Handwerk

Uckermärker Bäcker schütteln den Kopf über Wirtschaftsminister Habeck

Templin / Lesedauer: 5 min

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck gilt als rhetorisch begabt. Doch welche Lösung er für Bäcker im Auge hat, das raubt diesen den Schlaf.
Veröffentlicht:09.09.2022, 19:01

Von:
  • Author ImageSigrid Werner
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Bäckermeister Thomas Kolberg aus Templin, Obermeister der Bäckerinnung in der Uckermark, verfolgt in diesen Zeiten die aktuellen Nachrichten intensiv. Schließlich betrifft das, was die Politik jeden Tag wie eine Feuerwehr aufs Neue entscheidet, seine Backstube und die der Kollegen ganz direkt. So sah er, wie Wirtschaftsminister Robert Habeck (B90/Grüne) sich in der Talkshow mit Sandra Maischberger an die Bäckerzunft erinnerte. „Das hat mich sprachlos gemacht, ich konnte die ganze Nacht nicht schlafen, wie ein Minister solch einen geistigen Schwachsinn von sich geben kann“, macht er seinem Unmut Luft. Er frage sich, ob der Wirtschaftsminister überhaupt Ahnung von Wirtschaft habe. Er wisse schon von drei Bäckereien in der Region, die in der jüngsten Zeit schließen mussten oder demnächst schließen wollen.

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„Kleine Betriebe, die noch auf fossile Brennstoffe oder auch auf Elektroöfen angewiesen seinen, können diese andauernden Preissteigerungen auf Dauer nicht überleben“, ist er überzeugt. Nicht der Unwille zum Wandel des Handwerks, sondern der Staat habe das Handwerk mit seiner Wirtschaftspolitik in existenzielle Schwierigkeiten gebracht. Er sei gegen Krieg, gegen Putin und Diktatur. „Ich bin dafür, den Flüchtlingen zu helfen. Schließlich war ich selbst einmal einer und mir haben damals ausgerechnet junge Ukrainer geholfen“, sagt er. „Aber ich bin gegen Sanktionen, die der Staat verantwortet, und uns dann damit im Regen stehen lässt. Was hilft es, wenn wir wirtschaftlich nicht pleite sind, aber auch nicht mehr am Leben?“, fragt er. Wenn er nicht seinen Sohn überredet hätte, das Geschäft weiterzuführen, dann wäre jetzt die Zeit gekommen, seine Bäckerstube zu schließen. Es gebe Berufskollegen, die keinen Nachfolger haben, und ihr Geschäft geregelt auflösen, bevor sie in Insolvenz gehen und auch noch ihr Erspartes verlören. Das habe wohl Habeck auch gemeint. Aber könne es das Ziel eines Wirtschaftsministers sein, das Handwerk abzuwickeln?

„Ich stehe jetzt 40 Jahre in der Backstube, ich möchte nicht derjenige sein, der in vierter Generation nach 122 Jahren diese Familientradition beerdigt“, sagte er. Andersherum traue er es sich kaum, seinen Kunden zuzumuten, das für Brot und Brötchen auf den Tisch legen zu müssen, was es tatsächlich koste. „Dabei habe ich schon in Photovoltaik auf dem Dach, in Elektrofahrzeuge und moderne Gasöfen investiert“, berichtet er. Auf letztere sei er angewiesen, weil die Öfen derzeit mit keinem anderen Heizmedium mit solcher Effizienz zu fahren seien. Früher habe er 900 Euro monatlich für Gas ausgegeben. Bis zum Jahresende schlagen 1600 Euro zu Buche, die Gasumlage von um die 650 Euro komme noch drauf. Der Strompreis soll sich 2023 möglicherweise verdreifachen.

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Es sei abzusehen, dass er demnächst allein für Gas und Strom 10.000 Euro im Monat aufbringen muss. Dazu die steigenden Rohstoffpreise und Mindestlöhne für bis zu 23 Mitarbeiter in Backstube und Café. Wer könne für ein Brot sieben Euro bezahlen? Die Politik der EU und in Deutschland hätten eine Preisspirale mit verheerenden Auswirkungen in Gang gesetzt. Auch Großkunden der Handwerksbetriebe brechen gerade weg. „Wenn wir Handwerksbetriebe schließen, wie es Habeck in Betracht zieht, dann kommen wir nicht wieder“, so Kolberg. „Dann sind nicht nur die Kunden weg, sondern auch unsere Leute, die sich andere Jobs suchen (müssen). Siehe Gastronomie.“

Und wenn die Konkurrenz der Qualitätsarbeit des Handwerkes fehle, dann dürften auch die ach so günstigen Supermarktpreise für Tiefkühlware steigen. Die einzige Chance, diese Spirale zu durchbrechen, sieht Kolberg darin, dass die Politik aus ihrer Trotzecke herauskomme und endlich wieder verhandelt und dafür kämpft, dass der Krieg aufhört. „Aber ich bin ja nur ein kleiner Handwerksmeister, so der 58-Jährige.

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Den Inhabern der kleinen Landbäckerei Börner aus Schmölln hat es die Sprache verschlagen. Viola Lüdtke, die Urenkelin von Firmengründer Eduard Börner weiß nicht, was sie zum Kommentar des Wirtschaftsministers Robert Habeck sagen soll. „Mir fehlen die Worte. Ich kann nur noch den Kopf schütteln. Das gesamte Handwerk, nicht nur wir Bäcker, werden von der Politik nicht wahrgenommen und übersehen. Mit unseren Sorgen und Ängsten stehen wir allein da. Die steigenden Energiepreise haben uns keine andere Wahl gelassen, wir haben nach unserem Sommerurlaub die Preise für unsere Waren ein wenig erhöhen müssen. Unser Verkaufsauto fährt nicht von selbst“, klagte Viola Lüdtke.

Der seit vielen Generationen bestehende Familienbetrieb denkt trotz aller Schwierigkeiten nicht ans auf Geben. „Mein Sohn Alexander backt mit so großer Leidenschaft unser Brot. Er liebt es neue Sachen auszuprobieren und ist sehr begabt. Auch unsere Konditorin versteht ihr Handwerk hervorragend. Wir haben ein tolles Team, auf das wir uns verlassen können. Wir versuchen immer, dass unser Sortiment für unsere Kunden bezahlbar bleibt“, erklärt die Bäckerin. Die verkürzten Öffnungszeiten bestehen weiterhin, es gibt jedoch einen Lichtblick, lies die Chefin wissen: „Wir haben große Hoffnung, dass wir ab Oktober Verstärkung bekommen. Im Moment sieht es ganz gut aus. Das freut mich wirklich sehr. Wir arbeiten 14 bis 15 Stunden am Tag und brauchen dringend Entlastung.“