Hilfstransporter
Uckermärker unterstützen 15 ukrainische Familien
Lychen / Lesedauer: 5 min

Sigrid Werner
Ein Hilfstransport des Vereins „Medizinische Hilfe für die Ukraine e.V.“ ist aus der Ukraine zurück. Vereinsvorsitzender Jürgen Baron und das neue Vereinsmitglied Alex Walde haben Hilfsgüter für 15 Familien mit behinderten Kindern in die Stadt Lutzk gebracht. Der Templiner Vereinsvorsitzende hatte seit den 1990er Jahren schon mehrfach mit Pkw und Anhänger Hilfstransporte für Bedürftige in Osteuropa, Weißrussland, Rumänien, Bosnien und Kroatien, begleitet. Ab 1996 unterstützte er zudem privat, dann auch mit Unterstützung der Johanniter ein städtisches Krankenhaus in der ukrainischen Stadt Lutzk. Als die Aktionen größer wurden, knüpften die Uckermärker Kontakte zur Organisation „Das besondere Kind“ in Lutzk und gründeten selbst den Verein Medizinische Hilfe für die Ukraine e.V. Seither bringt ihr Verein vor allem Hilfsgüter, Reha-Technik und medizinisches Material, zu behinderten Kindern und deren Familien in die Ukraine. Zudem organisierten Mitglieder weitergehende Behandlungen in Deutschland für besonders schwer gezeichnete Kinder aus dem ukrainischen Partnerverein "Das besondere Kind“. Heute zählt der Medizinische Hilfe für die Ukraine e.V. aus der Uckermark acht Mitglieder.
Fahrt in die Kriegsregion
Die Situation in der Ukraine sei schon bei der letzten Fahrt 2018 von politischer und wirtschaftlicher Zerrissenheit und den Folgen der Annexion der Krim gekennzeichnet gewesen. Corona und dann der Überfall Russlands auf die Ukraine hatten die Hilfstransporte zunächst ausgebremst. Dennoch entschlossen sich die Mitglieder in diesem Jahr nach langen Überlegungen, sich wieder auf den Weg in das inzwischen auch vom Krieg gepeinigte Land zu machen und Hilfe persönlich zu übergeben. Der Krieg konzentriere sich zwar meistens auf den Osten, aber auch die Region Lutzk war schon mit Raketen angegriffen worden. „Dennoch war es die richtige Entscheidung, den Menschen dort und speziell von uns betreuten Familien zu vermitteln, dass sie nicht allein sind in ihrer Situation und weiterhin mit Hilfe und Unterstützung durch uns rechnen können“, sagt Jürgen Baron nach der Rückkehr. Gern gab er ein paar Einblicke von dem Erlebten der siebentätigen Reise.
Ausgangssperre und Luftalarm
„Wie immer erreichten wir in der Nacht die ukrainische Grenze und legten den letzten Wegeabschnitt bis zur Stadt Lutzk in fast völliger Dunkelheit der Ortschaften zurück“, berichtete er. Hinweisschilder zu anderen Orten waren demontiert. „Den Russen soll auch der Überfall dieser Region so schwer wie möglich gemacht werden“, klärt er auf. „Die schlecht sichtbaren Checkpoints von Polizei und Armee ließen uns ohne Kontrolle passieren, man war eher auf Suche nach jungen Männern, die sich dem Wehrdienst entziehen wollen“, so Baron. Gerade noch rechtzeitig erreichten die Uckermärker ihr Hotel, denn von 24 Uhr bis 5 Uhr besteht in der Ukraine eine Ausgangssperre. Die sonst auch nachts pulsierende Stadt Lutzk erfahre derzeit eine seltsam anmutende Ruhe. Ansonsten gingen die Bewohner ihrem Alltag nach. „Interessant für uns war die Erfahrung eines abendlichen Luftalarms. Keiner ließ sich aus der Ruhe bringen, alle reagierten gelassen aber konzentriert.“

Soldatengräber auf Friedhöfen
„Die auf den Friedhöfen wachsenden Gräber beigesetzter Soldaten, geschmückt mit ukrainischen Flaggen, vermitteln allerdings einen drastischen Eindruck der derzeitigen Situation. Noch blieb uns der Anblick kriegsverstümmelter junger Männer auf den Straßen verborgen. Wir erfuhren aber von einer Krankenschwester, dass viele von der Front Zurückgekehrte derzeit die Krankenhäuser füllen“, berichtete Baron.
Schicksale von Familien
Die Uckermärker besuchten unter anderem Olga Scholomowitsch. Sie ist 75 Jahre alt und hat 40 Jahre ihre schwerstkranke, stetig im Bett liegende Tochter gepflegt. Bedingt dadurch bekommt sie derzeit nur eine kleine Rente in Höhe von etwa 50 Euro monatlich. In der Familie Stepanow musste die Mutter ihren Job als Köchin aufgeben, um ihrer kranken Tochter beizustehen, die durch die Luftalarme unter Angstzuständen leidet. Bei Familie Lytwin kümmern sich Mutter und Großmutter um die psychisch kranke Tochter Ilona. Frau Lytwin ist Krankenschwester in einer Poliklinik und hilft aktiv bei der Versorgung ukrainischer Soldaten mit aus dem Dorf bereitgestellten Lebensmitteln. Wenn die westukrainische Stadt Lwiw beschossen wird, sehen die Bewohner der Region Lutzk Raketen über ihr Dorf fliegen.
Selbstversorgung aus eigenen Gärten
„Nach wie vor wird die Existenz der Ukrainer meist durch Selbstversorgung von eigenen landwirtschaftlichen Flächen gesichert. Wer in der Stadt lebt und keine Beziehungen zu Verwandten oder Freunden in ländlichen Regionen hat, ist im wahrsten Sinne des Wortes arm dran“, erzählt Jürgen Baron. Die etwa 100 Euro Monatslohn für den Normalverdiener oder 50 Euro Rente reichten dann nicht einmal für das Notwendigste.
Bedürftigkeit wächst
So war es für die Uckermärker kaum ein Trost, dass sie wenigstens 15 Familien in Lutzk und umliegenden Dörfern mit dem Wichtigsten helfen konnten. Baron befürchtet, dass die Bedürftigkeit derer, die ihr Land nicht verlassen wollen oder können, ansteigen werde. Resignation sei dennoch kaum zu spüren gewesen. In den Dörfern werde großzügig Geerntetes für die Soldaten an der Front gesammelt. „Ein Familienvater hatte bei unserem Besuch gerade Fronturlaub, ein anderer seine Familie schon ein Jahr nicht besuchen können“, berichtete er.
Verein sucht Paten
„Immer wieder kamen unsere Gespräche mit den Menschen auf die Frage zur Zukunft ihres Landes. Nach dem hoffentlich bald zu Ende gehenden Krieg wird die Ukraine eine andere sein. Sie ohne Beistand und weitere Unterstützung an der langen Grenze zu Russland zurückzulassen, wäre politisch und wirtschaftlich eine fatale Fehlentscheidung. Wir haben beschlossen, zumindest im Zusammenhang mit den von uns betreuten Familien unseren Beitrag, so lange es geht, zu leisten“, so Jürgen Baron. Um die Unterstützung nachhaltiger zu gestalten, gehe man zunehmend zu Patenschaften über. Wer den Verein mit Spenden unterstützen und ein Patenschaft übernehmen wolle, kann sich auf der Internetseite www.das-besondere-Kind.de näher informieren.