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Ungeimpfter

Leute im Osten sehen Coronaregeln nicht ganz so verbissen

Prenzlau / Lesedauer: 3 min

Matthias Hannes hat ein Maskenattest und kann sich aus gesundheitlichen Gründen nicht impfen lassen. Warum er deshalb froh ist, in Flieth zu leben ...
Veröffentlicht:02.12.2021, 18:30

Von:
  • Claudia Marsal
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Manche Menschen haben so bewegte Leben, dass ihre Geschichte mehrere Romane füllen könnte. Matthias Hannes aus Flieth gehört unbenommen dazu. Der 63-Jährige ist gebürtiger Leipziger. Doch vor zweieinhalb Jahren hat ihn die Liebe in die Uckermark geführt. Bei einem seiner letzten Jobs als Busfahrer war ihm im Seehotel Templin eine hübsche Angestellte über den Weg gelaufen. Weil er damals oft mit Reisegruppen dort abstieg, intensivierte sich der Kontakt, und irgendwann stand zur Debatte, dass er seine Wahlheimat Rheinland-Pfalz verlässt, um für immer bei ihr zu sein. Bis heute hat er diese, 2019 getroffene Entscheidung nicht bereut, wie der gelernte Gastronom, der bis zur Wende Gaststättenleiter in Lübz war, versichert.

Kaum jemand flippt aus

Letztlich sei er sogar froh, aktuell im Osten Deutschlands zu leben. Und das habe – wie man vielleicht erahnen könne – mit Corona zu tun. „Hier sehen die Leute das Ganze nicht ganz so verbissen“, bestätigt der langjährige Hotelier. Bis auf wenige Ausnahmen flippe in der Uckermark niemand aus, wenn er ohne Maske zum Einkauf gehe oder in den Bus steige.

„Vielleicht sieht man mir ja an, wie schlecht es mir geht. Einen Mund-Nase-Schutz darf ich wegen meiner Lungenkrankheit COPD nicht tragen. Dafür habe ich ein ärztliches Attest.“ Doch selbst diese Bescheinigung habe ihn jüngst in einem Baumarkt nicht davor bewahrt, wie ein Ladendieb gejagt zu werden. „Das war schon ein einschneidendes Erlebnis“, räumt der EU-Rentner ein: „Ich habe ja bislang immer versucht, die Entwicklung mit Humor zu nehmen und mich nicht zu doll aufzuregen. Aber mittlerweile nehmen die Maßnahmen wahrlich groteske Züge an. Von der Verbissenheit einiger Menschen, die das unreflektiert umsetzen, ganz zu schweigen. Ich weiß aber auch, dass das im Westen viel krasser ist.“

Mit Sorge registriert der schwerkranke Mann allerdings, wie sich der Ton auch hierzulande verschärft. Was die Impfpflicht anbelangt, bekommt er regelrecht Bauchschmerzen. Wegen eines Herzinfarkts und seines Bauchaortenaneurysmas komme für ihn eine Impfung nicht infrage, stellt er klar.

Angst vor Kluft

Trotzdem lässt ihn nicht kalt, dass die Kluft zwischen Ungeimpften und Geimpften immer größer wird. Matthias Hannes versichert, schon zu DDR-Zeiten ein Problem mit Ungerechtigkeit gehabt zu haben: „Ich war kein Revoluzzer, politisch eher neutral und im System recht angepasst. Aber zu den Wahlen beispielsweise bin ich nie gegangen. Warum ein Kreuz setzen, wenn ohnehin schon alles entschieden war?“ Dieselbe Unnachgiebigkeit legt der pensionierte Wirt nun bei Corona an den Tag: „Man kann mich nicht mundtot machen. Ich bin jemand, der sich Gedanken macht. Und das, was dabei herauskommt, werde ich öffentlich sagen.“

Der Herz-Kreislauf-Patient räumt ein, dass er dabei vielleicht manchmal ungehalten oder ungerecht zu anderen sei: „Aber das, was derzeit in unserem Land abgeht, kann man nur mit viel Selbstbeherrschung ertragen.“

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Trotzdem hat der dreifache Vater die Hoffnung, dass sich beide Seiten wieder annähern, nicht aufgegeben. Genährt wurde das durch die abschließend erzählte Episode: Dem Uckermärker war als ungeimpftem Nicht-Maskenträger unlängst der Zutritt zu einer Apotheke verwehrt worden. „Erst war ich stinksauer und bin laut geworden. Doch tags gab es ein klärendes Gespräch, bei dem wir beide von unserer starren Haltung abrückten, eine Einigung gelang. Das würde ich mir für die Gesellschaft als solche auch wünschen.“ Weihnachten feiert er mit seiner Frau in trauter Zweisamkeit – „nicht, weil Kontakt verboten ist, sondern weil wir in unserem Berufsleben so viele Feiertage im Service für andere Menschen verbracht haben. Wir brauchen diesen Rummel nicht mehr.“