Hotspot Pflegeheime

Massenhaft Corona-Fälle in Ueckermünde und Torgelow

Ueckermünde / Lesedauer: 6 min

Die Pflegeheime in der Haff-Region sind besonders von dem Coronavirus betroffen. Die Zahlen im Vitanas Senioren Centrum in Ueckermünde schießen weiter in die Höhe. Auch ein Pflegeheim in Torgelow entwickelt sich zum Hotspot.
Veröffentlicht:25.01.2021, 18:31

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Das Coronavirus macht den Pflegeheimen in der Haff-Region stark zu schaffen. Besonders dramatisch ist die Situation nach wie vor im Ueckermünder Vitanas Senioren Centrum. Hier sind inzwischen 99 Bewohner und 46 Mitarbeiter positiv auf das Coronavirus getestet worden. Diese Zahlen nannte am Montag der Pressesprecher des Landkreises, Achim Froitzheim. Die Daten geben aber nur den Stand vom Freitag wieder. Ob positiv getestete Personen an dem Virus gestorben sind, ist noch unklar.

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Vitanas macht keine Angaben zu Todesfällen

Die vom Landkreis genannten Angaben hat auch Vitanas-Pressesprecherin Alexandra Sassy bestätigt. Das zuständige Gesundheitsamt und die Heimaufsicht seien zu jeder Zeit informiert über die Situation im Haus, und alle Maßnahmen erfolgten in enger Abstimmung. „Alle Isolations- und Hygienemaßnahmen sind umgesetzt“, bekräftigte die Vitanas-Sprecherin erneut. „Die Pflege und Betreuung der Bewohner ist zu jedem Zeitpunkt sichergestellt.“

Ein Teil der Mitarbeiter sei aus der Quarantäne bereits zurückgekehrt, „ein weiterer Teil wird diese Woche zurückkehren, sodass sich die Situation weiter entspannen wird“, sagte Alexandra Sassy. Für Dienstag ist eine weitere Reihentestung geplant.

Es ist davon auszugehen, dass es im Vitanas Senioren Centrum erste Corona-Tote gibt, was das Unternehmen allerdings nicht bestätigt hat. Denn die Zahl der Menschen in der Haff-Region, die am oder mit dem Coronavirus verstorben sind, liegt mit Stand vom Montagnachmittag bei 19 und hat sich damit binnen weniger Tage fast verdoppelt. Mitte der vergangenen Woche waren es zehn Menschen.

Corona-Infektionen in Torgelow

Hart erwischt hat das Virus auch das Haus am Tanger des Kursana Domizils in Torgelow. Hier sind nach Angaben des Landkreises 30 Bewohner und 20 Mitarbeiter positiv getestet worden. Eine Stellungnahme des Unternehmens gab es auf Nordkurier-Anfrage bisher nicht. Diese soll aber bis spätestens Dienstagnachmittag folgen. Die beiden Häuser des Kursana Domizils in Torgelow mit dem Haus Waldsiedlung und dem Haus am Tanger waren im November die ersten Pflegeeinrichtungen überhaupt in der Haff-Region mit positiven Testergebnissen und Corona-Toten.

Dass das Coronavirus in Pflegeheimen heftig zuschlagen kann, beweisen das Vitanas Senioren Centrum in Ueckermünde und das Kursana Domizil in Torgelow. Doch es gibt auch Einrichtungen, die lediglich mit Einzelfällen zu tun haben – so auch das Ferdinandshofer Pflegeheim „Haus der Zufriedenheit“, das von der Volkssolidarität Uecker-Randow betrieben wird. Dem Landkreis zufolge gibt es dort einen positiv getesteten Mitarbeiter. „Wir hoffen, dass es bei diesem einen Mitarbeiter bleibt“, sagte Kreissprecher Froitzheim.

Auskunft zu Corona-Infektionen: Kreis verweist auf Pflegeheim-Betreiber

Was die Berichterstattung über das Vitanas Senioren Centrum vom Sonnabend anging, so sei er missverständlich wiedergegeben worden, fügte Froitzheim hinzu. Die aktuellen Zahlen zu Corona im Landkreis liegen natürlich im Landratsamt vor, sagte er. Allerdings verweise er, wenn es um Alten- und Pflegeheime gehe, immer an deren Pressestellen. „Dort gibt es die Auskunft dann aus erster Hand.“

Angesichts der jüngsten Infektionszahlen im Vitanas Senioren Centrum hat sich die Befürchtung weiter verstärkt, dass es sich um einen Hotspot in der Haff-Region handelt, den es in dieser Größenordnung noch nicht gegeben hat. Das wird beim Vergleich der Zahlen deutlich: Nach jüngsten Angaben leben 174 Bewohner in dem Heim, 99 von ihnen, also mehr als die Hälfte, sind positiv getestet worden. Von den 140 Mitarbeitern sind 46 – mehr als ein Drittel – positiv getestet worden.

