Gut Zernikow

Paten für Käferbänke in der Uckermark gesucht

Nordwestuckermark / Lesedauer: 6 min

Ein Zernikower Betrieb will trotz konventioneller Bewirtschaftung Oasen für Insekten und Niederwild auf seinem Acker schaffen. Ein Anfang ist gemacht.
Veröffentlicht:09.06.2021, 08:47

Von:
  • Sigrid Werner
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„Floridus” bedeutet im Lateinischen „blühend”. Familie Schulze aus Zernikow hat ihre neu gegründete GbR so genannt. Sie soll ein weiteres Standbein für den Landwirtschaftsbetrieb Gut Zernikow begründen. Schulzes wollen damit den Beweis antreten, dass es auch in einem konventionell wirtschaftenden Landwirtschaftsbetrieb grünen und blühen kann, sodass sich Insekten in großer Vielfalt sowie Niederwild auf ihren Flächen wohl fühlen.

Auf wirtschaftlichen Ertrag verzichtet

Es ist ein durchaus gewagtes Experiment, das die Uckermärker Landwirte da gestartet haben. Denn sie verzichten auf wirtschaftlichen Ertrag von rund fünf Hektar Ackerland (400 bis 500 Euro je Hektar), ohne dafür EU-Fördermittel in Anspruch zu nehmen. Nicht nur, weil es diese dafür, so wie sie es anpacken, bislang nicht gibt. Sondern auch, weil sie nicht als Bittsteller dastehen wollen. Am liebsten würden sie ihre grüne Dienstleistung an der Gesellschaft selbst direkt vermarkten. So, wie andere Bauern ihre Kartoffeln, Gemüse, Obst, Eier ab Hof verkaufen. Sie wollen vor allem Städter einladen, selbst aktiv zu werden und Naturschutzprodukte einzukaufen.

Streuobstwiese angelegt

Was haben also die Uckermärker Bauern den Endverbrauchern und vor allem jenen aus dem Metropolenraum zu bieten? „Wir fangen erst mal klein an”, sagt Axel Schulze und führt den Uckermark Kurier auf 0,3 Hektar Grünland direkt vorm Haus. Dort hat seine Familie bislang 24 Obstbäume gepflanzt und es sollen noch mehr werden. Alte regionale Sorten wie der Danziger Apfel, die Goldparmäne und Kaiser Wilhelm, gehören dazu, bei den Kirschbäumen Büttners Rote Knorpelkirsche und die Große Schwarze Knorpelkirsche, bei den Birnen die Gute Graue und die Gute Luise. Vielleicht kommen irgendwann auch Walnuss- und Haselnussbäume dazu. Schafe sollen künftig die Streuobstwiese beweiden, damit sie nicht zuwächst.

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Direkt am Ortseingang fahren Zernikower und Besucher seit vorigem Jahr an einer größeren Blühfläche vorbei. Die Schulzes haben dort eine mehrjährige Saatmischung aus 30 verschiedenen Blühpflanzen ausgebracht. Sie blühen zu unterschiedlichen Zeiten, so dass Insekten dort vom Frühjahr bis in den Herbst hinein Nahrung finden. Und mit ihnen freuen sich dann auch Vögel über die neu entstandene Oase inmitten intensiv genutzter Feldflur. „Wir hatten hier im Herbst so viele Schwalben über der Fläche wie schon lange nicht”, sagt Axel Schulz zufrieden. Ein Zeichen, dass reichlich Insekten vorhanden sein müssen.

