Künstlerin in Coronazeit

Uckermärker Tänzerin geht neue Wege

Templin / Lesedauer: 5 min

Wie geht es Soloselbstständigen in der Coronazeit? Künstlerinnen stehen oft ohne Auftritte da. Gut, wenn sie dann nicht nur auf einem Bein stehen.
Veröffentlicht:25.07.2020, 09:57
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Von:
  • Author ImageSigrid Werner
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Wer tanzt, braucht einen langen Atem. Profi-Bühnentänzer wie Yeri Anarika, die sich dem zeitgenössischen Tanz verschrieben hat, derzeit ganz besonders. Das Tanzen gehörte in Lockdown-Zeiten zu jenen Tätigkeiten, die wegen der Infektionsrisiken besonders lange tabu waren. Bühnentanz, Produktionen, Aufführungen und Tanzunterricht fielen aus. Erst seit einem Monat ist es in Deutschland und einigen europäischen Städten wieder möglich, Unterricht in sehr kleinen Gruppen und mit viel Abstand zu erteilen, was in ihrer Kunst und wie sie unterrichtet wird, nicht einfach ist. Festivals und Aufführungen wurden 2020 größtenteils abgesagt. „Wir haben Glück, dass in Deutschland neue Formate generiert werden, um Tanzperformances zeigen zu können, aber mit Distanz!” In Mexiko werde noch bis ins Jahr 2021 nichts gehen. Und eine Ende von Corona ist nicht in Sicht.

Mehrere Standbeine nötig

„Als freischaffende Künstlerin ist es gut, möglichst breit aufgestellt zu sein”, erzählt sie freimütig. Doch Corona sei noch einmal eine andere Nummer, sagt die Frau, die in Mexiko geboren wurde und seit langem in Berlin und der Uckermark lebt. „Ich muss jetzt auch den zweiten Fuß nehmen”, sagt sie verschmitzt, „um in dieser Situation weiter arbeiten, denken und die Zeit gestalten zu können”, so die Choreografin und Tänzerin, die sonst weltweit mit verschiedenen Tanzkompanien, internationalen Workshops und Soloprojekten unterwegs, und auch in der Uckermark keine Unbekannte ist. Seit 10 Jahren leitet sie den UMtanz e.V., der in der Uckermark und Berlin Projekte im Rahmen der kulturellen Bildung realisiert.

Zeit für Kreativität

Die Coronakrise sei für sie eine sehr schwere, aber extrem kreative Zeit, versucht sie Gutes in dieser Phase der künstlerischen „Freiheit” zu sehen. Leider frei von gesichertem Einkommen. Aber auch eben frei in der Möglichkeit, sich mit künftigen Projekten intensiver zu beschäftigen.

„Uckermark ist lebenswert”

„Der Lockdown und die Absage aller meine Projekte in Berlin, Dresden, Mexiko und Frankreich haben mir und übrigens auch anderen Künstlerkollegen vor Augen geführt, wie schön eigentlich die Uckermark durchgehend zum Leben ist”, sagt die Frau, die ihren Lebensmittelpunkt immer mehr inmitten der Felder, Wiesen, Wälder und Seen zwischen Templin und Mittenwalde sieht.

Yogakurse als Alternative

Als Yogalehrerin habe sie schon seit 2010 in der Uckermark Kurse gegeben. Anfangs waren es vornehmlich Menschen aus dem medizinischen Bereich, die die dynamische Art des Flow-Yoga der Tanzlehrerin zu schätzen wussten. Inzwischen wird der Kreis derer, die sich zu ihren Terminen im Freien einfinden, immer größer. Seit drei Sommern bietet sie feste Termine, sonnabends um 8, sonntags um 9 Uhr auf der Wiese am Lübbesee an. Neuerdings kann man sich unter ihrer Anleitung auch dienstags um 18 Uhr vor den neuen Fitnessterrassen am Bürgergarten der geheimnisvollen Kraft des Yoga hingeben. Auch in Gerswalde um 11.30 Uhr an der Wasserburg würde sie sonntags gern ein solches Angebot etablieren.

Workshops für Paare in Körperarbeit

„Ich habe angefangen, neurowissenschaftliche Ansätze, Elemente der Shiatsu-Massage und des Tanzes in die Yogapraxis zu implementieren”, erzählt sie. Sehr bald wolle sie zusätzlich Workshops organisieren, bei denen sie Paaren und Müttern oder Vätern mit Kindern eine neue Körperwahrnehmung und neues Zusammengehörigkeitsgefühl vermitteln. Sie lädt dazu ein, sich beim Yoga am Bürgergarten auf die Körper zu zweit einzulassen und zugleich die herrliche Natur zu erleben. Rauskommen aus der Enge, wieder mehr Vertrauen wagen – das könnte helfen, schwierige Lebenssituationen wie jetzt entspannter zu meistern. Gerade Corona zeige doch, wie wichtig es sei, Wege zu finden, „uns 'gesund' und mit unserem eigenen Körper verbunden zu halten.”

Kunstprojekte auf dem Lande

Überhaupt ist die Mutter zweier Söhne auf der Suche nach weiteren Betätigungsfeldern, fern vom Veranstaltungsstress der Hauptstadt. „Schaue ich auf die noch ungenutzte Hyparschale kommen mir gleich Ideen zu künstlerischen Angeboten für Jung und Alt”, erzählt sie. Generationenübergreifend und für Menschen mit Handicap geeignet. Allein wird die Profitänzerin das natürlich nicht entwickeln können. Die auftrittsfreie Zeit wolle sie deshalb nutzen, dafür Partner und Förderer zu finden, mit der Stadt ins Gespräch zu kommen. „Ich kann auf ein großes Netzwerk meines Tanz-Bundesverbandes und andere Künstler und Organisatoren zurückgreifen, regional wie international”, sagt sie. Beim Multikulturellen Centrum sei sie schon auf offene Ohren gestoßen.

Performance „Monsanto” in Arbeit

Doch bei allem Idealismus und der Freude an Neuem: Irgend wovon muss Yeri Anarika auch leben und ihre künstlerische Karriere fortsetzen. Da ist sie froh über Sonderprogramme zur Förderung von Künstlern im ländlichen Raum. Der Fonds Darstellende Kunst fördere ländliche Kunstproduktionen und internationale Zusammenarbeit. Gerade arbeite sie mit dem spanischen Tänzer Juan Tirado und der Cellistin Isa Rau vom Quillo-Ensemble an einer professionellen Performance, die den aufreizenden Titel „Monsanto” trägt und eine Auseinandersetzung mit modernen Technologien und dem Umgang mit Umwelt und Natur sein soll. Wenn alles klappe, könnte diese Perfomance im September im Freien gezeigt werden. Ob Yeri Anarika die Förderung erhält, weiß sie noch nicht.