Projekt
NABU startet Spendenaktion für Schreiadler
Templin / Lesedauer: 5 min

Monika Strehlow
Während viele Uckermärker jeden Tag mit der Ankunft der Störche rechnen, warten einige von ihnen gespannt auf die Schreiadler aus den afrikanischen Überwinterungsgebieten. Wie viele der Greife, die ihren Namen den typischen Balzrufen verdanken, werden wieder ankommen und möglicherweise Nachwuchs aufziehen? Mit rund 10 000 Kilometern legen die mittlerweile seltensten Adler Deutschlands bis zu ihren Brutrevieren die weiteste Strecke unter den Zugvögeln zurück. Unter optimalen Lebensbedingungen beziehen sie über Jahre immer dieselben Horste. Doch optimale Biotope findet der Vogel, nach den ersten Bestimmungen in der preußischen Provinz Pommern früher auch „Pommernadler“ genannt, in Deutschland schon lange nicht mehr. Auch in der jüngsten „Roten Liste der Brutvögel Deutschlands“ von 2021 steht der Schreiadler (clanga pomarina) in der Kategorie der gefährdeten Arten und damit in der zweiten Gruppe nach der Kategorie ausgestorbener Arten.
20.000 Brutpaare
Experten stufen ihn als eine der am stärksten vom Aussterben bedrohten Vogelarten Deutschlands ein. Selbst weltweit wird zurzeit nur noch mit rund 20 000 Brutpaaren gerechnet, sodass diese Art auch global zu den gefährdetsten Greifvögeln zählt. Nur den Anstrengungen von Naturschützern ist es zu verdanken, dass diese Art der heimischen Adler überhaupt noch am westlichen Rand ihres Brutvorkommens in Mittel- und Südosteuropa vorkommt. Ende der 1970er Jahre brüteten zum Beispiel im Altkreis Templin bis zu 15 Schreiadlerpaare. 2009 waren es nur noch sieben Brutpaare, trotz der Bemühungen regionaler Umweltschützer. In den 1990er Jahren übernahm das Landesumweltamt Brandenburg die Koordinierung des Engagements von Naturschutzbehörden und -vereinen, Horstbetreuern und wissenschaftlichen Einrichtungen, Forstbehörden und Flächennutzern, um gefährdeten Arten ein Überleben zu ermöglichen. Doch während es beispielsweise bei der Bestandsentwicklung von See- und Fischadler Erfolge gibt, verschlechterte sich die Situation für den Schreiadler weiter. Er ist besonders auf intakte, unzerschnittene Landschaften mit Brutwald und weiten, offenen Grünflächen angewiesen. Denn dieser Spezialist erbeutet seine Nahrung nicht nur aus der Luft, sondern jagt in Wiesen oft auch zu Fuß kleine Wirbeltiere und Insekten.
Schreiadler sind standorttreu
Nach Schätzungen der Deutschen Wildtier Stiftung führte die Zerstörung geeigneter Lebensräume dazu, dass im äußersten Nordosten Deutschlands etwa 90 Prozent seines Brutareals verloren gingen. In den letzten etwa drei Jahrzehnten sind die Bestände weiter um rund 30 Prozent gesunken. Vor zehn Jahren wurden nur noch knapp 100 Brutpaare, davon circa 20 in Brandenburg gezählt (Quelle: Tagungsband zum 1. Schreiadler-Symposium der Deutschen Wildtier Stiftung). Laut einer Übersicht des brandenburgischen Ministeriums für Landwirtschaft, Umwelt und Klimaschutz gibt es heute zum Beispiel im Grumsiner Forst, wo in der Mitte des 20. Jahrhunderts noch fünf bis sechs Brutpaare lebten, keine Schreiadler mehr. Die letzten sind dort in den 1990er Jahren beobachtet worden. Erschwerend für die Arterhaltung kommt hinzu, dass die auf ein bestimmtes Biotop angewiesenen Schreiadler ausgesprochen standorttreu sind und an ihren Revieren festhalten. In Mecklenburg-Vorpommern ist die Bestandsdichte mit knapp 1,5 Paaren auf 100 Quadratkilometern noch doppelt so hoch wie in Brandenburg. Im Norden der Mark lebten sie nur noch in den Landkreisen Uckermark, Oberhavel und Barnim.
