Im Jahresinterview

Bürgermeisterin Pukallus will endlich schnelles Internet

Torgelow / Lesedauer: 6 min

Bis auf Gastronomie und Einzelhandel sind die meisten Torgelower Unternehmen bisher gut durch die Pandemie gekommen, oder? Torgelows Bürgermeisterin Kerstin Pukallus blickt auf 2021 zurück.
Veröffentlicht:05.01.2022, 18:24

Von:
  • Simone Weirauch
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Wie ist das Jahr 2021 dem Wirtschaftsstandort Torgelow bekommen?

Durchwachsen. Bei Polstermöbel haben wir es trotz großer Unterstützung aus der Landesregierung nicht geschafft, einen Nachfolger zu finden, so dass die Firma im September aus dem Portfolio der Stadt verschwunden ist. Für die Gießerei lief es durch Insolvenz in Eigenverwaltung und den Verkauf an die Silbnitz-Gruppe sehr gut. Ich habe inzwischen schon das Gespräch mit der Geschäftsführung gesucht, wo ich sehr viel Aufbruchstimmung gespürt habe. Auch bei S.I.S. Stahlbau Torgelow, ehemals SMA, sind die Auftragbücher voll, wurde mir versichert. Bei den Baubetrieben ist es ebenso. Auch die MELE-Gruppe, Metallbau Wittenberg und Metallwaren Torgelow sind als gestandene Firmen weiter am Markt. Wer durch Corona gehandicapt war und ist, sind der Einzelhandel und die Gastronomie – trotz Ideen und Engagement. Die Gaststätte Vulcan hat aus dem Fenster verkauft und die Speisekarte per Whatsapp verschickt, die Alte Post hat einen Lieferdienst eingerichtet, der gut läuft. Das alles kann aber nur ein Übergang sein, und hoffentlich ein kurzer.

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Ist es ein gutes oder ein schlechtes Jahr, das hinter Torgelow liegt?

Das lässt sich pauschal gar nicht sagen. Aber richtig gut in diesem Jahr hat sich der Zusammenhalt der Torgelower gezeigt. Die Torgelower helfen sich untereinander, haben Verständnis füreinander, beispielsweise wenn jemand in Quarantäne muss oder krank ist. Dann finden sich sofort andere Menschen, die ganz selbstverständlich helfen, einkaufen, auf ein paar Worte vorbeischauen. Ich selbst habe das erlebt, als ich in Quarantäne war.

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Woher kommt eigentlich die starke Verbundenheit der Torgelower mit ihrer Stadt?

Ich bin nicht in Torgelow aufgewachsen, aber seit 32 Jahren lebe ich hier, und ich habe die Torgelower so kennengelernt, dass sie eher skeptisch auf Ansagen reagieren, aber wenn sie erst einmal von einer Sache überzeugt sind, dann stehen sie 100prozentig dahinter. Das „Wir sind Torgelow“-Gefühl rührt wohl daher, dass in den meisten Familiengeschichten die Eisengießerei eine Rolle spielt, dieser Gießerei-Stolz, der steckt überall. Und natürlich sind die Torgelower stolz, was nach 1990 aus der einst grauen Stadt geworden ist. Das höre ich immer wieder. Das sagen mir auch Leute, die nach langer Zeit wieder nach Torgelow kommen. Die Verbundenheit wird weitergegeben in den Familien, weil sie über Generationen daran mitgewirkt haben, was aus Torgelow geworden ist.

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Spiegelt sich diese Verbundenheit auch in einer Rückkehrerbewegung wider?

Wir haben Rückkehrer, auch im Amtsbereich. Aber es ist noch keine Massenbewegung. Mancher, der in die Großstadt zog und nie mehr zurück nach Torgelow wollte, ist nun doch wieder hier. Es heißt dann, hier ist es noch familiärer, ein anderer Zusammenhalt. Manchmal wohnen die Eltern noch hier. Familien rücken wieder zusammen, weil sie einander brauchen.

Hat die Stadt denn genug Platz für Zuzügler?

Wir haben wie viele Städte das Problem, dass nicht genug Bauland vorhanden ist. Darum machen wir Grundstücke baureif. Derzeit verfügen wir nur über kleine Flächen und nur punktuell. Auch Torgelow schlägt sich damit herum, dass Außenbereich nicht bebaubar ist. Es ist ein Problem für sehr viele Kommunen. Ich bin der Meinung, dass das Baugesetzbuch an dieser Stelle zwingend zu überarbeiten ist. Wir haben erst einmal bebaubare Flächen in einem Baulandkataster erfasst, das kann auch jeder aktuell auf unserer Internetseite verfolgen.

