Abenteuer
Was ist denn das für ein seltsames Gespann?
Uecker-Randow / Lesedauer: 4 min

Nordkurier
Von Rolf Giesen
Vom großen Abenteuer träumen viele Menschen. Sie kennen Abenteurer aus Filmen, Büchern und Zeitungsberichten, doch selbst sind sie keine geworden. Und dann ruckelt ein blauer Wagen durch die Dorfstraßen der Uecker-Randow-Region. Auf dem Kutschbock sitzt ein lächelnder Mann, hinter ihm am Wagen weht eine kleine dänische Flagge.
Ungewöhnliches Gespann weckt Neugier
Alltäglich ist das nicht, noch ungewöhnlicher sind die beiden kleinen Zugpferde, die einander gleichen wie ein Ei dem anderen. Es sind Fjordpferde, die in Skandinavien gezüchtet werden, Mille und Molly. Niels Olsen, so heißt der Mann auf dem Kutschbock, erzählt, dass sie vor 17 Jahren am gleichen Tag geboren wurden. Der Wagen und die Pferdchen wecken die Neugier der Vorpommern. Etwas scheu sprechen sie den Fremden an.
Verschnaufpause in Grambin
Der spricht ein wenig Deutsch und fließend Englisch. Niels Olsen ist Däne, 59 Jahre alt. Ende Juli ist er von zuhause in Helsingør aufgebrochen und mit Pferd und Wagen quer durch Dänemark gefahren. Anfang August wurde er von einem schweren Unwetter überrascht. Schließlich erreichte er die Fähre nach Rostock und ist durch die Städte und Dörfer im Nordosten gefahren. Über Grimmen und Anklam kam er nach Grambin bei Ueckermünde, wo er eine Verschnaufpause einlegte.

Dorfbewohner luden den Reisenden ein, Pferdchen und Wagen auf einem Acker hinter der Straße abzustellen. Sie bewirteten ihn mit Frühstück und seine Pferdchen mit Äpfeln. Derzeit besohlt der Hufschmied seine Pferde neu. Am Wochenende setzt er seine Fahrt nach Eggesin und Pasewalk fort, dann will er über Stettin nach Polen, wo die Pferde überwintern werden. Er selbst plant, dann per Anhalter zurück nach Dänemark zu fahren.
Aug in Aug mit einem Silberrücken
Niels Ohlsen ist ein waschechter Abenteurer und Globetrotter. Den Wagen hat er selbst gebaut und so kompakt wie möglich eingerichtet: Bett, Tisch, Kühlschrank, Toilette. Den staunenden Dorfbewohnern erzählt der Däne von seinen vielen Reisen: 2020 wurde er in Laos von der Corona-Pandemie überrascht: „Ich musste drei Monate länger bleiben als geplant und finanzierte meinen Aufenthalt, indem ich eine Hühnerfarm aufbaute“. 2021 dann, in Uganda, stand Olsen mit einem Mal Aug in Auge mit einem Silberrücken. „Der Gorilla bäumte sich in drei Metern Entfernung vor mir auf und trommelte sich auf die Brust“, erzählt er. Doch das Überraschende geschah, und der Gorilla duldete den menschlichen Eindringling für eine Weile in der Nähe seiner Gruppe.
Die erste große Reise unternahm Olsen im Alter von 18 Jahren. Damals ging es nach Paris, Österreich, Rom. Inzwischen hat er die ganze Welt bereist. Auf seinem Reiseprogramm steht als Wunsch für die Zukunft noch Lateinamerika.
„Es gibt immer einen Weg, Träume zu verwirklichen“
„Ich habe auf meinen Reisen nur freundliche, liebe Menschen getroffen. Ebenso wieder hier in Mecklenburg-Vorpommern. Sie sind sehr zuvorkommend, fragen, ob sie mir helfen können. Radfahrer haben angehalten und meinen Pferden Karotten gegeben. Manchmal darf ich meinen Wagen über Nacht auf einer Wiese abstellen.“
Hat er einen Rat für die Vorpommern? Ohlsen muss nicht lange überlegen. „Follow your dreams“, sagt er. „Folge deinen Träumen. Verwirkliche deine Träume.“ Einmal habe sich eine junge Frau neben ihn auf den Kutschbock gesetzt: „Was du machst, würde ich auch gerne tun. Aber ich arbeite als Bedienung in einem Café, ich kann da nicht weg“, habe sie gesagt.
Arbeitet Rest des Jahres im Hotel
Überall, wo Menschen das Gespräch mit ihm suchten, spüre er, dass die Träume bei ihnen sehr wohl da sind, sie aber Angst haben, diese in die Tat umzusetzen. Der Gründe gibt es ja viele: Alter, Arbeit, nicht genügend Geld. Oder sind es Ausflüchte? Denn auch Niels Ohlsen ist kein reicher Mann. Er arbeitet den Rest des Jahres als Angestellter in einem Hotel. Mit 59 Jahren ist er alleinstehend, seine Kinder sind aus dem Haus. „Es gibt immer einen Weg, seinen Traum zu verwirklichen“, lächelt er. „Man muss nur wollen. Und seiner Fantasie freien Lauf lassen.“
Oft monatelang auf Tour
Aber warum hat er diesmal eine Fahrt auf einem von Fjordpferden gezogenen Wagen gewählt? „Ich habe bei uns einen Planwagen gesehen, so einen wie aus einem Wildwestfilm“, erzählt er. „Und da bin ich auf diese Idee gekommen und habe mir die Pferdchen besorgt. Mille und Molly sind bestens trainiert und liebenswerte Geschöpfe.“ Und so ist der Däne wochen-, monatelang auf Tour, als sei er ein Mensch nicht aus dem 21., sondern aus dem 18. oder 19. Jahrhundert. Angst hat er keine, den Glauben an die Menschheit hat er nie verloren: „Wirklich böse Menschen gibt es nur in den Medien und in Fernsehserien.“