Bürgerdialog
Dahlemann bei Ueckermünder Bürgerdialog ausgepfiffen und ausgebuht
Ueckermünde / Lesedauer: 5 min

Lutz Storbeck
Applaus, Buhrufe, Pfiffe, etliche Transparente, Fahnen, Schilder – es ging trotz andauernden Nieselregens emotional zu an diesem Abend im Zentrum der Ueckermünder Altstadt. Sowohl auf der großen Bühne als auch davor.
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Etwa 250 Menschen hatten sich am Donnerstag auf dem Marktplatz zu einem Bürgerdialog eingefunden. Eingeladen dazu hatte Ueckermünde Stadtpräsident Robert Kriewitz (CDU), und der Chef der Schweriner Staatskanzlei, Patrick Dahlemann (SPD), der Bundestagsabgeordnete Philipp Amthor (CDU) und der AfD-Bundestagsabgeordnete Enrico Komning antworteten auf Fragen der Bürger. Moderiert wurde die gut 90 Minuten dauernde Veranstaltung von Guntram Steinke. Der am Haff eher unbekannte Greifswalder ist normalerweise Veranstaltungsunternehmer, konnte aber für diesen Abend gewonnen werden und meisterte seine nicht einfache Aufgabe souverän. „Ich kenne die drei Politiker nicht persönlich, ich geben nur die Fragen weiter, die ich vorher von einem Vorbereitungsteam bekommen habe”, sagte Steinke kurz vorm Beginn.
Kein wirklicher Dialog
Einen direkten Dialog mit einzelnen Bürgern – das bot der Abend nicht. Der Zeitrahmen wäre wohl zu knapp gewesen. So hatten die Veranstalter im Vorfeld Fragen zusammengestellt, die jeder Politiker beantworten musste. Und diese Fragen spannten inhaltlich einen breiten Bogen. Angefangen beim Ukrainekrieg, Sanktionen gegen Russland, von den gestiegenen Lebenshaltungskosten, explodierten Strompreisen, von Einwanderung bis hin zu den Silvesterkrawallen in Berlin. Zunächst musste auf die jeweilige Frage ein Ja oder Nein kommen – beispielsweise, ob der Kandidat die Sanktionen gegen Russland befürwortet oder nicht. Danach hatten Komning, Amthor und Dahlemann jeweils zwei Minuten Zeit, um ihre Haltung zu den einzelnen Themen darzulegen.
Um es vorweg zu nehmen: den meisten Zuspruch in Form von Beifall erhielt AfD-Mann Komning, während Patrick Dahlemann viele Buhrufe und Pfiffe einstecken musste, sodass seine Antworten mitunter kaum zu verstehen waren. Auch Philipp Amthor erntete Pfiffe. Keine leichte Aufgabe für Moderator Steinke, der die Veranstaltungsteilnehmer immer wieder dazu aufrief, die Meinungen der Politiker anzuhören, selbst wenn man mit dem Gesagten nicht einverstanden sei.
Uneinigkeit beim Ukraine-Krieg
Der Ukrainekrieg, seine Folgen und die Haltung gegenüber Russland sorgten gleich zu Beginn für ganz unterschiedliche Reaktionen bei den Zuhörern. Alle drei Politiker verneinten, als es darum ging, ob man sich auf einen Krieg mit der Atommacht einlassen solle, alle drei verurteilten die Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine. Da herrschte Einigkeit. Anders sah es bei der aktuellen Politik gegenüber Russland aus, mit Embargos und Waffenlieferungen für die Ukraine. Der Staatskanzlei-Chef verteidigte die aktuelle Politik gegenüber Russland und verwies auf die von Bundeskanzler Scholz beschworene Zeitenwende. Dafür gab es Burufe, Pfiffe und auch den Ruf „Kriegstreiber!”. Komning hingegen verurteilte die Sanktionen, die Deutschland mehr schaden würden als etwas Gutes bewirken. Er sprach sich für einen Dialog mit Russland aus, denn dies sei trotz und auch „mit Putins” Herrschaft ein geostrategisch wichtiger Handelspartner Deutschlands und werde es auch bleiben. Amthor wiederum verwies auf die Bündnispflichten Deutschlands innerhalb der NATO, zu denen auch die militärische Unterstützung der Ukraine gehöre. Aber eben auch diplomatische Bemühungen.
Zur Frage, wie es in der Energiepolitik weitergehen soll, kamen ebenfalls unterschiedliche Antworten. CDU-Mann Amthor sprach sich dafür aus, auch nach dem April 2023 weiter auf Kernkraft zu setzen. Das sei angesichts der aktuellen Lage nötig – und auch, dass man über den Bau neuer, moderner Kernkraftwerke und die Förderung von Erdgas in Deutschland nachdenke. Das sei im Interesse Deutschlands, betonte auch AfD-Mann Komning, der aber zur Antwort Amthors kritisch anmerkte, dass unter CDU-Kanzlerschaft von Angela Merkel der Atomausstieg beschlossen worden sei. Deutschland braucht, will es Industrieland bleiben, einen Wiedereinstieg in die Kernkraft und auch verstärkte Anstrengungen, neue Kerntechnologien zu entwickeln. Dahlemann sprach sich vehement für den Ausbau erneuerbarer Energien, vordringlich der Windenergie, aus. Das sichere die Energieversorgung und beispielsweise auch Jobs in der Torgelower Eisengießerei.
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Zuwanderungsfrage spaltet ebenfalls
Beim Thema Zuwanderung vertraten die drei Politiker naturgemäß sehr unterschiedliche Ansichten. Philipp Amthor plädierte für „Ordnung und Steuerung” bei der Zuwanderung. Man brauche humanitäre Zuwanderung, ja, aber die müsse gesteuert sein, für Bedürftige und Kriegsflüchtlinge, und man brauche eine gezielte Erwerbsmigration, um Fachkräfte zu gewinnen. Patrick Dahlemann sagte, dass er dankbar sei für jeden Integrationswilligen, der hier in Deutschland arbeite. dafür gibt es in der Region Beispiele. Jeder, der nach Deutschland komme und hier arbeiten wolle, der solle dies auch tun können. Allerdings bestehen dafür hohe bürokratische Hürden, monierte der SPD-Politiker. Enrico Komning sagte, dass die AfD Zuwanderung kritisch sehe. Seit 2015 seien „eine, anderthalb, manche sagen zwei Millionen” Einwanderer nach Deutschland gekommen – und von denen seien zwei Drittel in den sozialen Sicherungssystemen, ohne zu arbeiten. Nur wer asylberechtigt sei, solle in Deutschland auch Asyl bekommen.
Gegen 19.30 Uhr wurde die Veranstaltung beendet, friedlich. Vieles war gesagt, aber einiges blieb sicher noch offen, sodass es vielleicht kein schlechter Gedanke ist, eine weitere Veranstaltung dieser Art zu planen.