Interview

Was es mit dem „Königreich Deutschland“ in Lychen auf sich hat

Lychen / Lesedauer: 4 min

Von den Anhängern des „Königreichs Deutschland“ in Lychen–Rutenberg geht keine physische Gefahr aus. Ungefährlich sind sie dennoch nicht.
Veröffentlicht:25.03.2023, 17:07

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Kurz nach 19 Uhr drängten am Donnerstagabend immer noch Gäste ins „Alte Kino‟ Lychen. Betreiber Helge Hoefs musste eilends noch zusätzliche Stühle in den Zuschauerraum tragen, bevor die fünfte Runde des Talk–Formats „Zwischen Menschen‟ losgehen konnte.

Thema bewegt viele Menschen

Das rege Besucherinteresse hatte seinen Grund. Schließlich ging es mit den Bestrebungen des „Königreichs Deutschland‟ im Lychener Ortsteil Rutenberg um ein Thema, das viele Menschen in dem Ort, in der Stadt und darüber hinaus voller Sorge bewegt und beschäftigt. So sehr, dass Einwohner und mit ihnen eine Reihe Unterstützer sich zu einer Bürgerinitiative „DemokratieBündnis Rutenberg‟ zusammenschlossen, die den Reichsbürgern ähnlichen Tendenzen etwas entgegensetzen möchte.

Mit Ines Lehmann–Günther hatte an dem Abend die Sprecherin der Bürgerinitiative gegenüber ihrem Gesprächspartner Matthias Kluckert Platz genommen.

Der Journalist gab ihr zunächst Gelegenheit, die Vorgänge in Rutenberg einzuordnen. Angefangen von den ersten Siedlern, die sich schon vor Jahren Aussteigern ähnlich in dem Ort niederließen und in einer Genossenschaft auf einer Fläche von rund 44 Hektar Landwirtschaft betrieben. Dagegen sei zunächst auch nichts einzuwenden gewesen.

„Die Welt ist bunt, die Lebensentwürfe der Menschen sind bunt“, sagte Ines Lehmann–Günther. Allerdings gab es schon damals Verbindungen zur sogenannten Anastasia–Bewegung, die mit antisemitischen Bezügen ins Visier von Verfassungsschützern geraten ist. „Es zeigte sich aber schon bald, dass es Bestrebungen gab, sich gegen die Werte unserer Gesellschaft zu stellen beziehungsweise andere Werte in den Vordergrund zu stellen“, rekapitulierte sie. Nachbarschaftlicher Streit, Verstöße gegen die Schulpflicht von Kindern oder das Baurecht nannte sie als Beispiele.

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Selbsternannter König

Mit dem persönlichen Auftauchen von Peter Fitzek, dem selbst ernannten König seines „Königreiches Deutschland“, hätten die Entwicklungen indes eine neue Qualität bekommen, so die Sprecherin. Nach dessen Philosophie sei die Bildung sogenannter „Gemeinwohldörfer“ erklärtes Ziel, das Königreich habe sich eine eigene Verfassung gegeben, bilde ein eigenes geschlossenes Wirtschaftssystem mit eigener Bank und „Engels–Mark“ oder „E–Mark“ als eigener Währung heraus. Nicht zuletzt wolle man mit den „Gemeinwohldörfern“ aus dem Staatsgebiet der Bundesrepublik Deutschland „aussteigen“.

„Sind die Anhänger des ,Königreichs Deutschland’ gefährlich“, wollte Matthias Kluckert von seiner Gesprächspartnerin wissen. Nicht im Sinne von körperlicher Gewalt, wagte Ines Lehmann–Günther zu bezweifeln. Viel mehr bestehe die Gefahr einer Indoktrinierung. Tatsächlich ließ sich nur schwer abschätzen, wie weit die Entwicklung Rutenbergs zum „Gemeinwohldorf“ schon fortgeschritten ist. Ihrem Eindruck zufolge seien die Anhänger des „Königreichs“ momentan noch mit sich selbst beschäftigt. Doch die Gefahr sei latent. So habe die Bürgerinitiative von Geldproblemen der Genossenschaft erfahren. Geldprobleme, die Peter Fitzek lösen könnte, womit das „Königreich“ zu Grund und Boden in Rutenberg käme. Dazu kommt, dass gerade Grundstückskäufe und -verkäufe des Königreichs oft nur schwer zu erkennen sind. Peter Fitzek trete nie selbst als Käufer auf, sondern wickle solche Geschäfte über Mittelsmänner ab. Nicht zuletzt gebe es „genügend verstrahlte Leute, die meinen, mit ihrem Geld etwas Gutes zu tun und dabei nicht merken, dass sie in eine Art Sekte hineingezogen werden“, sagte sie.

Dorf soll aus Gemeinschaft gelöst werden

„Was würde Rutenberg denn drohen?“, fragte Matthias Kluckert nach. „Dass die Idee eines Gemeinwohldorfes weiter umgesetzt wird. Das heißt, dass immer mehr Leute zuziehen, die Teile des Dorfes als nicht zur Bundesrepublik Deutschland zugehörig verstehen, die unsere Gesetze nicht achten, weil im Königreich andere Rechte gelten, und letztlich ein autonomes Wirtschaftsgebiet geschaffen wird, dass hineinstrahlt in das Dorf. Das erklärte Ziel ist es, ein ganzes Dorf zu übernehmen, es herauszulösen aus unserer Gemeinschaft. Und diejenigen, die jetzt dort wohnen und sich zu unseren freiheitlichen Werten bekennen, hätten dort keinen Platz mehr“, befürchtete sie.

Wichtigstes Ziel der Bürgerinitiative, der rund 40 Aktive aus dem Dorf, der Stadt Lychen und bürgerschaftlich engagierter Personen angehören, ist es, die Übernahme des Dorfes durch die Anhänger des „Königreichs Deutschland“ zu verhindern. Zugleich wolle die Initiative nach außen hin das klare Bild vermitteln, dass es in Rutenberg eine Gemeinschaft gibt, die an den demokratischen Grundwerten der Bundesrepublik festhält. Von den Behörden in der Stadt, im Kreis, im Land und im Bund erwartet Ines Lehmann–Günther, dass jede in ihrem Bereich ihren Aufgaben gerecht wird, und den Staat schützt beziehungsweise die Einhaltung seiner Gesetze durchsetzt.