Biogas

Aus Abfall wird Wärme für Tausende Haushalte in Vorpommern

Torgelow / Lesedauer: 4 min

Gas wird knapp – aber in Torgelow produzieren sie es selbst. Und das in gigantischen Dimensionen. Schon jetzt wird Wärme für 15 000 Menschen erzeugt. Und das ist erst der Anfang.
Veröffentlicht:15.09.2022, 06:07
Aktualisiert:

Von:
  • Author ImageRalph Sommer
Artikel teilen:

Gerade rollt wieder ein Lkw durch das Fabriktor direkt auf die Fahrzeugwaage. Dann steuert der Fahrer seinen Transporter zu einem großflächigen Freiraum-Depot und gibt die Ladung, mehrere Tonnen Grünschnitt, frei. Zurzeit werde gehäckseltes Gras angeliefert, sagt Karsten Liekfeldt, der in der Leitwarte an den Monitoren den gesamten Produktionsablauf von der Anlieferung, der Befüllung der Gärbehälter, der Rührwerk-Steuerung bis hin zur Gasreinigung überwacht.

Lesen Sie auch: Große Biogasanlage in Torgelow wird ausgebaut

Großes Projekt in den Vereinigten Arabischen Emiraten

„Anfang Juni liefern uns sieben bis acht Landwirte der Region sogenannte Ganzpflanzen, später kommt dann Grassilage dazu, und im September erwarten wir die erste Maissilage.“ Jährlich würden hier rund 55 000 Tonnen nachwachsende Rohstoffe verarbeitet.

Das grüne Substrat werde zunächst unter Folien in Silage umgewandelt, ehe es dann in die riesigen Gärbehälter komme. Von Bakterien werde die Masse aus Pflanzenresten schließlich unter Luftabschluss vergoren. „Dabei entsteht ein brennbares Gas, das direkt in das überregionale Gasnetz des Energieversorgers E.DIS eingespeist wird“, sagt Liekfeldt, der als Regionalleiter der Nürnberger Investorengesellschaft UDI Biogas Thierbach den Betrieb einer der größten Biogasanlage in Mecklenburg-Vorpommern leitet.

Wärme für Tausende Haushalte in der Region

Vor vier Jahren ging das Werk am westlichen Stadtrand von Togelow als Referenzanlage des örtlichen Energietechnikspezialisten mele Biogas GmbH in Betrieb. „Wir sind sehr zufrieden“, sagt mele-Prokurist André Tresp. Stündlich produziere die seinerzeit für rund 16,5 Millionen Euro und in nur zwölf Monaten errichtete Biogasanlage etwa 700 Kubikmeter Biomethan in Erdgasqualität. Mit einer erzeugten Leistung von 63 Millionen Kilowattstunden deckt die Torgelower Anlage den Wärmebedarf von rund 15 000 Einwohnern.

Lesen Sie auch: Biogas-Pleite lässt Dorfbewohner um warme Stuben zittern

Die mele-Gruppe mit rund 500 Mitarbeitern beschäftigt sich seit mehr als zwölf Jahren mit der Entwicklung von Biogas-Projekten für das In- und Ausland. Ende vergangenen Jahres hatte das vorpommersche Unternehmen in Dubai (Vereinigte Arabische Emirate) eine Anlage mit einer Leistung von 1,3 Megawatt gebaut, in der tonnenweise Rindergülle verarbeitet wird. Vergärt werden hier auch Restabfälle eines Milch- und Saftproduzenten, der wegen der entstehenden Geruchsbelästigungen strenge Auflagen der Stadt zu erfüllen hat.

Das Interesse an Biomasse-Anlagen sei auch deshalb so groß, weil es weltweit ein sehr breites Spektrum an geeigneten Substraten gebe, sagt der für internationale Projekte zuständige mele-Manager Norbert Lesniewicz. „Wir haben inzwischen schon Projekte für Kunden in China, der Türkei, den Emiraten und in Brasilien realisiert.“

Lesen Sie auch: Me-Le erhält Großauftrag für Biogas-Anlage in Dubai

Trend geht zur Nutzung von tierischen Reststoffen

Gerade in Südamerika, wo es wegen der besonders großen Tierbestände starke Umweltbelastungen durch Flüssiggülle gebe, wachse der Bedarf an einer energetischen Verwertung. Das dabei gewonnene Methangas könne in Blockheizkraftwerken für die Strom- und Wärmeerzeugung genutzt werden.

Lesen Sie auch: Bürgermeister streckt gegen kalte Häuser tausende Euro vor

Die beiden mele-Spezialisten sagen, der Trend gehe inzwischen eindeutig von der Nutzung nachwachsender Rohstoffe hin zur Nutzung von tierischen und pflanzlichen Reststoffen. Diesem Trend soll nun auch eine weitere Biogasanlage folgen, die derzeit unmittelbar neben der bestehenden errichtet wird. Zurzeit werden auf der Baustelle die riesigen Gärbehälter und Gärrestlager mit vorgefertigten Betonteilen montiert.

Lesen Sie auch: Anklamer Zuckerfabrik auf Gasmangel vorbereitet

Das Projekt „Torgelow 2“ setze auf organische Rest- und Abfallstoffe, zum Beispiel auf Gülle und Mist aus der Rinder-, Schweine- und Hühnerhaltung der Region, sagt Tresp. Auch Abfälle, zum Beispiel Zuckerrüben-Pressschnitzel aus der Zuckerfabrik in Anklam oder Kartoffelpülpe, könnten in der neuen Anlage energetisch verwertet werden.

„Wir werden das Gas nicht primär ins überregionale Netz des Versorgers E.DIS, sondern zum großen Teil direkt in das Netz der Gasversorgung Torgelow einspeisen“, sagt Tresp. Damit entfalle eine zusätzliche Druckerhöhung. Auf Verdichtungsstufen könne man also verzichten. Voraussichtlich Mitte des nächsten Jahres soll die neue Anlage das erste Gas liefern. Geplant ist eine Energiemenge von insgesamt mehr als 60 Millionen Kilowattstunden pro Jahr.