Chronisch krank
Malen hilft ihr, die Schmerzen zu ertragen
Prenzlau / Lesedauer: 4 min

Claudia Marsal
Doreen Tank war noch recht klein, als sie zum ersten Mal begann, mit aller Leidenschaft zu malen. Wo immer sich Gelegenheit bot, erschuf das Mädchen bunte Bilder. Ihre Fantasie kannte keine Grenzen, ebenso wenig ihr Stolz. Leider hielt sich die Begeisterung der Betrachter ihrer Werke damals in Grenzen. „Ich wurde meistens belächelt“, erinnert sich die heute 51-Jährige traurig zurück. „Oft hieß es: Lass das mal lieber bleiben, Kleine. So gut kannst du das nicht.“ Diese Kritik saß und entmutigte sie zutiefst. Die gelernte Büroangestellte legte in der Folge den Pinsel und die Farben ganz aus der Hand. Erst der plötzliche Tod ihrer Mutter ließ die Uckermärkerin wieder an der Staffelei Platz nehmen. „Ich bin damals in ein tiefes Loch gefallen, das war eine Art der Therapie für mich.“ Mit 40 hatte Doreen Tank über Nacht ohne ihre geliebte Mama da gestanden. „Ich konnte das einfach nicht verkraften, zumal sie ja mit nicht mal 55 Jahren ihrem Lungenkrebsleiden auch sehr jung erlegen war.“
Verlust der Mutter
Die Kunst half ihr, diesen großen Verlust zu verarbeiten. „In dieser Zeit war ich auch gesundheitlich sehr angeschlagen. Mehrere Bandscheibenvorfälle und starke Arthrose hatten mich in die Arbeitsunfähigkeit befördert. Damit klarzukommen, fiel mir ebenfalls schwer. Schließlich hatte ich in jungen Jahren aktiv und exzessiv Sport betrieben, war sogar Halbmarathon gelaufen. Doch beim Training zog ich mir eine Rückenverletzung zu, die mich aus der Bahn warf.“ Fortan gehörten Schmerzen und seelisches Leid zu ihrem Alltag dazu. „Mir ging es sehr, sehr schlecht. Nur beim Malen konnte ich die Sorgen vergessen“, bilanziert die Mutter einer 31-jährigen Tochter und eines 24-jährigen Sohnes, die seit neun Jahren auch schon Oma ist.
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Ihr Zustand besserte sich nur langsam. Bis heute kann die aus Königs Wus-terhausen stammende Frau nicht arbeiten gehen. Ihren ursprünglichen Beruf musste sie gänzlich aufgeben. Sie kümmert sich nebenbei ein bisschen um die beiden Ferienwohnungen auf dem Hof ihres Mannes, mit dem sie vor sechs Jahren in das kleine Dorf nahe Prenzlau gezogen ist. Kraft gibt ihr nach wie vor die Malerei. Aber erst heute traut sie sich, ihre Werke der Öffentlichkeit zu zeigen. Die Wunden der einstigen Schmähungen sitzen offenbar noch tief.
Digitale Galerie
„Vor ein paar Monaten habe ich mal aus Spaß eine digitale Galerie erstellt“, erzählt Doreen Tank. „Dabei ist mir aufgefallen, wie viele ganz unterschiedliche Kunstwerke ich doch habe und dass die meisten wirklich gelungen sind.“ Allen voran ihre großformatigen Mohnblumenbilder, aber auch Stillleben und Landschaftsmalereien gehören zum Portfolio. Es dominiert die Technik Aquarell. „Ich habe mit der Zeit gemerkt, dass Öl gar nicht so meins ist.“ Darin wurde sie vor drei Jahren auch bei einem Fernstudium bestärkt, in dem sie sich mit verschiedenen Maltechniken auseinanderzusetzen hatte. „Ich bin beim Aquarell geblieben, weil ich es mag, wenn die Farben so ineinander verlaufen.“ Die Hobbykünstlerin betont allerdings, dass diese Leichtigkeit harte Arbeit sei. „Einfach den Pinsel in die Farben stecken und einmal rüber schmieren, so funktioniert das nicht.“ Doch nicht nur auf Leinwänden hat sich die Mühlhoferin eine gewisse Meisterschaft erarbeitet. Mit Leidenschaft dabei ist sie auch beim Keramikbemalen. Die eine oder andere Butterdose aus ihrem Home-Atelier hat als Geschenk schon den Besitzer gewechselt.
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Seit Kurzem kann man die Unikate sogar auf der Internet-Plattform „etsy“ erwerben, wo ihr Mann ein Gewerbe angemeldet hat. „Aber es geht mir dabei nicht ums Geldverdienen“, versichert die kreative Frau: „Meistens komme ich auf plus minus null. Doch das ist okay. Wichtig bleibt, dass ich mit dem Pinsel in der Hand in eine andere Welt eintauchen kann.“ Inspirieren lässt sie sich meist von der heimischen Natur. „An die Uckermark habe ich sofort mein Herz verloren“, bekräftigt Doreen Tank: „Aber wenn uns hier die Decke auf den Kopf fällt, gehen wir auch gern auf Reisen. Die Idee mit der Porzellanmalerei beispielsweise kam mir bei einem Urlaub in Ungarn, wo es ganz viele kleine Manufakturen gibt. Die Aquarelle wiederum sind oft in Südeuropa entstanden. Eins meiner schönsten Bilder zeigt eine kleine Kapelle auf Korfu.“ Unvergessen ist außerdem der Kurs, den sie in der Glashütte Annenwalde belegen durfte. Bei den dortigen Künstlern lernte sie im Sommer viel übers Gravieren und die Glasmalerei.
Kontakt: 0160 93605327