen Grünlandflächen werden schwarze Sandböden, die nicht mehr die Erträge wie früher bringen. Insofern freut er sich, dass der Landkreis Uckermark sich einem großen Moorschutzprojekt stellen will. Kreis und Land hätten hierzu alle Akteure, auch die Landwirte frühzeitig eingebunden, lobt er. Rund 27 Millionen Euro sind für das Großprojekt eingeplant. 75 Prozent sollen als Fördermittel fließen. Damit soll die Randowniederung, eines der größten zusammenhängenden Moorgebiete Deutschlands, so renaturiert werden, dass sie wieder ihre klimaregulierende Wirkung entfalten kann. Landwirte sollen dort zugleich weiter wirtschaften können. Jährlich bis zu 884 354 Tonnen Kohlendioxid ließen sich in dem wiedervernässten Moor speichern. Allerdings dürften sich Effekte erst in 15 Jahren einstellen. Es ist ein langfristiges Projekt, das für alle Beteiligten mit großen Veränderungen verbunden sein wird.

Lars–Andreas Siehs Betrieb wäre massiv betroffen. Er bewirtschaftet 155 Hektar Grünland, 100 Hektar auf Niedermoorflächen. Schon seit 20 Jahren experimentiere er mit etwas höheren Wasserständen. Nicht überall werde er künftig noch Mutterkühe auf die Wiese schicken können. Er habe Glück, noch auf anderes Grünland ausweichen zu können. Allerdings wollen Landwirte nicht von Nichtlandwirten vorgesetzt bekommen, wie sie künftig zu ackern haben, heißt es aus dem Bauernverband Uckermark. Und es könne nicht überall nur noch Schilf wachsen. Außerdem müsste die Natur– und Klimaschutzleistung der Landwirte auch honoriert werden.
Ziel in dem 4420 Hektar großen Projektgebiet ist es, die Grundwasserstände in der Vegetationszeit auf bis zu 30 Prozent der Fläche auf regelmäßig 35 Zentimeter unter Flur anzuheben. Die Landwirte müssten sich auf geeignete Rinderrassen bei der extensiven Weidenutzung umstellen, gestaffelte Mahdtermine und Wiesenbrüterschutz beachten und die landwirtschaftliche Nutzung auf Teilflächen (10 bis 20 Prozent) sogar einstellen. Es wären zudem Wege für eine stoffliche und energetische Verwendung der Biomasse zu finden. Nach der Erarbeitung des Projektantrages soll nun ein Pflege– und Entwicklungsplan erarbeitet werden, indem die Maßnahmen fixiert werden. In der zweiten Projektphase, auf etwa sieben Jahre angelegt, sollen diese dann umgesetzt werden.
263.000 Hektar Moore
Es ist nicht das einzige Projekt dieser Art in Brandenburg. Das Land hat sich auf die Fahnen geschrieben, bis 2050 alle größeren Moore im Land zu revitalisieren und wieder nass zu bewirtschaften. „Insgesamt 263.000 Hektar Niedermoore und moorähnliche Böden in Brandenburg, die für die landwirtschaftliche Nutzung trockengelegt wurden, stoßen heute in etwa so viel CO2 aus wie der gesamte Verkehrssektor des Landes“, erklärte Axel Steffen vom Brandenburger Klimaschutzministerium Mitte Oktober auf einem Infotag zum Moorschutz in der Uckermark. Ursächlich dafür sind die im Torf gespeicherten, großen Kohlenstoffmengen, die bei der Entwässerung mit Sauerstoff zu Kohlendioxid oxidieren. Um das Ziel „Klimaneutralität bis 2045“ zu erreichen, startet Brandenburg bis zum Jahr 2026 zunächst mit gut 20 Pilotflächen auf insgesamt rund 39 000 Hektar. Gemeinsam mit der „Arge Klimamoor“ und den Landwirten sollen neue Bewirtschaftungsformen für die wiedervernässten Flächen entwickelt werden.
Haltung von Wasserbüffeln
So wird von einigen Pionieren bereits auf nassen Standorten die Haltung von Wasserbüffeln, robusten Landschafrassen oder Weidegänsen erprobt. Allerdings lässt sich damit weniger Geld verdienen als mit Milchkühen. Einkommensverluste müssten Landwirten also kompensiert werden.

