Ex-Stationsschwester erzählt

Schade um diesen schönen Kreißsaal

Prenzlau / Lesedauer: 4 min

Als in Prenzlau das Ende der Geburtshilfe kam, traf das nicht nur werdende Mütter schwer. Auch Mitarbeiter wie Helga Scheer bedauern das Aus bis heute.
Veröffentlicht:07.02.2023, 08:47
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  • Author ImageClaudia Marsal
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13 Jahre ist es jetzt her, dass Helga Scheer ihrem geliebten Prenzlauer Krankenhaus den Rücken kehrte. Im Februar 2010 unterschrieb die lange in Gramzow beheimatete Uckermärkerin schweren Herzens den Aufhebungsvertrag. 28 bewegte Jahre in der Klinik lagen da schon hinter ihr. „Ich bin immer mit Leidenschaft und Hingabe Krankenschwester gewesen“, erinnert sich die 58-Jährige zurück. Schon zu Lehrbeginn 1982 sei ihr klar gewesen, dass das der Traumberuf wird, setzt sie nachdenklich hinzu: „Die Tätigkeit in Prenzlau hat mir dann auch sehr viel Freude bereitet. Die Zusammenarbeit mit den Ärzten, gerade mit Dr. Witzsch, war hervorragend, ein wirklich exzellenter Mediziner.“ Aber auch an die „Gutzschebauch-Bande“ und den Rest des Teams denke sie noch gern zurück, stellt die langjährige Stationsschwester der Gyn/Geburtshilfe schmunzelnd heraus: „Tolle Ärzte. Kompetent, sachlich. Die Arbeit mit dem leider viel zu früh verstorbenen Oberarzt Dr. Rohde war ebenfalls super. Durch die Zusammenlegung von Gyn und Geburtshilfe haben sie alle mir viel auf meinem Weg mitgegeben.“

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Letztlich sei es die drohende Abwicklung der Abteilung gewesen, die sie nach neuen Ufern schauen ließ. „Als sich seit Ende 2009 herumsprach, dass der Kreißsaal dicht gemacht werden und auch die Neugeborenenstation schließen soll, wurde die Stimmung immer schlechter. Es häuften sich die Krankmeldungen, und mir wurde das irgendwann zu viel. Ich stand kurz vor einem Burnout“, erinnert sich die Mutter eines erwachsenen Sohnes zurück. Sie selbst verlor in dieser Krise die Motivation, weil sie die geliebte Arbeit den Bach runtergehen sah. In dieser Situation kam dann eins zum anderen. Die geschiedene Frau lernte übers Internet eine neue Liebe kennen. Da diese in Sachsen lebte und sie selbst in Prenzlau nichts mehr hielt, packte Helga Scheer kurzentschlossen ihre Koffer. Sie lebt nun schon seit geraumer Zeit in einem kleinen Ort nahe Radeberg und hat für die letzte Etappe ihres Berufslebens zum zweiten Mal eine erfüllende Aufgabe gefunden, wie sie zufrieden betont.

Nach ihrem Wegzug aus der Heimat hatte sie im Süden zunächst einige Stellen als Sprechstundenhilfe durchlaufen, zunächst bei einem Augenarzt, danach bei einer Frauenärztin und schlussendlich bei einem Allgemeinmediziner. Aber richtig fühlte es sich dort überall nicht an. Erst der Wechsel zu einer großen Firma, die Sanitätshäuser beliefert, brachte die ersehnte Wende. Bei MediTech fühlt sich die Endfünfzigerin seitdem pudelwohl. Hier ist die Krankenschwester in der Telefonzentrale als Kundenbetreuerin angestellt. „Die Beratungsarbeit macht mir großen Spaß. Auch dass ich nicht mehr an den Wochenenden arbeiten muss, gefällt mir gut.“

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Dort sei sie immer von 7 bis 13 Uhr beziehungsweise 13 bis 18 Uhr im Einsatz. Ein Zweitjob in der Abteilung Homecare, wo sie Produkte für den Versand zusammenstellt, ermöglicht ihr letztlich ein auskömmliches Leben. Denn seit vier Jahren ist Helga Scheer wieder Alleinverdienerin. Neun Jahre nach ihrem Umzug in die Fremde war die neue Liebe zerbrochen. Sie trennte sich 2019 von dem Mann, für den sie nach Sachsen gegangen war. Bis zu seinem plötzlichen Tod im Juli 2021 hätten sie aber noch Kontakt gehabt, setzt sie erklärend hinzu. Dass er mit gerade mal 56 Jahren starb, erschütterte sie daher sehr. Für Helga Scheer war sein viel zu frühes Ableben auch Anlass, noch mehr die eigenen Bedürfnisse in den Vordergrund zu stellen: „Wir haben alle nur dieses eine Leben und müssen gut auf uns und unsere Gesundheit achtgeben“, bekräftigt die Mutter eines 32-jährigen Sohnes, der gerade in der Facharztausbildung steckt. Dass er Neurochirurg geworden ist, mache sie sehr stolz, setzt Helga Scheer hinzu.

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Sie selbst hofft, noch viele Jahre ihrem Beruf nachgehen zu können. „Aber man merkt natürlich, dass man nicht jünger wird. Damals habe ich im Prenzlauer Krankenhaus immer zwei Stufen auf einmal genommen, wenn ich in den dritten Stock hochgerannt bin“, erinnert sie sich lachend zurück: „Das schaffe ich heute nicht mehr. Für mein Alter bin ich trotzdem noch recht fit. Das darf gern so bleiben.“ Kraft tanke sie vor allem an den freien Wochenenden: „Da finde ich auch immer wieder aufs Neue gut, dass ich keinen Partner habe. Da steht dann niemand in der Wohnung, der mault, weil man bis 11 Uhr schläft, bis abends im Nachthemd rumläuft oder den Abwasch noch nicht erledigt hat. Das Alleinsein hat durchaus Vorteile. Ich wage fast zu behaupten, dass sie überwiegen, je älter man wird.“ Nach Prenzlau kommt Helga Scheer aktuell nur ein-, zweimal im Jahr; meist, um alte Kolleginnen, die Freundinnen geworden sind, zu besuchen. Aber im Rentenstand könnte sie es sich durchaus vorstellen, wieder zurück an den geliebten Uckersee zu ziehen. Denn den vermisse sie in über 300 Kilometern Entfernung schon sehr.