Sie haben die Bedeutung der Gießerei für die Stadt schon angesprochen. Wann werden die Torgelower die Ausstellung über 250 Jahre Gießereigeschichte im Faktorhaus sehen können?

Die Gießereiausstellung ‚Im Feuer der Generationen‘ ist im Prinzip fertig und wird eröffnet, sobald eine Eröffnungsveranstaltung möglich ist. Übrigens gibt es dort auch einen Abschnitt allgemein zur Heimatgeschichte von Torgelow.

Ulrich Blume, der 2021 in den Ruhestand gegangen, hat die gesamte Ausstellung mit großer Detailverliebtheit gestaltet. Unterstützt wurde er auch von ehemaligen Gießereimitarbeitern. In diesem Zusammenhang möchte ich noch einmal sagen, welches Glück wir auch mit dem Faktorhaus hatten, dessen Sanierung in diesem Jahr fertig wurde. Nachdem Sanierer und Investor Sebastian Kehlichhaus uns gefunden und dieses historische Gebäude wieder aufgebaut hat, gibt es dem Hüttenwerkplatz, den die Stadt hergerichtet hat, den Rahmen. Wer über den Hüttenwerkplatz geht, sieht, wie dieses Haus strahlt.

Es gab kaum kulturelle Großveranstaltungen in Torgelow – war die Stadt 2021 kulturell tot?

Tot nicht. Wir haben immer versucht, das Machbare mit Augenmaß zu ermöglichen, auch wenn das nur mit großem Aufwand möglich war, gerade wenn ich an unsere Karettveranstaltungen denke, wo wir die Stühle nach Familien geordnet aufgestellt haben. Die Leute waren froh und dankbar, dass sie wieder mal rauskamen und herzlich lachen konnten.

Auch Stadt.Land.Klassik fand im Ueckersaal statt, klassische Musik hat in Torgelow ein Stammpublikum. Das Sommerfest im Heidebad konnten wir auch durchführen. Das Heidebad unter Flutlicht sieht man ja auch nicht so oft.

Wenn in der Stadthalle nicht gerockt oder getanzt wurde ...

... dann wurde dort geimpft. Richtig. Die Stadthalle hat 2021 eine neue Bestimmung gefunden. Es gab mehrere Impfaktionen des Haffnet in der Stadthalle. Übrigens mit einem so tollen, leistungsbereiten und gut organisierten Team, das auch mich als Bürgermeisterin motiviert hat.

Wie sehr fehlt Ihnen eigentlich Patrick Dahlemann in Torgelow, seitdem er Chef der Schweriner Staatskanzlei geworden ist?

Herr Dahlemann ist nach wie vor Einwohner dieser Stadt und Mitglied der Stadtvertretung. Ich halte engen Kontakt zu ihm. Aber er hat natürlich eine neue, umfassendere Aufgabe, so dass er sich um seinen Wahlkreis nicht mehr so intensiv kümmern kann wie bisher. Zum neuen Staatssekretär von Vorpommern und Ostmecklenburg, Heiko Miraß, habe ich den Kontakt schon aufgenommen. Er ist ja auch kein Unbekannter für uns.

Gibt es ein Ereignis, einen Tag, ein Erlebnis, das Sie am liebsten aus 2021 streichen würden?

Die Schließung von Polstermöbel. Die Nachricht über das Aus liegt mir schwer im Magen.

Und was hat Sie beflügelt, hat Ihnen gut getan?

Das war zum einen, als 120 Radfahrer der Hanse-Tour Sonnenschein, die Geld für schwerkranke Kinder sammeln, in die Stadt rollten. Mit Teilnehmern dieser Tour bin ich ins Gespräch gekommen, als sie beim Jägerbataillion 413 Quartier genommen hatten. Eine bewundernswerte Sache, für die ganz verschiedene Menschen gemeinsam etwas unternehmen. Genauso sehr konnte ich mich im vergangenen Jahr über eine ganz unspektakuläre Sache freuen, nämlich dass der Fußballverein BSV Forst Torgelow sein Versprechen aus 2020 eingelöst hat, den Spielplatz hinter der Kirche herzurichten. Ganz uneigennützig.

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Und was wünschen Sie sich für dieses Jahr am meisten?

Es klingt banal, ist aber so wichtig: Dass wir endlich beim Breitbandausbau vorankommen. Endlich nicht mehr nur darüber reden, sondern es tun.