Boitzenburger Land

Streit um Photovoltaik auf Äckern eskaliert

Boitzenburg / Lesedauer: 4 min

Eine zurückgezogene Einwohnerumfrage, ein Bürgerantrag, ein Bürgerbegehren – die Bürgerinitiative im Boitzenburger Land lässt nicht locker.
Veröffentlicht:03.07.2021, 15:07

Von:
  • Sigrid Werner
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Eigentlich sollte auf der Gemeindevertretersitzung im Boitzenburger Land in dieser Woche der Einwohnerantrag von Eileen Blum auf eine Einwohnerumfrage auf seine Zulässigkeit geprüft werden. Doch daraus wurde dann nichts. Auch die Prüfung auf Zulässigkeit des Bürgerantrags für ein Moratorium zu Genehmigungsverfahren für Photovoltaikanlagen auf Ackerland erfolgte nicht. Weil das Amtsblatt schon Redaktionsschluss gehabt habe, konnte die Veröffentlichung des Tagesordnungspunktes nicht mehr rechtzeitig erfolgen, so die Versammlungsleitung. Somit soll der Bürgerantrag nunmehr in der Septembersitzung der Gemeindevertreter behandelt werden.

++ Protest gegen Photovoltaik-Großprojekt ++

Schon in der Einwohnerfragestunde entspann sich ein sehr emotional geführter Disput zwischen potenziellen Befürwortern von Solar-Freiflächenanlagen im Boitzenburger Land auf der einen Seite und Gegnern von Photovoltaik auf Ackerflächen auf der anderen Seite. Die Diskussion gipfelte am Ende in öffentlich gemachten Gerüchten. Gegen solche Angriffe verwahrten sich der Bürgermeister und auch Gemeindevertreter Timo Mende. Frank Zimmermann wertete unbewiesene Unterstellungen als Rufmord und kündigte an, rechtlich gegen jene vorzugehen, die solche Dinge verbreiteten.

Argumente gesucht

Zuvor hatte Dr. Hermann Meemken, der ebenfalls Photovoltaikanlagen bei Haßleben entwickeln wollte, sich nach Argumenten erkundigt, die die grünen Kommunalpolitiker bewege, gegen PV-Anlagen auf Ackerflächen zu stimmen. Sandra Reichstein meinte, es sei nicht die Zeit, überhastete Entscheidungen zu treffen. Sondern es sollte abgewartet werden, bis feststehe, welche Konversionsflächen noch zur Verfügung stünden. Möglicherweise gebe es in fünf Jahren noch ganz andere Möglichkeiten, Photovoltaik zu etablieren, ohne dafür Ackerflächen zu opfern. Es gehe darum, Ackerflächen für die Nahrungsmittelproduktion zu bewahren.

Konflikt zwischen Energie- und Agrarwende

Werner Schulz sprach vom Konflikt zwischen Energie- und Agrarwende, für letztere werde sogar mehr Ackerfläche benötigt. Es kam zu einem Für und Wider zwischen den Gästen. Das hätte vermieden werden könne, wenn die Gemeindevertreter einer Anhörung zugestimmt hätten, so Werner Schulz.

15 öffentliche Sitzungen

Bürgermeister Frank Zimmermann erinnerte daran, dass das Bauvorhaben zu den Photovoltaikanlagen zwischen Wichmannsdorf, Kuhz und Haßelben in 15 Sitzungen öffentlich behandelt worden seien. Jetzt befinde man sich in der Entwurfsphase. Die Entwürfe seien jetzt öffentlich ausgelegt. Den Gemeindevertretern werde rechtzeitig vor der Gemeindevertretersitzung der Beschlussvorschlag zugänglich gemacht. Auch ein städtebaulicher Vertrag werde vorbereitet.

Verstoß gegen Kommunalverfassung

Werner Schulz aus Kuhz kritisierte die Verzögerungstaktik bei der Behandlung seines am 26. Mai 2021 eingebrachten Einwohnerantrages zum „Stopp der Bauleitplanung für Photovoltaikfreiflächenanlagen (PVFA) in der Gemeinde Boitzenburger Land“. „Laut Kommunalverfassung des Landes Brandenburg hätte in der nächsten öffentlichen Sitzung die Gemeindevertretung, also am 30. Juni 2021, über dessen Zulässigkeit entscheiden müssen“, fand Schulz. Er habe gegen diesen – aus seiner Sicht – Verstoß gegen die Kommunalverfassung eine Beschwerde bei der Kommunalaufsicht eingereicht, teilte er dem Uckermark Kurier mit.

Bürgerinitiative gegründet

Nicht zuletzt wegen des Umgangs der Gemeindevertreter mit den Protesten der Bürger habe sich zudem am 28. Juni eine 18 Mitglieder zählenden Bürgerinitiative „Keine Solaranlagen auf Ackerflächen“ gegründet, so Schulz. Ihr Ziel sei es, ein Bürgerbegehren und daraus resultierend einen Bügerentscheid auf den Weg zu bringen. Bürgerbegehren zu konkreten Bauleitplanungen sind nach der Kommunalverfassung nicht möglich. Deshalb sollen alle Bürger der Gemeinde grundsätzlich darüber befinden, ob sie Photovoltaik auf Acker befürworten oder nicht.

Antrag zurückgezogen

Eileen Blum zog vor diesem Hintergrund in Abstimmung mit der Bürgerinitiative ihren Einwohnerantrag zurück. Darin hatte sie eine Einwohnerumfrage unter den Bürgern von Wichmannsdorf, Kuhz und Haßleben zu PV-Anlagen verlangt. Die Einwohnerbeteiligungssatzung sieht indes Umfragen in der gesamten Gemeinde vor. Eileen Blum hatte nach eigenen Aussagen den Eindruck gewonnen, dass die Meinung der direkt Betroffenen offensichtlich als irrelevant betracht werde und die Gesamtheit der Gemeindevertreter ohnehin nur schwer zu erreichen sei.

Vorsitzender überrascht

Detlef Ebel, Vorsitzender der Gemeindevertretung, zeigte sich im Anschluss an die Sitzung verwundert über die Rücknahme des Antrags. Bei Abstimmung durch die Gemeindevertreter hätte inhaltlich der Bestätigung der Zulässigkeit des Antrags nichts im Wege gestanden. Allerdings als Umfrage für die ganze Gemeinde, da ja auch die ganze Gemeinde davon einnahmenseitig profitieren würde. Dass der Bürgerantrag zum Stopp der Bauleitplanungen nicht schon in der aktuellen Sitzung auf Zulässigkeit geprüft worden sei, begründete Ebel so: Man wollte nicht, dass eine fehlende, aber nach Hauptsatzung vorgeschriebene Veröffentlichung im Amtsblatt, der Gemeindevertretung später nachteilig ausgelegt würde, weil nicht für ausreichend Transparenz zum Tagesordnungspunkt gesorgt worden sei.