Wie ein Rentner vom Haff das Virus besiegte
Ueckermünde / Lesedauer: 6 min

Norbert Half ist ein stattlicher Mann, der sehr viel vitaler wirkt als manch andere im Alter von 63 Jahren. Jetzt steht er auf der Terrasse des Einfamilienhauses in Ueckermünde, genießt den Frühling und um ihn herum grünt und blüht es. Vor wenigen Wochen noch war Norbert Half gesundheitlich durch die Hölle gegangen. Er hatte sich mit dem Corona-Virus infiziert, lag als bisher einziger Patient mit dieser Krankheit auf der Intensivstation des Ameos-Klinikums in Ueckermünde. „Was auch noch kommen mag, der 17. April ist mein neuer Geburtstag“, sagt der Rentner. Es war der Tag seiner Entlassung aus dem Krankenhaus. Der Tag, an dem er mithilfe der Mediziner das Virus besiegt hatte.
Ein Dankeschön an die wahren Helden
„Ich möchte mich beim gesamten Team der Klinik, die mir das Leben gerettet haben, gebührend bedanken und sie ein wenig ins Licht der Öffentlichkeit holen. Was diese Menschen geleistet haben und immer noch leisten, findet meines Erachtens immer noch viel zu wenig Beachtung und Anerkennung in unserer Gesellschaft. Die sind für mich die wahren Helden“, sagt Half. Das kommt im Krankenhaus natürlich gut an. „Wir freuen uns über das Dankeschön unseres Patienten sehr, wir geben die positiven Schilderungen gern an unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter weiter. Auch wir sind froh, dass der Patient genesen ist“, nimmt Ameos-Sprecherin Anja Baum das Lob an.
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Mitte März hatte das Virus-Drama um Norbert Half und seine Lebensgefährtin Ilona Rutz (68) seinen Anfang genommen. Mit acht Bekannten war das Paar auf der Insel Gran Canaria (Spanien). Ein Ehepaar stammt aus Torgelow, die sechs weiteren Teilnehmer aus Wismar und von der Insel Poel. „Die kommen aus der Gastronomie. Wir kennen uns aus meinem früheren Arbeitsleben. Ich war in der Verkaufsleitung eines Getränkefachgroßhandels“, erzählt Ilona Rutz. „Wir erlebten auf Grand Canaria zunächst ganz unbeschwerte Tage. Niemand redete über das Virus. Dann hörten wir von ersten Corona-Fällen in Deutschland“, erinnert sich Norbert Half. Dann seien am Hotel-Pool die Liegen hochgestellt worden, am nächsten Tag hätten alle Hotel-Gäste unter Quarantäne gestanden. „Zum Schluss durften wir unsere Zimmer nur noch zum Essen verlassen. Wir sind froh gewesen, dass wir überhaupt nach Deutschland zurückfliegen durften“, erzählt Half von dem beunruhigenden Ende dieses Urlaubs.
Zusammen mit den beiden Torgelowern ging‘s am 17. März zunächst nach Hamburg. Der Rest der Gruppe blieb noch auf Grand Canaria und infizierte sich nicht. „Deshalb glaube ich, dass wir uns an den Flughäfen oder im Flugzeug angesteckt haben“, meint Norbert Half. „Der Fall deckt sich mit unseren Erkenntnissen, dass das Virus durch etwa 15 bis 20 zurückkehrende Urlauber bis zu ihren Wohnsitzen in Vorpommern eingeschleppt worden ist“, sagt Ameos-Sprecherin Baum.
„Ich dachte jeden Tag, es geht mit mir zu Ende“
Nach der Rückkehr wurde die Frau aus Torgelow als erste positiv auf Corona getestet, sechs Tage später ihr Ehemann. „Als bei Norbert die Krankheit ausbrach, standen wir in Ueckermünde bereits unter häuslicher Quarantäne“, sagt seine Lebensgefährtin Ilona Rutz. Die infizierte sich ebenfalls, musste wie auch die Torgelower aber nicht ins Krankenhaus. „Die erste Woche war es ganz schlimm. Ich hatte 40 Grad Fieber, dachte jeden Tag, es geht mit mir zu Ende“, sagt sie.
