Laufende Ermittlungen

Welche Fehde ist im Gange im Robert–Schulz–Ring?

Prenzlau / Lesedauer: 6 min

Junge Männer mit Baseballschlägern, die in Gruppen umherziehen und versuchen, Wohnungstüren einzutreten, das kannte man bislang eher in Großstädten. Videos, aufgenommen in Prenzlau, zeigen verstörende Bilder.
Veröffentlicht:07.03.2023, 13:00

Von:
  • Oliver Hauck
Artikel teilen:

Am Donnerstagabend gegen 22.30 Uhr versuchte eine Gruppe von circa zehn jungen Männern gewaltsam in eine Wohnung im Prenzlauer Wohngebiet Robert–Schulz–Ring einzudringen, der Uckermark Kurier berichtete. Ein Video, das in sozialen Medien kursiert, zeigt verstörende Bilder: Die jungen Leute versammeln sich zunächst vor dem Wohnblock und schauen hinauf zu einer der oberen Etagen. Dann nähern sich einige von ihnen der Hauseingangstür, ein dumpfer Schlag ist zu hören. Der Rest der Gruppe betritt das Haus und kurz darauf ertönen regelmäßige, dumpfe Schläge, wie von Fußtritten gegen eine Wohnungstür. Als nächstes sind Stimmen zu hören, wenig später Getrampel im Treppenhaus, die Gruppe erscheint wieder auf der Straße vor dem Haus. Dann sind die Worte „H.rensöhne“, „Sch..ßnaz.s“ und „Kommt raus!“ aus der Gruppe heraus zu hören. Ein ausländischer Akzent ist vernehmbar. Anschließend prasseln Geschosse, offensichtlich Flaschen und Geschirr, auf die Männer nieder, auch ein parkendes Auto wird davon getroffen. Die Männer entfernen sich aus dem Blickfeld der Kamera, manche von ihnen gemächlich, andere fluchtartig.

Ausschnitt aus dem anonymen Video, das zeigt, wie ein Mann mit Baseballschläger versucht, eine Wohnungstür einzutreten. (Foto: privat)

Laut offizieller Meldung der Kriminalpolizei vom 3. März „zerschlug einer der noch Unbekannten auch noch das Rücklicht eines Skodas“. Man ermittle, heißt es weiter, „wer die Männer gewesen sind und welche Motivation sie für ihr Tun hatten.“

Ein weiteres Video, das der Redaktion zugespielt wurde, zeigt einen Hausflur und mehrere Männer. Einer von ihnen versucht, eine Wohnungstür einzutreten, das Holz am Türschloss splittert, doch die Tür hält. In der rechten Hand hält er einen Baseballschläger. Bei der Wucht der Fußtritte ist anzunehmen, dass die Tür von innen verbarrikadiert wurde. Das Video muss offensichtlich aus der Tätergruppe heraus aufgenommen worden sein.

Nachbarn zeigen sich verängstigt

Die Spurensuche des Uckermark Kurier am vergangenen Freitag vor Ort ergab, dass sich in der besagten Wohnung zum Zeitpunkt des Angriffs mehrere Männer aufgehalten hatten und die beiden Gruppen sich gegenseitig kennen. Was die ungebetenen Besucher an diesem Abend in der Wohnung im Robert–Schulz–Ring wollten und was in der Vergangenheit zwischen den beiden Gruppen bereits vorgefallen ist, wollte niemand sagen. Doch der Vorfall vom 2. März sei ein Höhepunkt, aber keineswegs der Ausgangspunkt des schwelenden Konfliktes, schildern Zeugen.

Die Probleme sind nicht neu: Tschetschenen greifen Zeugen an

Die Bewohner in der unmittelbaren Nachbarschaft, darunter Senioren und Familien mit Kleinkindern, haben Angst, manche machen schnell ihre Fenster zu, wenn sie das Wort „Presse“ hören. Andere reden, wollen aber keinesfalls mit ihren Namen öffentlich genannt werden. Radau und Unruhe seien in der besagten Wohnung im Neubaublock jedoch schön längere Zeit eher die Regel als eine Ausnahme, heißt es. Ein junger Mann, der sich zusammen mit anderen am Donnerstag gegen 22.30 Uhr in der verbarrikadierten Wohnung befand, berichtet, dass es häufig „Stress mit den Tschetschenen“ gebe. Angeblich habe das mit Drogenhandel zu tun, stellen andere Zeugen in den Raum. „Welche Motivation sie für ihr Tun haben? Echt jetzt? Jeder weiß doch was dort vor sich geht“, heißt es beispielsweise in einem Kommentar in den sozialen Netzwerken.

