Ich wünsche mir, dass alle wertschätzen, was wir hier schaffen
Ferdinandshof / Lesedauer: 8 min

Simone Weirauch
War 2022 ein gutes Jahr für Ferdinandshof?
Es war ein kompliziertes Jahr. Auch unsere Gemeinde hat die Folgen aus den großen Themen der Politik zu spüren bekommen. Erstens Corona – zu Beginn des Jahres wussten viele Menschen nicht, welche Regeln greifen. Wir haben vor Ort über einige Monate den Betrieb eines Testzentrums verlängert, um den Bürgern vor Ort die Test-Möglichkeit zu erhalten. Zweitens der Krieg in der Ukraine – die Gemeinde hat mit der Kraft vieler Ehrenamtlicher und vielen Spenden in kürzester Zeit für über 100 Flüchtlinge in Ferdinandshof Unterkünfte geschaffen und eingerichtet. Dafür bin ich dankbar.
Wie viele Flüchtlinge sind denn jetzt noch in Ferdinandshof?
Immer noch um die 100. Es gab keine große Abwanderung. Etwa 20 Kinder gehen hier zur Schule. Dort leisten die Lehrer hervorragende Arbeit, um die Kinder zu integrieren. Die Eltern wiederum nehmen einmal wöchentlich am Sprachkurs der Volkshochschule teil, der hier in der alten Schule stattfindet. Leider nicht alle. Doch die Mehrheit nimmt das Angebot an.
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Sind bei allen Problemen aus der großen Politik die eigentlichen kommunalen Aufgaben zu kurz gekommen?
Bei uns hat die kommunale Arbeit nicht wesentlich unter diesen zusätzlichen Herausforderungen gelitten. Ja, es gab zeitweise Schwerpunkte, im April und Mai haben wir uns auf die Wohnraumbeschaffung konzentriert. Grundsätzlich aber haben wir unsere Vorhaben für dieses Jahr zum großen Teil realisiert.
Der Neubau des Hortgebäudes hat begonnen, da investieren wir 1,8 Millionen Euro. Stolz sind wir auch auf die neue Straße nach Aschersleben, da haben die Firmen sehr gute Arbeit in kurzer Zeit geleistet. Vor dem Winter konnte die Schwarzdecke aufgebracht werden, im Frühjahr erfolgen die Arbeiten an den Auffahrten und Böschungen.
Wir haben die LED-Umstellung der Straßenbeleuchtung fortgesetzt. Rund 30.000 Euro wurden investiert, um uns für die Zukunft zu rüsten. Energiesparen ist das große Thema. Die Umrüstung auf LED-Lampen soll im nächsten Jahr komplett abgeschlossen werden, so dass die gesamte Gemeinde bei Straßenbeleuchtung auf dem neuesten Stand sein wird.
In diesem Jahr haben wir zudem die Gestaltung des Domäne-Geländes abgeschlossen. Das kann sich sehen lassen. Die Freilichtbühne nutzen wir bei vielen Veranstaltungen – das ist gut investiertes Geld für das Ortszentrum. Vielen Ferdinandshofern lag auch am Herzen, dass die Trauerhalle endlich einen Trinkwasseranschluss bekommt, auch das ist geschafft. Nicht zuletzt haben wir in Brandschutz investiert. In Louisenhof ist für 61.000 Euro ein großer Löschwassertank eingebaut worden. Auch das leidige Problem mit dem Wasserstand im Kalkloch sollte mit Investition von über 120.000 Euro in den Schutz vor Biberschäden erledigt sein.
Dieser Rückblick verstärkt den Eindruck, dass Ferdinandshof auch die Angelegenheiten der Ortsteile im Blick hat. Lebt man in Louisenhof, Aschersleben, Sprengersfelde oder Blumenthal genauso gut wie in Ferdinandshof?
Also das war schon mein Wahlversprechen, daran halte ich mich natürlich auch weiterhin. Die Anbindung der Ortsteile an die Hauptgemeinde ist seit Jahren unser Thema. Ich erinnere an den Radweg von Louisenhof nach Ferdinandshof, an die Kulturwoche in Aschersleben, ich denke an die Gesundheits- und Pflegetage, wo wir mit Fahrdiensten die Leute aus den Ortsteilen abholen, damit sie an dieser Veranstaltung teilnehmen können. Die Ortsteile sind keineswegs abgehängt. Obwohl man sagen muss, der große Nachteil für Aschersleben, Sprengersfelde und Louisenhof besteht darin, dass es dort keinen Treffpunkt für die Einwohner gibt. Da brauchen wir Ideen, um Entwicklungen anzustoßen.
Wie andere Gemeinden kann sich auch Ferdinandshof über Neubürger freuen. Ist das schon zu spüren?
Ja, seit drei bis vier Jahren hat die Gemeinde Ferdinandshof eine positive Bevölkerungsentwicklung, wir verjüngen uns leicht durch den Zuzug von Familien. Eines der brennendsten Themen in der nächsten Zeit bleibt aber: Wir brauchen unbedingt Bauland. Wir haben wirklich keinen einzigen Bauplatz mehr in Ferdinandshof. Da muss sich in der Baugesetzgebung für die Gemeinden unbedingt etwas ändern. Schon eine mögliche Lückenbebauung in den Ortsteilen würde hilfreich sein. Wir überlegen jetzt, wo wir in Ferdinandshof ein neues Wohngebiet ausweisen können. Es wäre schön, wenn wir 20 bis 25 Bauplätze erschließen könnten. Der Bedarf ist da.
