Neujahrsempfang

So läuft die Transformation der PCK Raffinerie in Schwedt

Schwedt / Lesedauer: 5 min

Die Auslastung der Raffinerie in Schwedt liegt aktuell bei nur 56 Prozent. Doch es gebe Anlass zu Optimismus, so die Geschäftsführung.
Veröffentlicht:13.01.2023, 17:11
Aktualisiert:13.01.2023, 21:53

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  • Author ImageHeiko Schulze
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Rockige Klänge der Metal-Band „Metallica“ stimmten auf den Neujahrsempfang 2023 der PCK Schwedt ein. „Turn the page“, so der Titel des Songs – sinngemäß übersetzt „eine neue Seite aufschlagen“ – treffe für die PCK „ganz besonders zu“, begründete dann Ralf Schairer, der Sprecher der Geschäftsführung, die ungewöhnliche und doch so passende Einstimmung der geladenen Gäste. Dazu zählten Wirtschaftspartner der Raffinerie, Kommunalpolitiker, Abgeordnete der Regierungsparteien und Unternehmensmitarbeiter. Zu den rockigen Klängen wechselten sich Fotos des herausfordernden Jahres 2022 ab.

Der Überfall Russlands auf die Ukraine am 24. Februar 2022 und die seit diesem Tag bis heute anhaltende Aggression habe zu Reaktionen gegenüber Russland geführt, hinter denen die „demokratische Welt geschlossen steht“, so Ralf Schairer. Mit einem Anteil von zehn Prozent war Russland bis zum Ukraine-Krieg der größte Erdölexporteur der Welt. Über eine Milliarde Tonnen Rohöl waren in den letzten Jahrzehnten „zuverlässig aus Russland über die ‚Druschba‘ nach Deutschland gekommen.“ Der Ausstieg aus der „größten und verlässlichen Versorgungsquelle“ habe dramatische Auswirkungen auf die Öl-, Gas- und Strommärkte mit sich gebracht, so der Sprecher der Geschäftsführung: „Natürlich insbesondere auf die PCK mit der Druschba-Verbindung und einem russischen Mehrheitseigentümer.“ Dabei hatten bereits die Corona-Vorjahre zu einem Bedarfseinbruch und hohen Verlusten geführt. Im Vorjahr seien die Industriemargen durch angespannte und verunsicherte Märkte bezüglich der Verfügbarkeit von Rohöl und Produkten gekennzeichnet gewesen.

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Vor diesem Hintergrund hält Schairer die von der EU beschlossene Übergewinnsteuer nur im ersten Ansatz für verständlich: „Wo hört der normale Gewinn auf, wo fängt Übergewinn an?“ Die fällige Übergewinnsteuer fehle zudem für die „riesigen Investitionen, welche für die Transformation im Energiesektor notwendig sind.“

Am 31. Dezember 2022 um 18.10 Uhr floss das vorerst letzte russische Rohöl für die Raffinerie in Schwedt. „Den Übergang auf nicht-russisches Öl haben wir bis jetzt gut und professionell gemeistert. Die Logistik funktioniert, und die Raffinerie ist betreibbar“ schilderte Schairer am Donnerstagabend eine „Momentaufnahme“. Die Gesellschafter hätten auf dem internationalen Weltmarkt Rohöle aus dem Nordsee-Gebiet, Amerika, Afrika und dem Mittleren Osten gekauft. Der Transport per Tanker nach Rostock funktioniere bislang ebenso wie die Verpumpung per Pipeline nach Schwedt: „Wir haben eine Lernkurve in der Logistikkette und im Raffineriebetrieb, gar keine Frage. Aber wir sind bereit, lernen schnell, passen an und optimieren, wenn möglich.“ Die notwendigen Schiffe seien für den Januar, teilweise auch für den Februar terminiert. Allerdings seien der PCK bis heute keine Mengen über alternative Quellen wie Danzig oder Kasachstan bestätigt worden: „In den nächsten Tagen werden wir für Februar nominieren müssen. dann sehen wir weiter.“ Derzeit läuft die Schwedter Raffinerie mit circa 56 Prozent Rohöl-Auslastung.

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„Was wir brauchen sind nun zügige Entscheidungen und die Bereitstellung der zugesagten 400 Millionen Euro“, betont der Geschäftsführer. Das Unternehmen habe eine Strategiestudie zur alternativen Rohölversorgung erstellt, die zu 22 Projekten führt, die dem Bundeswirtschaftsministerium bereits seit Juli vorliegen: „Einige Punkte wurden bereits realisiert, weitere befinden sich in einer konkreten Planung.“

Schairer vergleicht die Situation mit den berühmten Bällen in der Luft: „Und bei der PCK waren und sind es derzeit viele.“ Alle Kolleginnen und Kollegen im Unternehmen und in den Partnerfirmen hätten sich intensiv mit der Thematik befasst und in der Krisenzeit ihr Können und ihre Professionalität unter Beweis gestellt, sprach der Sprecher der Geschäftsführung seinen Dank aus.

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„All hands on deck“ – jede Mitarbeiterin und jeder Mitarbeiter der PCK und deren Partnerfirmen werde auch in den nächsten Jahren gebraucht. Der sichere und reibungslose Raffineriebetrieb bleibe „unsere Lizenz zum Operieren“ und stehe auf Platz 1 in der länger gewordenen Prioritätenliste: „Wir arbeiten zwischen noch nicht vollständig geklärten Rohölversorgungsquellen, politischen Beihilfeprozessen und unserer langfristig unsicheren Gesellschafterstruktur. Hier brauchen wir weiterhin die volle politische Unterstützung und Zusagen, die auch gehalten und zügig umgesetzt werden.“ Die PCK arbeite an ihrem Standort am Aufbau einer 32-Megawatt-Wasserstoff-Elektrolyse, skalierbar auf 100 Megawatt. Anvisierte Inbetriebnahme im Jahr 2025. Zusammen mit der Firma Enertrag entwickle man eine 2-Gigawatt-Elektrolyse als Vision für das nächste Jahrzehnt. Der Industriepark Schwedt soll weiterentwickelt, das Innovation Campus und Start-Up Labors unterstützt werden. „Wir haben alle Voraussetzungen an diesem Standort und arbeiten an den richtigen Projekten – deshalb bin ich optimistisch für die Zukunft“, so Schairer.

Sorgen mache ihm die Zukunftsfähigkeit der petrochemischen Industrie. Voraussetzungen dafür seien ein zuverlässiger Zugang zu Rohstoffen und Energie zu wettbewerbsfähigen Preisen. Vor diesem Hintergrund sei er erschüttert von Aussagen des Chefs des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) Marcel Fratscher, in denen dieser der Industrie Panikmache und den Aufbau von Schreckgespenstern vorwerfe, um „der Politik Geld aus den Rippen zu leiern“. „Ich kann dazu nur sagen, auch aus Sicht des Arbeitgeberverbandes Nordost Chemie, dass in der Gemengelage aus hohen Energiekosten und überbordender Bürokratie ein beschleunigter Deindustrialisierungstrend zu erkennen ist – von wegen Schreckgespenst!“