Der Landesbauernverband schätzt die Folgekosten für die Wiedervernässung aller Moore im Land auf insgesamt über fünf Milliarden Euro. „Wir müssen begreifen, dass der Landwirtschaft auf Moorböden ein ähnlicher Strukturwandel bevorsteht wie der Lausitz mit dem Braunkohleausstieg oder den Sektoren Industrie und Verkehr mit der Energiewende. Und genauso muss es dafür auch Unterstützungsgelder geben“, meint Axel Steffen. Die Gelder könnten aus einer zu reformierenden EU–Agrarförderung kommen oder aus Bundestöpfen, hofft er.
Fachplanungen
Bei der Wiederanhebung von Grundwasser in Mooren müssen Maßnahmen getroffen werden zum Schutz von Einzelobjekten durch Aufgabe von einzelnen Kellern, durch Drainagen aber möglicherweise auch von Straßen oder ganzen Orten durch Spund– oder Dichtwände. Mit welchen direkten Auswirkungen der Wasserspiegelanhebungen zu rechnen ist, sollen Fachplanungen ermitteln. Neue Baugebiete auf Moorgebieten auszuweisen, wäre indes nicht sinnvoll.
Doch woher soll das Wasser für die Wiedervernässung kommen? „Das Moor kann man sich als eine Badewanne vorstellen, das Wasser in der Wanne ist das überall vorhandene Grundwasser, und die Gräben sind der Abfluss. In Brandenburg leiten alle Gräben das Wasser über Flüsse in Elbe und Oder und letztlich in die Nord– und Ostsee. Schließen wir den Stöpsel, also die Gräben, füllt sich die Badewanne wieder von allein durch wieder höher anstehendes Grundwasser“, so Moorforscherin Corinna Schulz von der Hochschule für Nachhaltige Entwicklung in Eberswalde.
Und wenn es doch einmal zu nass wird? Dann sind die Wasser– und Bodenverbände (WBV) gefragt. Seit 2019 obliegt ihnen auch die Regulierung der Staubauwerke. Der WBV Welse bewirtschaftet im Randowbruch sieben große Wehre und 21 Binnenstaue. Der Staubeirat, dem Land– und Forstwirte, Flächeneigentümer, der Landkreis und der Bauernverband angehören, haben sich geeinigt, in der Randowniederung zum Wasserrückhalt beizutragen. „Die Landwirte haben aus meiner Sicht erkannt, dass auch wassergesättigte Böden eine gute Tragfähigkeit aufweisen können, so lange man nicht ständig hoch– und runter staut“, sagt Christine Schmidt, Geschäftsführerin des WBV Welse.
Die Wasserbewirtschaftung müsse aber standort– und betriebsbezogen erfolgen, so Vera Luthardt, Moorexpertin von der Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde. Das A und O sei der Wasserrückhalt: „Wir haben in Brandenburg 30 000 Kilometer Gräben, da müssen mehr Staue rein“, so die Wissenschaftlerin.
Schlechte Lebensbedingungen
Je höher der Wasserstand, desto schlechter werden allerdings die Lebensbedingungen für heute übliche Futtergräser. Es braucht andere Kulturen. Ein Weg wäre der gezielte Anbau von Schilf, Rohrkolben, Erlen oder Nasswiesengräsern (Paludikulturen) zur Biomassegewinnung. Doch noch gibt es keinen etablierten Markt dafür. Erste Produkte sind bereits entwickelt.
Von der Universität Hohenheim stammt zum Beispiel der Ansatz einer Bioraffinerie, um Grundchemikalien aus Paludibiomasse für die chemische Industrie zu gewinnen und so Erdöl zu ersetzen. Green Planet Energy will Biomethan aus Paludibiomasse herstellen.

Aldert van Weeren hat sich mit seiner Stiftung Wetland Products der Markteinführung von Paludibaustoffen verschrieben. Er arbeite dazu auch mit dem Dämmstoffhersteller Hanffaser Uckermark und der Zelfo Technology GmbH aus Schwedt zusammen. Er nennt Einblasdämmstoffe, Schilfplatten als Verschalung und Putzträger, mikrofibrillierte Zellulose aus Rohrkolben für Bauplatten oder Verpackungen. Hindernis bei der Markteinführung sei allerdings die viel zu teure europäische Bauprodukt–Zulassung, die sich kleine Hersteller nicht leisten könnten.
Das Umweltministerium des Landes hat die neue Förderrichtlinie „Klima-/ Moorschutz investiv“ in Kraft gesetzt. Sie unterstützt unter anderem Landwirte bei der Einführung moorschonender Bewirtschaftungstechnik und fördert den Aufbau von Paludi–Wertschöpfungsketten. Insgesamt sollen dafür über einen Zeitraum von fünf Jahren rund 12 Millionen Euro zur Verfügung stehen.