Jüdisches Leben

Theater an historischen Orten in Templin

Templin / Lesedauer: 3 min

Nicht auf einer Bühne, sondern mitten in Templin haben Jugendliche szenisch dargestellt, was jüdisches Leben in der Stadt ausgemacht hat.
Veröffentlicht:24.08.2021, 16:53
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Von:
  • Author ImageMichaela Kumkar
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Diese Aktion erregte Aufmerksamkeit: 20 junge Leute hatten am Markt Aufstellung genommen. In den Händen hielten sie weiße Zettel. Nachdem der Text darauf vorgelesen war, drehte sich einer nach dem anderen um, stand mit dem Rücken zu den Zuhörenden. So gestaltete sich der Auftakt zu einem besonderen Theaterprojekt. Jugendliche, die am Oberstufenzentrum Uckermark (OSZ) das Fachabitur ablegen, und eine Schülerin des Templiner Gymnasiums erinnerten mit diesen Szenen an jüdisches Leben in Templin. Diejenigen, die ihnen zusahen, wurden eingeladen, ihnen vom Markt aus an vier Orte zu folgen: Zunächst in die Pestalozzistraße zu dem Grundstück, auf dem sich bis 1944 die Mikwe, das jüdische Ritualbad, befand, dann weiter in die Berliner Straße in die St. Georgenkapelle und an den ehemaligen Ort der Synagoge, bis hin zum jüdischen Friedhof am Poetensteig.

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In einer Projektwoche hatten sich die Jugendlichen unter Anleitung der Theaterpädagoginnen Elisa Moser und Johanna Strass die jeweiligen Szenen erarbeitet, initiiert von der Templiner Nebenstelle der Kreisvolkshochschule Uckermark. Basierend auf Forschungsergebnissen, die Templiner Gymnasiasten seit 2007 gemeinsam mit ihrem Lehrer Holger Losch zusammengetragen und auf vielfältige Weise öffentlich gemacht haben: Seit 1320 lebten Juden in Templin. Die Synagoge wurde im März 1938 angezündet, der jüdische Friedhof 1951 völlig zerstört. In der Nazi-Zeit lebte in Templin nur noch die Familie Koeppen. Lediglich Franziska überlebte die Shoah.

Lob für engagiertes Projekt

Wie wichtig es sei, die Erinnerung daran wachzuhalten, betonte Annette Nitschmann, Templins stellvertretende Bürgermeisterin. „Es ist gut, dass ihr euch damit beschäftigt und das Thema in unsere Lebenswirklichkeit rückt“, sagte sie an die Adresse der jungen Leute gerichtet. Gleichermaßen dankte sie Religionslehrer Holger Losch für sein Engagement bei den Schülerprojekten, die in den vergangenen Jahren realisiert wurden. Gemeinsam mit Gymnasiasten aus Klassenstufe acht verfolgte er die Aufführung der Theaterszenen in der Innenstadt am vergangenen Freitag.

Szenen gemeinsam erarbeitet

Cathlyn Fischer, Schülerin am Oberstufenzentrum, bedeutete die Teilnahme an dem Projekt, sich zum ersten Mal mit jüdischem Leben in Templin auseinanderzusetzen. Gemeinsam mit drei Mitschülern hatte sie die Darstellung am ehemaligen Standort der Mikwe übernommen. Alle vier verband die Lust am klassischen Theaterspiel. „Wie weckt man die Vorstellungskraft für ein Gebäude, das es nicht mehr gibt? Das haben wir uns gefragt“, erklärte Cathlyn Fischer. „Also haben wir beschrieben, wie es früher aussah, aber natürlich nicht einfach so.“ Durch das Spiel der vier Schüler wurden alle Zusehenden quasi zu Zaungästen. Die Jugendlichen liefen an der Mauer entlang, die das Grundstück abgrenzt, schauten durch Gucklöcher in dem hölzernen Tor, erzählten, was sie „sehen“. Erst danach wurde das Tor geöffnet. Es gab Informationen zum einstigen Ritualbad.

Pädagoginnen sind begeistert

Theaterpädagogin Elisa Moser ist begeistert von der großen Offenheit, mit der sich Jugendlichen dem Thema gestellt haben. „Persönlich und emotional. So ist es in nur fünf Tagen gelegen, eine Aufführung auf die Beine zu stellen“, sagte sie auch im Namen ihrer Kollegin Johanna Strass. Die Teilnehmenden konnten Themen und Figuren für ihre szenische Arbeit selbst aussuchen und sich intim damit auseinandersetzen. „Wir haben sie darin unterstützt, wie man Rechercheergebnisse zu den jeweiligen Orten in ein spielerisches Format bringen kann und ihnen dazu methodische Tipps gegeben“, erklärte Elisa Moser. „Von dem Ergebnis waren wir beeindruckt.“