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Schulleiter zum Abschied gewaltig überrascht

Templin / Lesedauer: 6 min

Über drei Jahrzehnte war Holger Dehmelt Chef des Templiner Gymnasiums. Jetzt beginnt für ihn die Zeit des Vorruhestands. Sang- und klanglos wollten ihn weder seine Kollegen noch die Schüler ziehen lassen.
Veröffentlicht:27.01.2023, 17:50

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Das ist kein Tag wie jeder andere. Unter einem Vorwand bittet Nina Göde, stellvertretende Schulleiterin am Templiner Gymnasium, ihren Chef, dringend in die Mehrzweckhalle zu kommen. Als Holger Dehmelt diese betritt, wird Beifall laut: Alle Schüler und Lehrer sind dort versammelt und applaudieren ihm. Großer Bahnhof für den Schulleiter an seinem letzten Arbeitstag. Nach 32 Dienstjahren geht er in den Vorruhestand. Gemütlich gemacht haben es ihm seine Kollegen: Ein roter Sessel steht bereit, daneben eine Leselampe und zwei große Körbe, gefüllt mit Kranichen, gefaltet in Origamitechnik vom Schulleiter selbst. Geahnt habe er, dass man ihn an seiner Schule nicht sang- und klanglos ziehen lassen würde. „Aber mit diesem Rahmen hätte ich nicht gerechnet“, sagt Holger Dehmelt. Die Schülerband unter Leitung von Lehrer Peter Steuer sorgt für „Rock’n’roll“ für den Chef. Lehrer Stefan Rikken lässt die vergangenen mehr als drei Jahrzehnte Revue passieren und bedankt sich im Namen des Kollegiums für die vertrauensvolle Zusammenarbeit. Gute Wünsche kommen von Templins stellvertretender Bürgermeisterin Annette Nitschmann und Nico Brückmann, Vorsitzender des Fördervereins. Und dann der Flashmob, den Schüler mit ihren Sportlehrern vorbereitet haben.

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An die 3000 Abiturzeugnisse hat Holger Dehmelt in den 32 Jahren seiner Schulleiterzeit übergeben, junge Menschen dabei ermuntert, sich nicht von ihrem Plan für den eigenen Lebensweg abbringen zu lassen. 1990 wurde er Schulleiter und mit dem Aufbau des Templiner Gymnasiums beauftragt. „Eine Schule an zunächst verschiedenen Standorten bis 1993. Dann kam der Umzug in das ehemalige Gebäude der Berufsschule in der Dargersdorfer Straße, heute Standort des Oberstufenzentrums. Um alle Schüler unterrichten zu können, wurde ein Container auf dem Schulhof errichtet. Trotzdem reichte der Platz nicht.“ Wieder seien Ausweichquartiere nötig gewesen. „Der Sportunterricht für unsere Schüler fand damals in allen Sporthallen der Stadt statt.“ Keine einfache Zeiten, weil immer wieder etwas neu zu organisieren war. „Sie hatten aber auch viele schöne Momente.“ Dann wurde ein neues Gymnasium in der Feldstraße gebaut und 1996 übergeben.

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Lehrer zu werden wie sein Vater, das hatte sich Holger Dehmelt immer gut vorstellen können. Deutsch und Geschichte waren die von ihm bevorzugten Fächer. „Wir hatten zu Hause eine riesige Bibliothek. Damit bin ich groß geworden.“ Studiert habe er an der Universität in Rostock. „Und eigentlich wollte ich dorthin zurück.“ Es ist anders gekommen, auch bedingt durch die gesellschaftlichen Umbrüche. „In den 1990er Jahren hatten wir als Lehrer unwahrscheinlich viele Freiheiten. Es war wenig vorgegeben, wie der Unterricht aussehen sollte. Rahmenlehrpläne waren wirklich nur Rahmenlehrpläne. Trotzdem haben wir uns damals auch Kontinuität gewünscht. Ständig änderten sich die Vorschriften. Wir erlebten einen Prozess des Suchens im Bildungsministerium und haben uns Ruhe für unsere Arbeit gewünscht. Aber die Bestimmungen sind immer engmaschiger geworden, sodass wenig Platz für Eigenes blieb und bleibt“, bilanziert Holger Dehmelt. Nach drei Jahrzehnten im Schuldienst vermisst er, dass die Schulpolitik so auf Veränderungen reagiert, wie es nötig wäre: auf Veränderungen in der Schülerschaft, in der Zusammenarbeit mit Eltern und mit Blick auf die Rolle von Schule.