Bewohner haben Anzeige erstattet

Der Uckermark Kurier erbat von der städtischen Wohnbau GmbH, Eigentümerin des betroffenen Mehrfamilienhauses im Robert–Schulz–Ring, eine Stellungnahme zu dem Vorfall am Donnerstagabend. Die Redaktion fragte unter anderem nach, ob von Seiten der Nachbarn im Haus Beschwerden vorliegen und nach den Wurfgeschossen (mutmaßlich Flaschen) aus dieser Wohnung. „Wir befinden uns in einem laufenden Rechtsverfahren und bitten um Verständnis, dass wir keine Angaben machen können“, war die Antwort der städtischen Gesellschaft. Dabei soll es unter anderem um Ruhestörungen gehen. Vor Gericht würden allerdings nur jene Vorfälle zählen, die auch von den betroffenen Nachbarn zur Anzeige gebracht würden. Davor scheuen sich nicht wenige aus Angst, dass so ihre Namen und ihre Adressen bekannt würden. Auch gegenüber jenen, deren Verhalten man beklage.

Einige Tatbeteiligte namentlich bekannt

Die Polizeidirektion Ost teilte auf unsere detaillierte Anfrage zu den laufenden Ermittlungen mit, dass sie gegenwärtig zu den Vorwürfen der „Sachbeschädigung, des Hausfriedensbruches und der versuchten Körperverletzung“ ermittle. Diese Ermittlungen, die auch Erstbefragungen von Zeugen vor Ort einschlössen, hätten „erst einmal keine belastbaren Motive“ erbracht. „Es konnten aber bereits Tatbeteiligte namentlich bekannt gemacht werden“, heißt es weiter. Die Auswertung von „Videos unterschiedlichster Qualität“ sei noch nicht abgeschlossen.

Tschetschenen sind tatverdächtig

Roland Kamenz von der Polizeidirektion Ost bestätigte erst unlängst gegenüber dem Uckermark Kurier, dass durch die Kriminalpolizei der Inspektion Uckermark „aktuell auch vereinzelt Ermittlungsverfahren bearbeitet werden, bei denen Jugendliche und/oder Erwachsene tschetschenischer Herkunft tatverdächtig sind. Einige der Personen sind auch wiederholt mit Straftaten in Erscheinung getreten. Diesem Personenkreis widmet die Polizeiinspektion Uckermark besonderes Augenmerk.“

Zusammenarbeit mit Polizei

Die Redaktion fragte ebenso die Stadt Prenzlau, welche Konsequenzen sie aus dem jüngsten Tumult im Schulz–Ring zu ziehen gedenke. Von dort hieß es, man sei „in engem Austausch mit der Polizei vor Ort. So wurde bereits abgestimmt, dass die Polizeipräsenz im Wohngebiet Robert–Schulz–Ring und Georg–Dreke–Ring verstärkt wird.“ Ebenso werde man mit dem WDU–Sicherheitsdienst verstärkte Einsätze der Citystreife im Wohngebiet vereinbaren.

„Stadt sieht nicht tatenlos zu“

Bürgermeister Hendrik Sommer (parteilos), gerade aus dem Urlaub zurück, äußerte sich am 6. März zu dem Vorfall in einer Pressemitteilung. Bereits seit längerer Zeit gebe es in Prenzlau wiederholt Vorfälle von Gewalt und Kriminalität, die von jungen Menschen tschetschenischer Herkunft ausgingen oder in denen diese eine aktive Rolle spielten, heißt es darin. „Hier sieht die Stadt nicht tatenlos zu“, so versichert Sommer. Seit dem vergangenen Jahr habe es zu dieser Thematik mehrere Zusammenkünfte gegeben, an denen neben Verantwortlichen der Stadt und der Polizei unter anderem die Fachstelle Islam sowie das Mobile Beratungsteam Tolerantes Brandenburg beteiligt gewesen seien.

Unterstützung gefordert

Gemeinsam mit allen Akteuren arbeite man „mit Hochdruck“ an einer Strategie, wie von Stadtseite „beginnend in den Schulen, in der Zusammenarbeit mit dem Asylbewerberheim und anderen Partnern Einfluss“ genommen werden könne. Was die Kriminalität anbelange, sei man darauf angewiesen, dass Polizei und Justiz Recht und Gesetz anwendeten und durchsetzten.

Lesen Sie auch: Mutter zeigt drei Tetschenen an

„Der Bürgermeister und der Vorsitzende der Stadtverordnetenversammlung werden sich nochmals an die Landesregierung, insbesondere den Innenminister, wenden und Unterstützung fordern“, heißt es dazu abschließend.