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Verfassungsschützer ermutigt Rutenberger Bürgerinitiative

Lychen / Lesedauer: 4 min

Über seine Erfahrungen mit dem „Königreich Deutschland“ sprach Christian Pfennig vom Verfassungsschutz in der Stadtverordnetenversammlung Lychen.
Veröffentlicht:02.04.2023, 10:30

Von:
  • Horst Skoupy
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Die Rutenberger und Lychener müssen damit rechnen, dass sie sich möglicherweise über einen längeren Zeitraum mit der Ideologie des sogenannten „Königreichs Deutschland“ (KRD), die in Rutenberg um sich greift, herumschlagen müssen. Mit dieser Annahme konfrontierte Verfassungsschützer Christian Pfennig Einwohner Lychens und seiner Ortsteile wie auch politische Vertreter der Stadt. Erklärte Anhänger des KRD sind in Rutenberg tätig, was zum Protest von Einwohnern und zuletzt zur Bildung einer Bürgerinitiative „DemokratieBündnis Rutenberg“ geführt hat, der Uckermark Kurier berichtete. Auf der jüngsten Stadtverordnetenversammlung informierte der Experte für Reichsbürger beim Verfassungsschutz des Landes Brandenburg über die Organisation, die Pfennig als „extrem demokratiefeindlich“ charakterisierte.

Fall für Verfassungsschützer

Nicht, weil sie, wie etwa Rechtsextremisten, gewaltbereit seien. Das Vorgehen der KRD-Anhänger sei viel subtiler. Sie geben sich friedlich und volksverbunden. Dabei würden sie versuchen, mit zum Teil kostenpflichtigen Veranstaltungen über Themen wie Selbstversorgung oder ökologische Land- und Gartenwirtschaft Menschen für ihre Ideen zu gewinnen. Doch genau das sei das Perfide. Sämtliche Aktivitäten laufen auf ein Ziel hinaus: Die Bildung eines Königreichs Deutschland. „Wenn sich eine Gruppierung selber sagt, sie gründet jetzt ihren eigenen Staat, dann erkennen sie die Bundesrepublik Deutschland nicht an, und dann ist es Aufgabe des Verfassungsschutzes, die Bevölkerung davor zu warnen“, sagte Christian Pfennig.

Seit 14 Jahren aktiv

Dass es sich beim KRD bestenfalls um eine vorübergehende Erscheinung handeln könnte, diese Hoffnung nahm der Verfassungsschützer den Anwesenden. So berichtete er von einer Vorläuferorganisation des KRD, die unter dem Namen „Neu Deutschland“, die bereits 2009 in Erscheinung trat und als Ziele eine eigene Verfassung, einen eigenen Staatsaufbau sowie ein eigenes Steuerrecht propagierte.

In einer Art „Proklamation“ hieß es damals: „Stellen Sie sich vor, die Deutschen würden einen aufrichtigen und dem Volk verpflichteten Kaiser wählen und dieser hätte mindestens die gleichen Visionen, das entsprechende Wissen und die Tatkraft von Peter Fitzek.“ Damit sei besonders auffällig, dass schon beim Vorläufer des KRD alles auf die Person von Peter Fitzek zugeschnitten ist. Der gelernte Koch und Karatelehrer sei einer der führenden Aktivisten in der Reichsbürgerszene. Am 12. September 2012 proklamierte er mit seinen Anhängern im sachsen–anhaltinischen Wittenberg das „Königreich Deutschland“ und ließ sich zum „König“ krönen.

Auf Expansionskurs

Wie die Rutenberger und Lychener feststellen mussten, befindet sich das KRD ganz klar auf Expansionskurs, um sein Einflussgebiet zu erweitern. Im Fall der „Villa Bogensee“ in Wandlitz sei der Versuch, die Immobilie über Fitzeks Gewährsmann Dirk Schneider zu erwerben, misslungen. In Sachsen habe die Organisation allerdings zwei Schlösser kaufen können.

Als extrem verfassungsfeindlich kennzeichnete Christian Pfennig vom Referat Reichsbürger beim Verfassungsschutz des Landes Brandenburg auf der Stadtverordnetenversammlung Lychen die Organisation des Königreichs Deutschland. (Foto: Horst Skoupy)

„Es ist keine Geheimnis mehr, dass es eine ähnliche Expansionsbestrebung in dem Lychener Ortsteil Rutenberg gibt. Die Naturscheune beziehungsweise Rutenberger Scheune ist durch einen Aktivisten des ,Königreichs Deutschland’ erworben worden, der gleichzeitig auch Vorsitzender der örtlichen Genossenschaft ,Am Eichenhof’ ist. Die große Sorge, die wir haben, ist, dass die Ländereien, die dazugehören, dafür genutzt werden sollen, auch ins ,Königreich Deutschland’ überführt werden“, berichtete Christian Pfennig. Mit der Naturscheune werden ein eigenes „Wald Garten Bau“-Projekt, die Naturscheune selbst auf einer eigenen Internetseite als „Staatsbetrieb des KRD“ bezeichnet. Ziel sei eine autarke Versorgung mit Lebensmitteln.

Hürden des Gesetzes

Für Katrin Köhler (CDU) ist es unklar, wie eine Organisation, die die Bundesrepublik nicht anerkennt, ihren eigenen Staat gründen will, sich eine eigene Verfassung gibt und wegen genau dieser Aktivitäten der Verfassungsschutz sie in Visier genommen hat, nicht einfach verboten werden kann. „Weil in Deutschland auch Extremisten Rechte haben“, sagte der Verfassungsschützer dazu. Die gesetzmäßigen Hürden für Verbote von Organisationen seien in Deutschland sehr hoch. Dazu gehöre unter anderem die Gewaltbereitschaft. Die sei beim KRD momentan eben einfach nicht gegeben.

Politik der Nadelstiche

Ihnen einfach das Feld überlassen müsse man aber dennoch nicht. „Der Hebel, den man ansetzen könnte, um denen das Leben schwer zu machen, ist konsequentes Behördenhandeln — wie bei allen Reichsbürgern“, so Pfennig. Das Drängen bei Eltern auf die Einhaltung der Schulpflicht für ihre Kinder, die Einhaltung von Baugesetzen, der Meldepflicht, Ermittlungen des Finanzamtes bis hin zu Razzien, die gerade erst an drei Standorten des KRD stattgefunden haben.

Nicht zuletzt konnte er aus seiner Arbeit bestätigen, dass auch bürgerschaftliches Engagement dabei hilft, Aktivitäten des KRD einzudämmen. In dieser Beziehung seien Lychen und Rutenberg mit dem „DemokratieBündnis Rutenberg“ auf einem guten Weg. „Wenn man sich die Berichterstattung in den vergangenen Wochen anschaut, kommt Brandenburg und Lychen immer als Paradebeispiel, wie man damit umgeht“, sagte er.