Prenzlauer Stadtpolitik

Stadtverordnete drängen auf raschen Bau von neuem Rewe

Prenzlau / Lesedauer: 7 min

Eine politische Mehrheit will das umstrittene Rewe-Neubauprojekt in der Südvorstadt von Prenzlau schneller voranbringen. Die Verwaltung bremst dagegen.
Veröffentlicht:02.06.2022, 16:51
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  • Author ImageHeiko Schulze
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Neben dem Kurgarten-Projekt an der Uckerpromenade erhitzt in Prenzlau wohl derzeit kein weiteres Bauvorhaben so sehr die Gemüter wie das geplante Vorhaben „Neuer Rewe-Markt“ am Neustädter Damm (B 109), zusätzlich zum dort bereits bestehenden Norma- und Getränkemarkt. Schon ohne diesen circa 2000 Quadratmeter großen Vollsortimenter, er wäre neben Marktkauf und Kaufland der dritte in der Kreisstadt, liegt die durchschnittliche Verkaufsfläche (Einzelhandel) bei 2,6 Quadratmetern je Prenzlauer. Zum Vergleich: Den Berlinern stehen pro Nase mit 1,3 Quadratmetern nur halb so viel Einkaufsfläche zur Verfügung, im Landesdurchschnitt sind es 1,6 Quadratmeter je Brandenburger.

Vor diesem Hintergrund sprachen sich die Prenzlauer Stadtverordneten in dem 2019 auf den Weg gebrachten Einzelhandelskonzept gegen eine weitere großflächige Neuansiedlung im Einzelhandel aus. Auch unter jenen am Markt agierenden Mitbewerbern regt sich – wie in der Prenzlauer Werbe- und Interessengemeinschaft – Widerstand gegen einen zusätzlichen „Super-Rewe“, der womöglich den in der Steinstraße geführten Rewe-Markt ins Wanken bringen könnte. Dortige Erweiterungspläne scheiterten bislang an ungeklärten Grundstücksfragen.

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Im Fachausschuss für Wirtschaft, Stadt- und Ortsteilentwicklung legten am Montagabend die Fraktionen CDU/FDP, Die Linke und Wir Prenzlauer einen gemeinsamen Antrag auf den Tisch, der das B-Plan-Verfahren für den neuen Rewe-Markt am Neustädter Damm beschleunigen soll. „Wir möchten das Verfahren, welches wir bereits mehrheitlich in der SVV beschlossen haben und für das alle notwendigen Unterlagen vom Bauherren vorliegen, nicht noch weiter verzögert wird und mit dem Bau begonnen werden kann“, begründeten die drei Fraktionen ihren Antrag, der im Fachausschuss zudem die Unterstützung der AfD-Fraktion fand.

Indirekt steht damit der Vorwurf der Politik im Raum, dass die Prenzlauer Verwaltung gegen das Vorhaben sei, das Verfahren absichtlich verzögere und so den mehrheitlichen politischen Willen der Stadtverordneten untergrabe. Die Linke-Fraktionschef Jörg Dittberner bestritt allerdings auf Nachfrage des Uckermark Kurier, dass der Antrag quasi ein Misstrauensvotum gegenüber der Rathausspitze sei: Das Bau- und Planungsamt leiste sehr gute Arbeit.

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Der von ihm in der Diskussion bemühte Begriff „pingelig“, sei von ihm positiv gemeint gewesen. Dennoch habe nicht nur er den Eindruck gewonnen, dass nach zweijähriger Vorstellung und Diskussion des Projektes, unter anderem in Ausschüssen und Workshops, die Kommunikation zwischen Investor und Stadt festgefahren sei: „Immer, wenn wir dachten, dass es einen Durchbruch gegeben hatte, kommen weitere Befindlichkeiten.“ Dabei hätte die Mehrheit der Stadtverordneten – ausgenommen die SPD-Fraktion – der Verwaltung einen klaren politischen Auftrag erteilt. Er selbst, so Dittberner, habe sich von Anfang an für das Rewe-Projekt am Neustädter Damm ausgesprochen. Dabei ignoriere er nicht die bereits sehr gute Abdeckung mit Verkaufsflächen innerhalb der Stadt, nur „in der Südvorstadt, die sich in den vergangenen Jahren sehr entwickelt hat und weiter entwickeln wird, klafft versorgungstechnisch ein ‚Loch‘, fehlt ein moderner Vollversorger.“

Gleichzeitig betont Dittberner, dass seine Zustimmung zum neuen Rewe daran geknüpft sei, dass der Bestand des Rewe in der Steinstraße, dessen Inhaber er eine „exzellente und personenbezogene Verkaufskultur“ bescheinigt, gesichert ist. Der Vertreter der Rewe-Group sicherte Montagabend ein Vertragswerk mit der Stadt zu, in dem eine Bestands- und Erhaltungsgarantie für den Rewe-Markt in der Steinstraße bis zum Jahr 2031 verbrieft wird. Diese Ankündigung wird auch von Prenzlaus Bürgermeister Hendrik Sommer und dem zweiten Beigeordneten und Fachdezernenten Dr. Andreas Heinrich (beide parteilos) als positiv aufgenommen. Den Optimismus der Fraktionen CDU/FDP, Die Linke und Wir Prenzlauer, dass „inzwischen alle notwendigen Unterlagen“ vom Bauherren vorliegen würden, teilen Andreas Heinrich und Claudia Burmeister, Stadtplanerin mit 28-jähriger Berufserfahrung, indes nicht. „Es sind Änderungen im Flächennutzungsplan und ein vorhabenbezogener Bebauungsplan, für deren Rechtssicherheit am Ende die Stadt als Fachbehörde gerade stehen muss“, betont Heinrich.