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Am 27. März kam Norbert Half schließlich ins Ameos-Klinikum: „Die Rettungskräfte trugen Schutzkleidung, als sie mich ins Krankenhaus transportierten, die ganze Siedlung hat geguckt.“ Die ersten beiden Tage verbrachte Half auf der neu eingerichteten Isolierstation. „Wir sind hier sehr gut aufgestellt, hatten auf der Station eine Woche vorher einen realen Vorlauf. Dieser erste Patient ist zum Glück negativ auf das Virus getestet worden. Deshalb konnte Entwarnung gegeben werden“, sagt Ameos-Sprecherin Baum.
Täglich gefühlte 20 bis 23 Stunden geschlafen
„Ich hatte Erbrechen, Durchfall, Fieber, Schüttelfrost, Halsschmerzen, Husten und heftige Atemnot“, zeichnet Norbert Half sein erschütterndes Krankheitsbild. Christian Hönnscheidt, im Ameos-Klinikum Chefarzt der Inneren Medizin, ließ den Patienten deshalb auf die Intensivstation verlegen. „Wir waren in großer Sorge um Herrn Half, der vor der Infektion keine Vorerkrankung an der Lunge hatte. Sein Fall war Thema der täglichen Konferenzen, die Mediziner der Uni-Klinik Greifswald mit uns und anderen Kollegen abhalten“, sagt Chefarzt Hönnscheidt. Fast zwei Wochen musste der Patient auf der Intensivstation bleiben, bis sich die Situation stabilisiert hatte.
„Dort habe ich täglich gefühlte 20 bis 23 Stunden geschlafen und deshalb an die Zeit kaum Erinnerungen. Die Ärzte und Krankenpflegerinnen trugen Schutzkleidung. Die sahen aus wie Kosmonauten, ich konnte nur ihre Augen sehen“, berichtet Norbert Half. Künstlich beatmet werden musste er nicht. Stattdessen willigte der Rentner ein, an einer Studie über die Wirksamkeit der Substanz Hydrochlorothiazid gegen das Corona-Virus teilzunehmen. „Mit dem Mittel ging es mir in ganz kleinen Schritten jeden Tag etwas besser. Diese Krankheit gönnt man wirklich keinem“, berichtet Half, der in der schweren Zeit rund 16 Kilo Gewicht verlor.
Eine lange Liste von Helfern in der Not
Während der Ueckermünder die schlimmsten Stunden seines Lebens durchlitt, bangte Lebensgefährtin Ilona Rutz zu Hause um ihren Partner. „Weil wir nicht verheiratet sind, bekam ich aus dem Krankenhaus keine Informationen über seinen Zustand. Deshalb möchte ich unserem Ueckermünder Hausarzt Jens Karbe ganz besonders danken, der mich bei unseren täglichen Telefongesprächen über Norberts Krankheitsverlauf unterrichtete“, sagt Ilona Rutz.
Auf ihrer Dankesliste stehen zudem „Frau Hillmann, Familie Geisler und Familie Herlitz“, die für sie in der Quarantäne-Zeit eingekauft und Hilfe angeboten hätten. Zu den Helfern in der Not gehören auch mehrere Ameos-Pflegekräfte, die Norbert Half frische Wäsche ins Klinikum brachten. „Das hätten sie ganz bestimmt nicht tun müssen“, bekräftigt Ilona Rutz.
Und Norbert Half resümiert: „Ich wäre fast krepiert, aber die haben sich um uns gekümmert – das ist der reine Wahnsinn. Das sind Frauen und Männer, die selbst ihr gesundheitliches Wohl hinten anstellen, um Patienten wie mir zu helfen. Sie haben größtenteils Familie, ein soziales Umfeld, und laufen jeden Tag Gefahr, auch andere durch Ihren Job zu infizieren.“