Internationaler Austausch von Jungvögeln
Doch die Artenschützer gaben die Hoffnung nicht auf. 2006 bis 2011 lief ein Projekt „Jungvogelmanagement Schreiadler“ unter Regie der Deutschen Wildtier Stiftung, mit Unterstützung der Deutschen Bundesstiftung Umwelt und mit Beteiligung von Verbänden, Behörden und Ehrenamtlichen. Ziel war es, den Bruterfolg der Schreiadlerpaare durch den menschlichen Eingriff „... kurzfristig zu erhöhen, bis mittelfristig andere Schutzmaßnahmen“ die Population steigen lassen würden. (Abschlussbericht, www.schreiadler.org/projekte/jungvogelmanagement). Denn bekannt ist, dass etwa zwei Drittel der Schreiadler in der Regel nur ein Junges aufziehen, obwohl das Weibchen zwei Eier legt. Das zuletzt geschlüpfte Junge wird von dem bereits kräftigeren Erstgeborenen getötet. Dieser „Kainismus“ genannten Verschwendung von Mutter Natur sollte mit der Aufzucht des zweiten Kükens unabhängig von den Eltern Einhalt geboten werden. Damals konnte die Reproduktionsrate um 112 Prozent gesteigert werden. Mit ins Boot geholt hatte man Kollegen aus Lettland und Polen, sodass es zum internationalen Austausch von Jungvögeln kam. Zudem lieferten die telemetrischen Daten der besenderten jungen Schreiadler wichtige Erkenntnisse über die Zugrouten und Gefahren auf ihrem Weg über die Kontinente und Meere.
99 Jungadler ausgewildert
Nach Abschluss des Projektes ist diese Art der Aufzucht junger Schreiadler durch den NABU fortgeführt worden. Arno Hinz, seit Jahrzehnten Horstbetreuer und mittlerweile Förster im Ruhestand, ist gemeinsam mit Tierarzt Ingo Börner im Raum des Altkreises Templin aktiv. Sie nutzen die im Zuge des Jungvogelmanagement-Projektes entstandene Auswilderungsstation, die von Forstrevierleiterin Ingrid Lehnigk betreut wird. „Inzwischen scheint sich eine Stabilisierung der Population abzuzeichnen“, deutet Arno Hinz an. Immerhin konnten von Projektbeginn bis 2021 99 Jungadler ausgewildert werden. 43 von ihnen schlüpften in Lettland und 18 in Polen. Heute sind in Brandenburg wieder 29, statt 20 Brutpaare registriert.
Artgerechte Biotope
Parallel dazu versucht der NABU zum Beispiel durch Flächenkauf dieser Spezies artgerechte Biotope zu schaffen. So, wie der Regionalverband Templin, der vor rund zehn Jahren in der Buchheide etwa 25 Hektar Bruch- und Wiesengebiet erwarb und sie verpachtete. Nach den Worten des Ersten Vorsitzenden Norbert Bukowsky gebe es mit dem Landwirt, der die Wiesen mäht, gute Erfahrungen. Inzwischen schmiedet der Regionalverband Pläne zur Renaturierung des Hammerfließes in der Buchheide, um auch hier für den Schreiadler wieder bessere Bedingungen zu schaffen.
Auch in anderen Teilen der Uckermark haben NABU-Mitglieder den Schreiadlerschutz auf ihrer Agenda. Zudem startete jetzt der NABU-Bundesverband eine Spendenaktion, um für ein weiteres Gebiet von knapp 13 Hektar Wiesen 124 900 Euro aufbringen zu können. Über die NABU-Stiftung Nationales Naturerbe laufen bereits Verhandlungen, um ein Gebiet in der Randow-Welse-Niederung zu erwerben. Genauere Ortsangaben wird Frauke Hennek, Kommunikationsleiterin der Stiftung, nicht machen. „Es ist wichtig, dass diese Areale unberührt bleiben, da die Adler sehr störungsempfindlich sind.“