Kirche

Orgelbauer starten Restaurierung

Güstow / Lesedauer: 4 min

Mit der Demontage der Reste begann dieser Tage die Restaurierung der alten Kienscherf-Orgel in Güstow bei Prenzlau. Noch ist aber einiges zu tun.
Veröffentlicht:06.04.2022, 12:07

Von:
  • Bernhardt Rengert
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Spielbar war sie schon lange nicht mehr. Jetzt ist die Güstower Kirche ganz ohne Orgel. Von Montag bis Mittwoch vergangener Woche wurde sie von Harry Sander und Andreas Mähnert – den Geschäftsführern der beauftragten Orgelbauwerkstatt – zusammen mit ihren Gesellen Andreas Müller und Julian Sander in akribischer Handarbeit in ihre Einzelteile zerlegt und in die Werkstatt nach Eberswalde gebracht.

Für den Gemeindekirchenrat mit Hilmar Czeslick an der Spitze, ist die nun endlich in Angriff genommene Orgelrestaurierung so etwas wie der krönende Abschluss der nötigen Arbeiten zum Erhalt der Dorfkirche. Bald nach der Wende hatte man begonnen. Die Heizung, das Dach, der Altar, zuletzt der Turm samt Glocken und nun neuem elektrischem Geläut – überall war teils aufwendig Hand anzulegen.

Kirchenratsältester sehr engagiert

„Ohne Herrn Czeslick wären wir wohl längst nicht so weit“, schwärmt Pfarrerin Anne-Kathrin Hering von ihrem Kirchenratsältesten. „Er hat sich von Anfang an engagiert, ist immer ansprechbar, hat irgendwie für jedes Problem auch meist bald eine Lösung parat, das macht einfach Freude“, erklärt sie. Am Dienstag hatte sich der Gemeindekirchenrat noch einmal zum Auftakt der Orgelrestaurierung getroffen.

Dabei zeigte sich dann aber leider auch, dass die Erfüllung eines bislang nur heimlich gehegten Wunsches ihres Ältesten ziemlich unmöglich wird. Gern hätte der 79-Jährige nämlich schon im Herbst, zu seinem 80. Geburtstag, den Klang der Orgel wieder in der Kirche erlebt. „Zuletzt“, erinnert er sich, „habe ich ihr Spiel hier 1965 gehört.“ Seitdem war sie stumm.

Metallpfeifen im Krieg demontiert

Schon zum Ende des II. Weltkrieges war sie, sämtlicher Metallpfeifen beraubt, eine Zeit nicht spielbar. Schon damals hatte sich die Kirchengemeinde um eine Wiederherstellung bemüht. Die Orgelbauwerkstatt von Karl Gerbig übernahm die Reparatur. Aus Materialmangel musste improvisiert werden, aber in den 1960er Jahren war sie wohl wieder spielbar.

„Vieles lässt sich an der Orgel nachvollziehen“, erklärt Kreiskantor und Orgelsachverständiger Hannes Ludwig. „Die hier erhaltenen Keramikregisterzüge sind etwas ganz Besonderes“, versichert er, „so vollständig findet man sie nur noch selten, selbst ihr Farbabrieb ist nur gering.“ Dieser verrät, welche Register beim Spiel besonders gern und oft genutzt wurden. Ein besonderes Erlebnis aber sind die Aufschriften auf den Brettern der Gehäuserückseite.

Orgel 1885 eingebaut

Auf ihnen haben sich anscheinend ganze Konfirmandenjahrgänge mit ihren Anfangsbuchstaben verewigt – 1910, 11, 12, 13 und etliche andere mehr. Auf den längere Zeit ausgeübten, schweißtreibenden Job als „Balgtreter“ dürfte hingegen der Eintrag „Fritz Sprung 1908-1910“ verweisen. Auch dafür finden sich noch mehrere Hinweise, bis das lästige Treten in Güstow endgültig durch den elektrischen Betrieb abgelöst werden konnte. „Hier auf der Rückseite sind sogar alte Holzpfeifenbretter verbaut“, zeigt Harry Sander, der stolz darauf ist, gerade dieses Instrument wieder in seinen Ursprungszustand zurückversetzen zu können. Die im Jahr 1885 eingebaute Orgel wurde nämlich von Kienscherf geliefert, und in dessen Orgelbau-Nachfolge stehen die Eberswalder. „Das macht unsere Arbeit allerdings nicht leichter“, erklärt Andreas Mähnert, „der größte Teil der Holzpfeifen ist zwar noch vorhanden, aber mindestens zwei komplette Register werden wir nachbauen müssen und auch sämtlich Metall- und Prospektpfeifen sind zu ersetzen.“

Ihr Ziel ist es, mit ihrer Arbeit die Güstower Orgel so weit wie möglich wieder der alten Originalorgel anzunähern, was vor allem auch die weitgehende Wiederherstellung des ursprünglichen Klangbildes bedeutet. Dafür wird das noch vorhandene zunächst genau geprüft, nach allen erdenklichen Hinweisen gesucht und mit ähnlichen Kienscherf-Orgeln verglichen. Da so gut wie nichts dokumentiert wurde, ist das sehr zeitraubend.

Ähnliches Instrument in Groß Ziethen

Doch manchmal hilft der Zufall, so gebe es in Groß Ziethen eine ähnliche Orgel, bei der noch der Originalprospekt erhalten ist. Und er sei erst kürzlich darauf gestoßen, ergänzt Hannes Ludwig, dass die Orgel schon 1886 infolge eines Wassereinbruchs erheblichen Schaden, besonders an den Windladen, genommen haben muss. Das ist damals sicher behoben worden, aber ob die Orgel danach noch genauso klang, wie Kienscherf das ursprünglich eingerichtet hatte, das vermag heute wohl keiner mehr mit Sicherheit zu sagen.

Für die Orgelbauer ist das eine große Herausforderung. Doch sie lieben ihren Beruf. „Weil es echtes Handwerk ist“, sagt lachend Andreas Müller, der seit 1998 in der Firma ist, „wir können noch jedes einzelne Teil selbst nachbauen!“ Fest steht es zwar noch nicht, aber die spontan von Julian Sander ausgesprochene Einladung zu einer Werkstattführung wird die Kirchgemeinde wohl annehmen. Ein Ausflug nach Eberswalde jedenfalls ist im Sommer geplant, und eine gute Gelegenheit, sich über den Fortschritt der Arbeiten zu informieren, wäre er dann auch.