Das wirft einige Fragen auf – unter anderem, ob es mit einer derart reduzierten Belegschaft überhaupt möglich ist, den normalen Alltag aufrechtzuerhalten. Von einem normalen Betrieb mit einigen Einschränkungen kann inzwischen keine Rede mehr sein. Etwas, das auch andere auf den Plan gerufen hat. So hat der Deutsche Berufsverband für Pflegeberufe Nordost e.V., der in Berlin, Brandenburg und MV tätig ist, in einer E-Mail mitgeteilt, sich für das Geschehen in Ueckermünde zu interessieren. Ob und wie in diesem Fall geholfen werden kann, ist allerdings offen.

Pflegerin hofft auf Hilfe von außen

Eine weitere Mitarbeiterin des Vitanas Senioren Centrums, die sich an den Nordkurier gewandt hat, würde es zum Beispiel begrüßen, dass die Einrichtung durch Pflegekräfte von außen unterstützt wird – auch wenn sich die Situation in den nächsten Wochen möglicherweise entspannen sollte. Denn auch, wenn die ersten Kollegen in dieser Woche aus der Quarantäne zurückkehren, müssten die Pflegekräfte die Möglichkeit erhalten, sich ein wenig zu erholen, um neue Kraft zu tanken.

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„Fachkräfte arbeiten freiwillig länger”

„Jetzt aktuell ist es natürlich besser, wenn wir selbst vor Ort sind. Wir kennen die Abläufe“, sagte die Pflegerin, die betonte, dass alle Mitarbeiter, sowohl Fachkräfte als auch die Hilfskräfte, zusammenhalten und ihr Möglichstes tun. „Wir arbeiten alle freiwillig so lange am Stück – zum Wohle unserer Bewohner. Niemand wird dazu gezwungen. So hängen manche an ihre Frühschicht vier Stunden ran, oder die Nachtschicht kommt vier Stunden früher, damit die Spätschicht nicht alleine da steht.“ Das alles ginge natürlich nur für eine sehr begrenzte Zeit und nicht jeden Tag.

Die Mitarbeiterin versicherte, dass niemand im Heim hungern müsse, und auch an der grundlegenden Versorgung nicht gespart werde. Jedoch würde man Prioritäten setzen müssen. „Jeder Kollege gibt alles. Wir müssen jetzt durch die akute Phase.“ Aus eigenem Erleben könne sie bestätigen, dass das Pflegeheim im Vorfeld alles getan habe, um so einen Ausbruch zu vermeiden.

Schutzkleidung, Schnelltests, Hygiene

„Wir haben alle Hygienemaßnahmen eingehalten: Es gibt täglich neue Schutzkleidung, und es wurde immer engmaschiger getestet. Allerdings frage ich mich im Nachhinein, wie zuverlässig diese Schnelltests sind.“ Die Pflegekraft erinnert sich, dass Bewohner beim Schnelltest am Morgen noch ein negatives Ergebnis hatten, wenige Stunden später aber bereits über Symptome klagten und der erneute Test positiv ausfiel.

Vielleicht, so hofft die Pflegefachkraft, zeige dieses Beispiel, dass sich die Einrichtungen in der Region viel besser vernetzen sollten, um dann in so einer Notsituation untereinander schnell und unkompliziert aushelfen zu können. „Wer weiß, was in den nächsten Jahren noch alles auf uns zu kommt?“

Dahlemann bittet Drese um Amtshilfe

Vorpommern-Staatssekretär Patrick Dahlemann (SPD) wandte sich nach den Nordkurier-Berichten an das Ueckermünder Pflegeheim mit der Frage nach konkretem Hilfsbedarf. „Mir ist klar, dass die professionelle Pflege nur vom dortigen Personal geleistet werden kann, aber bei den alltäglichen Dingen kann doch von außen geholfen werden.“ Er habe sich direkt an Sozialministerin Stefanie Drese (SPD) gewandt und darum gebeten, Amtshilfe in die Wege zu leiten, sagte Dahlemann.