Richterin spricht Prenzlauer Schlägertypen frei
Prenzlau / Lesedauer: 3 min

Das Erlebnis am 16. November 2021 beschrieb Ronny M. (Name geändert) vor Gericht als „Trauma“. Er hatte mit seiner Freundin ahnungslos in Prenzlau auf einer Bank gesessen, als Reinhard J. – tänzelnd mit einer Bierflasche in der Hand – ihm unvermittelt, sozusagen aus dem Nichts heraus, einen kräftigen Tritt gegen den Kopf versetzte. Dadurch wurde Ronny M.s Halswirbelsäule überstreckt. Er war laut Staatsanwalt dadurch bewegungsunfähig, sackte zu Boden, wo der Angeklagte weiter auf ihn einschlug und ihm dann noch eine Bierflasche über den Kopf zog. So heftig, dass die Glasflasche zerbrach. Reinhard J. versuchte dann noch, der Freundin des Opfers, die einschreiten wollte, einen Kinnhaken zu versetzen.
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Wegen gefährlicher und versuchter Körperverletzung musste sich der 31-jährige Prenzlauer seit dem 11. Oktober vor der zweiten großen Strafkammer des Landgerichts Neuruppin verantworten. Die Richter sprachen ihn am Donnerstag frei. Die Vorwürfe haben sich zwar bestätigt, bestraft werden kann Reinhard J. dafür nicht: Er ist krank. Nach Auffassung des psychiatrischen Sachverständigen leidet er an einer Form der Schizophrenie. Dadurch, so führte es die Vorsitzende Richterin aus, kann Reinhard J. seine Impulse nicht steuern und ihnen entgegenwirken.
„Es braucht nicht viel, ihn außer Fassung zu bringen, in der er sich nicht mehr kontrollieren kann“, sagte der Staatsanwalt. Reinhard J. neige zu Gewalttaten aus nichtigem Anlass – krankheitsbedingt. So komme es, wie im vorliegenden Fall, zu unkontrollierten Ausbrüchen, die der Angeklagte nicht steuern könne. Der psychiatrische Sachverständige konnte nicht ausschließen, dass Reinhard J. zur Tatzeit schuldunfähig, also nicht verantwortlich für sein Handeln, war.
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Das heißt aber nicht, dass Reinhard J. den Gerichtssaal als freier Mann verlassen konnte. Das Gericht ordnete seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an. Diese Maßnahme sei unumgänglich, meinte die Vorsitzende Richterin. Eine mildere wäre nicht zu verantworten gewesen. „Sie sind auch vor sich selbst zu schützen.“ Der Angeklagte sei seit Jahren krank, und die Krankheit werde noch durch seinen Drogenkonsum verstärkt. Bliebe er unbehandelt und nehme keine Medikamente, würde er in Freiheit in alte Verhaltensmuster verfallen. Das bedeute, dass weitere Straftaten von ihm zu erwarten seien.
Grundlos Hausmeister attackiert
Reinhard J. wurde im November 2021 festgenommen, aber aus der Untersuchungshaft entlassen. Im Juli wurde er einstweilig in der Psychiatrie untergebracht. In der Zwischenzeit kam es erneut zu Vorfällen. Grundlos attackierte der Angeklagte den damaligen Hausmeister der ASB-Wohnanlage in Prenzlau. Auf dem Stadtfest in Prenzlau geriet er mit einem anderen Festbesucher aneinander.
„Aus dem Nichts heraus kann so etwas passieren“, sagte die Vorsitzende Richterin. Und zwar in einem Maße, dass die Opfer selbst dann noch weiter traktiert würden, wenn sie bereits hilflos am Boden lägen. Reinhard J. müsse die Einsicht verinnerlichen, krank zu sein und die Krankheit nur mit Medikamenten in den Griff bekommen zu können.