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Dabei gehe es keineswegs darum, das Vorhaben zu verzögern, aus subjektiven Gründen zu verhindern oder den Willen der Stadtverordneten zu untergraben, versicherte er. Ziel sei es – und darüber habe es bislang bei vielen, auch strittigen, Vorhaben immer Konsens zwischen Verwaltung und Politik gegeben – in einem mehrstufigen Verfahren ein Bauvorhaben rechtskonform auf den Weg zu bringen, das „alle fachlichen Standards erfüllt und einem möglichen Normenkontrollverfahren standhält“. Von Beschlüssen, die sich im Nachgang als juristisch anfechtbar erweisen oder einem Flächennutzungsplan, dem der Landkreis im Nachhinein die Zustimmung versagt, habe niemand etwas. Im Gegenteil, dieses würde am Ende alle Beteiligten mehr Zeit kosten.

Zum derzeitigen Zeitpunkt sei „aufgrund der unzureichenden Unterlagen“ aus Sicht des Sachbereiches ein Abwägungs- und Auslegungsbeschluss nicht möglich. Zudem habe der Investor den Geltungsbereich des bisherigen B-Planes ohne Abstimmung mit dem Rathaus geändert. Auch dafür sei ein Änderungsbeschluss notwendig. Der zweite Beigeordnete, der betont „wir sind eine Schreibstube mit Qualitätskontrolle“, legte am 19. Mai dem Planungsbüro des Rewe-Investors eine Mängelliste mit zehn Punkten vor. Darin geht es unter anderem darum, dass Stellungnahmen zum Vorhaben nur in verkürzter Version vorgelegt würden, die Abwägung der Einwände und Hinweise nicht vollständig, teilweise nicht ausreichend begründet sei.

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Auch sei – offensichtlich auf Bitten von Stadtverordneten – eine Geh- und Radweganbindung hinzugekommen, ohne zu erläutern, wie die Querung des Grabens zum vorhandenen Radweg erfolgen soll. Antworten zur Problematik Lichtsignalanlage stünden bis dato noch aus, beispielsweise vom Landesbetrieb Straßenwesen. Kosten für alle durch das Vorhaben verursachten Maßnahmen müssten quantifiziert sowie durch Bürgschaften und Sicherheiten abgesichert werden.

Ein Arbeitsgespräch im Juni könnte zielführend sein, so Heinrich, „wenn die Unterlagen einen entsprechenden Stand haben und die Vertragsentwürfe vorliegen.“ Die Stadt erwartet parallel bis spätestens Anfang August den überarbeiteten Entwurf des Einzelhandels- und Zentrenkonzeptes, über das dann in der Sitzungsfolge September/Oktober beraten und beschlossen werden könnte. Daraus würden sich weitere Ansatzpunkte für den Vorhabenbezogenen Bebauungsplan und die Änderung des Flächennutzungsplanes beim Rewe-Vorhaben ergeben.

Beschlüsse schon für Juni geplant

Viel zu spät für die Fraktionen CDU/FDP, Die Linke, Wir Prenzlauer und AfD, die mit ihrer politischen Mehrheit den Abwägungs- und Auslegungsbeschluss am 20. Juni im Hauptausschuss beraten und am 29. Juni in der Stadtverordnetenversammlung zur Abstimmung stellen wollen. „Um die dafür notwendigen Fristen einhalten zu können, müssten bis spätestens 7. Juni die Unterlagen vom Investor vollständig zugearbeitet werden“, so Dr. Andreas Heinrich. Für den Fall, dass die Beschlussvorlagen aus sachlichen und fachlichen Gründen von der Verwaltung – zum politisch geforderten Zeitpunkt – nicht freigegeben werden können, Rechtsunsicherheiten bestehen, erwarte der Bürgermeister für die von ihm geführte Verwaltung eine Haftungsfreistellung durch die Stadtverordneten.

Nach einem Abwägungs- und Auslegungsbeschluss würden die Öffentlichkeit und die Träger öffentlicher Belange im Anschluss erneut beteiligt, bevor in der SVV über ein Abwägungs- und Satzungsbeschluss abgestimmt werden kann. Fällt das Votum der Stadtverordneten positiv aus, habe der Landkreis anschließend bis zu drei Monate Zeit, um über den veränderten Flächennutzungsplan zu entscheiden. Erst wenn dieser vom Landkreis positiv beschieden wird, liege ein rechtsverbindlicher B-Plan vor.