Esperanto
Mit einer Sprache um die ganze Welt
Prenzlau / Lesedauer: 3 min

Natalie Meinert
Seit etwa vier Wochen ist Edeltraut Henning aus Lahti in Finnland zurück, und sie ist noch immer ganz beseelt: „Der Zusammenhalt und der Austausch dort waren wieder ganz toll!“, sagt sie strahlend. „Dort“, damit meint die Rentnerin den 104. Esperanto-Weltkongress, den sie für elf Tage besucht hat. Gut 900 Teilnehmer aus insgesamt 57 Ländern waren vor Ort. Die 79-Jährige reist seit vielen Jahren zu Liebhabern der staatenlosen Sprache auf der ganzen Welt.
Sprache mit der Tochter gelernt
Die Grundlagen von Esperanto wurden als internationale Sprache 1887 von dem Augenarzt Ludwik Lejzer Zamenhof veröffentlicht. Dessen Pseudonym Doktoro Esperanto („Doktor Hoffender“) wurde zum Namen der Sprache. Die meisten Vokabeln entstammen dem Latein oder den romanischen Sprachen. Mit dem Lernen der staatenlosen Sprache hat Edeltraut Henning 1989 angefangen. „Meine Tochter hat mich quasi angesteckt, als sie das damals in der Schule gelernt hat“, erinnert sie sich.
Sie habe regelmäßig mit ihr Vokabeln gepaukt. „Und dann habe ich sie schnell übertrumpft“, gibt Henning zu und kichert vergnügt. Ihre Sprachbegabung bestimmte auch den Beruf. Bis zur Wende war sie als Russisch-Lehrerin tätig. Danach musste sie umsatteln. In einem Crashkurs in Eberswalde lernte sie Englisch und unterrichtete gleichzeitig Anfänger in der unvertrauten Sprache. „Die Zeit nach 1989 war sehr chaotisch, aber ich wollte weiter als Lehrerin arbeiten“, erinnert sich Edeltraut Henning.
Auf 15 Weltkongressen zu Besuch
Esperanto hingegen ist die Sprache, die Brücken für sie gebaut hat, die sie seit 30 Jahren begleitet und um die ganze Welt schickt. Ihr erster Besuch bei einem Weltkongress war 1995 in Tampere, ebenfalls in Finnland. Die Jahre darauf reiste sie dafür nach Rejkjavik, Florenz oder Bialystok. „Nächstes Mal ist er in Montreal in Kanada“, sagt Edeltraut Henning. Dorthin wird sie aber nicht mehr reisen. „Ich fliege generell nicht so gerne. Außerdem bin ich mit der Teilnahme an insgesamt 15 Weltkongressen natürlich auch älter geworden“, begründet sie ihre Entscheidung. Darum werde Lahti ihr letzter „Universala kongreso“ sein.
Weniger herum in der Welt kommt sie dadurch allerdings nicht: Jeden Monat gibt es ein Treffen ihres Esperanto-Clubs, jährlich eines des Deutschen und Polnischen Esperanto-Bundes. Und sie fahre oft nach Polen, um dort in Szczecin, Poznan oder Sopot Freunde der internationalen Sprache zu besuchen. Sogar in Prenzlau hat sie jahrelang ein Esperanto-Treffen mitveranstaltet. „Immer im April. Mit Esperantisten ganz aus der Nähe, zum Beispiel aus Berlin, aber auch Menschen aus Polen und sogar aus Kuba!“, fügt sie sichtlich stolz hinzu.
Einladungen von Esperantisten aus Nepal
Zusätzlich erhält Edeltraut Henning immer wieder Einladungen aus der ganzen Welt. „Ich könnte jeden Tag unterwegs sein. Alleine nach Nepal wurde ich schon hundert Male eingeladen“, so die Rentnerin. Das Land in Südasien beherberge besonders viele Esperantisten. „Aber dafür habe ich einfach nicht genug Zeit.“ Sie pflegt meistens auf andere Weise den Kontakt zu ihren internationalen Bekanntschaften: Per E-Mail tauschen sie sich über neue Leselektüre aus.
Wenig Zeit hat Henning, weil sie in Prenzlau genauso aktiv ist: Sie bewirtschaftet ihren Garten, ist im Wanderklub, und verbringt Zeit mit ihren Enkeln. „Einen Urenkel habe ich auch schon!“, setzt die Mutter von drei Kindern noch einen drauf. Zusätzlich lerne sie gerade mit Unterstützung einer Sprachlern-App Polnisch. Und ihre Handarbeiten kommen ebenfalls nicht zu kurz. Sie häkelt regelmäßig kleine Andenken für Esperantisten aus aller Welt. In den Farben des Esperantosymbols, ein grüner Stern auf weißem Hintergrund. „Die waren immer heiß begehrt auf den Weltkongressen“, schmunzelt sie.