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Interessant ebenso: „Zu unterrichten hat mir immer Spaß gemacht. Ich habe immer gern mit den Kollegen zusammengearbeitet und hatte immer Glück mit meinem Kollegium“, sagt Holger Dehmelt rückblickend. Jetzt beginnt für den 63-Jährigen die Zeit, in der er sich unter anderem einigen Bücherstapeln widmen möchte, „die in Angriff genommen werden wollen. Außerdem arbeite ich gern mit Holz. Ich habe mir eine Drechselbank gekauft.“ Und es gibt ein Versprechen an seine Frau, die noch berufstätig ist, ihr zu Hause einiges abzunehmen... Wenn ein Lebensabschnitt endet, ein neuer beginnt, ist Zeit für eine Zwischenbilanz: „Es hätte andere Möglichkeiten für mich gegeben. Aber in Summe war der Weg, den ich eingeschlagen habe, der richtige für mich.“

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Einige seiner Kollegen am Templiner Gymnasium haben ihn auf diesem Weg ein langes Stück begleitet. Nina Göde, ab jetzt kommissarische Schulleiterin, gehört zu ihnen. Gelassenheit fällt ihr zuerst ein, wenn man sie nach charakteristischen Eigenschaften ihres nun ehemaligen Chefs fragt. Er habe ermöglicht, „dass wir Lehrer unsere Ideenumsetzen, dass wir uns genauso wie die Schüler mit unserer Schule identifizieren konnten“. Dirk Schröder war von 1995 bis 1997 Referendar am Gymnasium. Erste berufliche Erfahrungen sammelte er an anderen Schulen, kam dann 2008 wieder zurück nach Templin. „Schon als Referendar habe ich ihn als jemanden erlebt, der alles hundertprozentig im Griff hat“, sagt er. Holger Dehmelt habe sich immer vor das Kollegium gestellt. „Und er hat uns machen lassen, wenn er überzeugt davon war, dass diese Dinge funktionieren.“ Als Anke Schmidt mit Holger Dehmelt zusammen zur Schule gegangen ist, hat sie sicher nicht geahnt, dass er später einmal ihr Chef werden würde. Seit 1992 arbeitet sie als Sekretärin am Templiner Gymnasium. Dass Holger Dehmelt immer ein offenes Ohr auch für private Sorgen hatte, wusste sie an ihm zu schätzen.

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Und die Schüler? Greta Stahl ist Schülersprecherin des Gymnasiums. „Das bedeutet, bei Problemen zwischen Schülern, Lehrern und Schulleitung zu vermitteln, Wünsche der verschiedenen Seiten miteinander zu verknüpfen“, erklärt die Zwölfklässlerin. „Mit Herrn Dehmelt gab es eine sehr entspannte, freundliche Zusammenarbeit. Mit viel Verständnis auf beiden Seiten. Wir haben versucht, nach Kompromissen zu suchen.“ Jessica Wall und Emilia Müller nehmen jetzt Kurs aufs Abitur. „Ich erinnere mich an eine schöne Rede, die er zum 30-jährigen Jubiläum der Schule gehalten hat. Tatsächlich bekommt man von einem Schulleiter nicht so viel mit. Er arbeitet mehr im Hintergrund, ist für die Organisation da“, so Jessica. „Natürlich nicht allein“, schickt Emilia. Sie weist auf die stellvertretende Schulleiterin und die Schulsekretärin hin. Und was die Organisation angeht, „die klappt an unserer Schule ganz gut“, findet sie.

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Für seinen letzten Arbeitstag hat Holger Dehmelt keine große Rede vorbereitet. „Einige wissen ja, dass ich es mit Zitaten habe. Dieses ist von Anthony Hopkins“, sagt er und trägt es vor: „Keiner von uns kommt lebend hier raus. Also hört auf, euch wie ein Andenken zu behandeln. Esst leckeres Essen. Spaziert in der Sonne. Springt ins Meer. Sagt die Wahrheit und tragt euer Herz auf der Zunge. Seid albern. Seid freundlich. Seid komisch. Für nichts anderes ist Zeit...“