Käfer nehmen „Beetle Banks” an

Im Frühjahr 2019 hatten die Schulzes den Versuch mit sogenannten Beetle Banks gewagt. Auf einer 150 Hektar großen Ackerfläche durchzieht ein 900 Meter langer und etwa neun Meter breiter grüner Damm die Getreidefelder. Insgesamt 1,6 Hektar wollen die Landwirte auf diese Weise der Natur überlassen. Auf dem Damm haben sie Knaulgras ausgesät, wo sich im Winter Insekten verkriechen können. Die Dammaufschüttung verhindert, dass die Krabbler nasse Füße bekommen. Rechts und links haben Schulzes eine mehrjährige Blühmischung gesät, die zum Start bis zu 50 verschiedene Pflanzenarten enthielt. Fünf Jahre lang lassen sie die Beetle Banks nun in Ruhe und sind selbst gespannt, welche Pflanzen sich durchsetzen, was unter welchen Bedingungen blüht und welche Insekten und Tierarten sich hier ansiedeln. Um das genauer zu erkunden, haben sie sich Partner beim Zentrum für Agrarlandschaftsforschung und Landnutzungsforschung e.V. geholt. Die ersten Ergebnisse nach zwei Jahren erscheinen vielversprechend. Die Insektenwälle mit den flankierenden Blühstreifen sind nicht in erster Linie Bienenweide. „95 Prozent der Pflanzen, die für die Ernährung angebaut werden, sind Selbstbefruchter, brauchen keine Bestäuber”, räumt Axel Schulze mit einem Irrtum auf. Die Beetle Banks sind wahre Käferbänke inmitten von Raps- und Winterweizenschlägen, hat Dr. Michael Glemnitz vom Leibniz-Institut des ZALF bestätigt. Die Wissenschaftler haben für ihre Untersuchungen Zelte als Insektenfallen aufgestellt und auf dem Damm vier- bis zehnmal mehr Laufkäfer gezählt als in Fallen im Winterweizenfeld. Auch die Insektenbiomasse sei auf den Käferbänken stark erhöht gewesen, so der Forscher.

Auswirkungen auf Acker werden untersucht

Gespannt ist Axel Schulze auch auf die Ergebnisse einer Doktorandenarbeit. Darin soll untersucht werden, welche Auswirkungen die Erhöhung der Insektenpopulationen für die angrenzenden Ackerflächen haben, zum Beispiel durch die Ausbreitung von Nützlingen. Durch Blühflächen und Beetle Banks sei mit einer Erhöhung der Wurzelmasse im Boden zu rechnen. Regenwürmer, Insekten, Bakterien, Pilze und andere Organismen bekämen dadurch mehr Nahrung, heißt es. Es könnte mehr Humus entstehen, der Kohlendioxid bindet. Auch Rebhühner und Fasane profitieren, wenn sie mehr tierisches Eiweiß und Deckung finden. Nach fünf Jahren wollen die Landwirte die Beetle Banks an anderen Stellen auf dem Feld platzieren, auch um den Ackerstatus der Flächen zu sichern.

Im Agrarförderantrag unberücksichtigt

„Die Akteure im ländlichen Raum leisten oftmals einen größeren Beitrag für den Naturerhalt und die -entwicklung, als der Öffentlichkeit bekannt ist“, sagt Rudolf Hammerschmidt, Vorsitzender der Familienbetriebe Land und Forst Brandenburg, zu den aktuellen Untersuchungsergebnissen auf Gut Zernikow. Der Verband unterstützt das Pilotpropjekt ihres Vorstandsmitgliedes in Zernikow und fordert, dass auch die Beetle Banks im Agrarförderantrag einen Nutzungscode bekommen. Nur drei Betriebe in ganz Deutschland erproben sie derzeit, zwei in Brandenburg.

Noch keine Paten aus Berlin

Jan-Philipp Schulze, hat Agrarwirtschaft in Göttingen studiert, erklärt auf den Facebook und Instagram mit Hilfe von Videos, was die Landwirte in der Uckermark auf ihrem Feld anstellen. Seine Clips „Floridus erklärt” haben 18 000 Nutzer gesehen. Aber Naturpaten haben die Schulzes bislang nur aus der eigenen Bekanntschaft gewonnen, aus der Großstadt überhaupt noch nicht. „Aber wir konnten ja durch Corona noch nicht wie geplant in Berlin in die Werbung gehen, nicht auf der Grünen Woche mit potenziellen Paten ins Gespräch kommen, nicht auf Märkten, in Wohnbezirken oder Cafés, wo bekanntermaßen Menschen leben, die auf nachhaltige Lebensweise setzen. „Mal sehen, ob sie alle nur von den Landwirten grünes Wirtschaften fordern oder auch bereit sind, dafür zu bezahlen”, sagt Axel Schulze. Über die Naturpaten hatten die Zernikower gehofft, auch mit jungen Leuten über Landwirtschaft ins Gespräch zu kommen und zu erklären, warum sie trotz aller Begeisterung für grüne Angebote konventionellen Landbau vorerst als unerlässlich ansehen. Mindestens fünf Jahre will die Familie am Ball bleiben. „Und wenn es nicht klappt, dann haben wir es wenigstens versucht”, sagt Axel Schulze.