Es sind ehemalige Ferdinandshofer, die zurück wollen, es sind viele Berliner, auch Bayern, Thüringer, Schleswig-Holsteiner – Leute, die die Lage von Ferdinandshof zu schätzen wissen: Zwölf Kilometer bis zum Haff, keine 50 Kilometer nach Usedom, wir sind mit der Bahn an Stralsund und Berlin angebunden und die B 109 verläuft direkt vor der Tür.
Mit welchen Sorgen und Nöten haben sich die Ferdinandshofer in diesem Jahr an ihren Bürgermeister gewandt?
Grundsätzlich leben die Leute gern hier in Ferdinandshof, das höre ich oft, besonders, wenn ich zu Geburtstagen in die Familien komme. Oft ärgern sich die Leute über die Ruinen und Schrottimmobilien, ein anderes wichtiges Thema ist der Zustrand von Straßen. Bestes Beispiel ist die Allende-Straße, die über die Jahre immer schlechter wird. Hier bleibt die Gemeinde am Ball. Aber ich muss ich deutlich sagen: Es ist eine Kreisstraße. Auch schlechte Gehwege werden angesprochen, da gibt es noch zu tun. Was ich aber auch höre, ist, dass die Leute mit dem kulturellen Angebot in der Gemeinde zufrieden sind.
Wie lange braucht das schnelle Internet noch, bis es in Ferdinandshof ankommt?
In diesem Jahr gab es endlich den Startschuss, die Landwerke haben mit dem Breitbandausbau begonnen. Es sind Verteilerpunkte gesetzt, 2023 wird es weitergehen, ansonsten gibt es richtig große Probleme, beispielsweise in den Schulen. Gerade für die Digitalisierung in den Schulen nimmt die Gemeinde als Schulträger viel Geld in die Hand, mindestens eine Million Euro.
Was hat das Landeserntedankfest der Gemeinde rückblickend gebracht?
Solche Höhepunkte im Gemeindeleben haben immer positive Effekte. Allein die Mitarbeit vieler Ferdinandshofer, Vereine, Verbände, die sich eingebracht haben – damit haben wir ein Zeichen gesetzt. Auch was die Qualität dieser Veranstaltung betrifft. Das müssen uns andere erst mal nachmachen. Das Feedback ist grundsätzlich positiv. In Schwerin ist Ferdinandshof jetzt bekannt. Auch die Diskussion im Nachgang zwischen Landwirtschaft und Kirche – das ist wohl etwas Besonderes. Darum glaube ich, dass es gut ist, dass wir das Fest hier veranstaltet haben. So schnell werden wir so etwas allerdings nicht wiederholen können. Wir haben immerhin vier Tage gefeiert, alle Veranstaltungen waren sehr gut besucht. Etwa 20. 000 Besucher waren in Ferdinandshof. Das erforderte eine gute Organisation, aber es kostete natürlich auch Geld. Da bin ich den Betrieben der Region sehr dankbar für die tatkräftige Unterstützung und für alle Spenden.
Die Gemeinde hat den geplanten Finanzrahmen nicht gesprengt. Für ein Fest in dieser Größe braucht man 80.000 bis 90.000 Euro. Am 20. Januar werden wir unseren traditionellen Neujahrsempfang der Vereine und Verbände veranstalten, dort wird auch das Fest ausgewertet und allen gedankt, die zum Erfolg beigetragen haben.
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Wird es 2023 ruhiger werden in Ferdinandshof?
Die Leute haben sich daran gewöhnt, dass hier viel los ist. So soll es bleiben. Die größte kommunale Aufgabe in 2023 ist die Straßensanierung Steinkamp. Die Bedingungen für den Straßenbau dort sind wegen der beengten Verhältnisse eine Herausforderung. Das wird neben dem Bau des Hortgebäudes die größte Baumaßnahme der Gemeinde im nächsten Jahr sein. Das Hortgebäude wird wahrscheinlich 2023 noch nicht ganz fertig werden. Wir schaffen damit einen Schulcampus mit Grundschule und Hort und damit bessere Bedingungen für die Kinder.
In Ferdinandshof werden im nächsten Jahr auch weitere Photovoltaikanlagen gebaut. Bei erneuerbaren Energien ist die Gemeinde bereits Vorreiter. Wir befürworten allerdings nicht die Installation von Windrädern. Den Windpark Lübs hat die Gemeinde einstimmig abgelehnt. Wir prüfen, ob wir gegen den Beschluss des Planungsverbandes über das Windeignungsgebiet klagen können, von dem wir übrigens aus der Zeitung erfahren haben.
Außerdem müssen wir 2023 einen Standort für den Norma-Supermarkt finden, denn wir wollen den Discounter in Ferdinandshof halten. Es gab bisher viele Gespräche, aber noch keine Entscheidung. Und dann freuen wir uns, dass wir im nächsten Jahr das Natur- und Jugendzentrum in der alten Schule wieder besetzen können.
Was wünschen Sie sich ganz persönlich für die Gemeinde?
Dass alle aufmerksam verfolgen, was in der Gemeinde geschafft wird und es wertschätzen. Ich wünsche mir, dass niemand mehr seinen Müll einfach in der Natur entsorgt, Straßenschilder oder Hauswände beschmiert, Bänke zerstört. Beim Herbstputz in diesem Jahr haben 15 Leute mitgemacht, wir haben 20 Säcke voll Müll gesammelt. Im nächsten Jahr wird es einen Frühjahrsputz geben, bei dem hoffentlich noch mehr Leute mitmachen.