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Meister rät

Macht lieber eine ordentliche Lehre!

Prenzlau / Lesedauer: 5 min

Lars Müller aus Prenzlau sagt: „Es muss nicht jeder studieren. Eine Ausbildung im Handwerk ist ein guter Grundstock für ein auskömmliches Leben.“
Veröffentlicht:15.03.2022, 08:47

Von:
  • Claudia Marsal
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Noch drei Jahre, dann feiert Lars Müller seinen 50. Geburtstag. Mindestens die Hälfte seines Lebens ist dann rum. Das ist dem gebürtigen Prenzlauer bewusst. Sehr sogar, deshalb hält er jetzt manchmal schon inne, um zurückzuschauen und Bilanz zu ziehen. In letzter Zeit passiert das sogar ziemlich oft, wie der Familienvater einräumt. „Wir haben auf dem Flur so eine Art Bildergalerie hängen, an der vor allem die Fotos der Kinder sind. Dort bleibe ich häufig nachdenklich stehen und sage mir: ‚Mensch, wie viel Zeit mit den Mädels hast du bloß verpasst! Immer nur rackern, rackern, damit es allen gut ging. Aber war es das wert? Hätte man nicht lieber öfter früh Feierabend machen und die Zeit mit Frau und Töchtern verbringen sollen? Die Antwort ist ja.“ Doch die Jahre lassen sich nicht zurückdrehen, das weiß der Elektromeister natürlich: „Trotzdem; es ist nie zu spät, etwas zu ändern.“

Wechsel in kleinere Firma

Bei ihm war der Wechsel in eine andere, etwas kleinere Firma so ein entscheidender Schritt, ein Bruch sozusagen. Nach 14 Jahren Selbstständigkeit und folgender Anstellung bei einem langjährigen Hauptauftraggeber war Lars Müller plötzlich klar geworden, dass er das sich selbst vorgegebene Tempo nicht mehr länger gesund durchhalten würde. „Immer um 5 Uhr raus auf die Autobahn in Richtung Berlin und häufig erst gegen 20 Uhr wieder daheim – ich hielt das lange für normal, aber das war es nicht.“ Durch den neuen Job in einem Bernauer Betrieb spart der ehemalige Eisenbahner jetzt nicht nur jede Menge Fahrtzeit. „Nein, dort ticken die Uhren auch vom Stress her etwas anders“, erklärt der gelernte Energieelektroniker zufrieden. Eine wichtige Weiche dafür gestellt hatte sein zuvor gefasster Entschluss, nach Feierabend noch die Meisterschule zu besuchen. „Als ich damit begann, war ich genau 25 Jahre im Job, und mir schlagartig klar geworden, dass ich mindestens 25 weitere Jahre bis zur Rente habe. Auf der Stelle treten wollte ich nicht, deshalb hieß es noch mal Schulbank drücken.“

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Der Meisterbrief eröffnete ihm 2016 dann andere Möglichkeiten. Aktuell sitzt der 47-Jährige nun oft im Büro, schreibt Angebote, holt Aufträge für seine Jungs ran und pflegt den Kundenkontakt. Ab und an fährt er auch noch selbst auf Baustellen raus und legt mit Hand an, schon um zu sehen, ob die veranschlagte Arbeitszeit realistisch aus. „Aber ich brauche es manchmal auch, mich noch mal dreckig zu machen. Wenn ich Kunden sage, dass wir auch mal am Wochenende zu ihnen rauskommen, gucken die meist nicht schlecht. So was sind die gar nicht gewöhnt.“

Arbeit am Wochenende

Einige seiner neuen Kollegen aber auch nicht, wie er lachend resümiert. „Ich kenne das aus der Hauptstadt noch so, dass bei Bedarf am Wochenende gearbeitet wird. Doch im Brandenburgischen muss man da seine Leute schon manchmal betteln. Denen ist Samstag, Sonntag heiliger als den Berlinern.“ Das liege vielleicht auch an der „anderen Bezahlung“, räumt Lars Müller nachdenklich ein: „Da sind schon noch paar Euro dazwischen.“ Trotzdem könne man als Handwerker auch hierzulande ein gutes Auskommen haben, betont der erfahrene Fachmann: „Und die Arbeit ist so abwechslungsreich, dass keine Langeweile aufkommt.“ Er könne nur jedem raten, diesen Beruf zu ergreifen: „Es muss nicht jeder studieren. Eine ordentliche Lehre ist ein guter Grundstock für die persönliche Weiterentwicklung.“

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Er habe sein Rüstzeug bis 1995 beim Bahnbetriebswerk erworben, erzählt Lars Müller: „Zu meinem Lehrmeister, Herrn Feierabend, habe ich bis heute noch guten Kontakt.“ Auch an die sechs Monate Arbeit in einem Klockower Betrieb denkt der Familienvater noch gern zurück: „Das alles hat mich geprägt, die Arbeitsmoral unserer Generation muss man bei den Jungen allerdings heute schon suchen“, bedauert der Ausbilder. Obwohl, verloren sieht er sie nicht: „Wir haben zum Beispiel einen Syrer im Team, der klotzt wirklich ran. Er nutzt jede freie Minute für Nachhilfe und entwickelt sich sehr gut in der Ausbildung. Nicht zu vergessen unser Mädchen, die letztes Jahr die beste Azubine war.“ Hier seien die Weichen vermutlich schon im Elternhaus gestellt worden. „Wer mit berufstätigen Eltern groß wird, ist im Vorteil. Der sieht, dass sie morgens raus müssen und abends erst spät heimkommen. Und dass nur das den Wohlstand schafft.“

Töchter gut gelungen

Mit der Entwicklung seiner eigenen beiden Mädchen ist er hochzufrieden. Lena (23) ist medizinische Fachangestellte und steht längst auf eigenen Beinen. Nesthäkchen Anna (19) wird Erzieherin und wohnt ebenfalls schon allein. „Zu verdanken haben wir das wohl vornehmlich meiner Frau, die mir trotz ihres anspruchsvollen Jobs als stellvertretende Filialleiterin im Handel immer den Rücken frei gehalten hat.“ Im 24. Ehejahr rechnet er ihr das mehr denn je an. „Meine Yvonne“, sagt Lars Müller abschließend schwärmerisch: „Ich verstehe auch nicht, dass viele Männer ihre Frau immer nur ihre Olle, ihre Alte oder den Hausdrachen nennen. Was läuft in solchen Beziehungen falsch? Wir sind uns immer auf Augenhöhe begegnet, haben den Einsatz und die Arbeit des anderen anerkannt. Nur so hat es funktioniert, Job und Familie unter einen Hut zu bringen.“