Corona-Hotspot
Wie schlimm geht es im Ueckermünder Vitanas Pflegeheim wirklich zu?
Ueckermünde / Lesedauer: 4 min

Vanessa S.* hat Tränen in den Augen, die sofort die Wange hinunterkullern. Die junge Frau ist aufgewühlt, es dauert einen Moment, bevor sie sich beruhigt hat und weitersprechen kann. „Die Lage ist dramatisch“, erzählt die Mitarbeiterin des Vitanas Senioren Centrum in Ueckermünde.
Corona-Hotspot in Vorpommern-Greifswald
Erst vor wenigen Tagen wurde bekannt, dass sich das Pflegeheim im Seebad zu einem Corona-Hotspot im Landkreis Vorpommern-Greifswald entwickelt hat. „Alle Isolations- und Hygienemaßnahmen sind umgesetzt. Die Pflege und Betreuung der Bewohner ist zu jedem Zeitpunkt sichergestellt“, betonte die Sprecherin der Vitanas-Gruppe zu Beginn der Woche.
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Doch Vanessa S. sieht das anders. Ganz anders. Sie kann und möchte – trotz aller Loyalität ihrem Arbeitgeber gegenüber – einfach nicht mehr tatenlos zusehen und hat sich deshalb mit einem Hilferuf an den Nordkurier gewendet. Sie und ihre Kollegen hätten gerade zwischen 15 und 17 Tagen hintereinander arbeiten müssen und seien am Ende ihrer Kräfte, macht Vanessa S. ihrem Gewissen Luft.
Wo bleibt die Hilfe der Bundeswehr?
Die Bewohner, von denen ein großer Teil unter Demenz leidet, seien in ihren Zimmern isoliert und dürften nur ab und zu vor ihre Tür auf den Flur. „Die wissen gar nicht, was los ist. Wir sagen ständig: ‚Kleinen Moment, warten Sie bitte‘ oder: ‚Wir kommen gleich‘“, erzählt die Pflegekraft, der es in der Seele leid tut, den Bewohnern zumeist lediglich ein Tablett mit den Mahlzeiten hinstellen zu können.
„Viele brauchen aber Hilfe beim Essen“, sagt die Pflegekraft. Doch dafür sei in diesen Tagen gar keine Zeit, weil auch ein großer Teil des Personals erkrankt sei und nicht zur Verfügung stehe. „Wir fühlen uns einfach alleingelassen. Wo sind die versprochene Hilfen?“, fragt Vanessa S. und meint im konkreten Fall mögliche Unterstützung durch die Bundeswehr, das Arbeitsamt oder den Medizinischen Dienst der Krankenkassen.
„Wir brauchen Menschen, die helfen können“
Auch die Vitanas-Mitarbeiterin versichert, dass alle Hygienemaßnahmen konsequent umgesetzt werden und alle Kollegen, die noch arbeiten können oder dürfen, ihr Bestes zum Wohle der Pflegebedürftigen geben. Doch sie könnten pflegerisch längst nicht mehr alles abdecken. „Mir bringt es nichts, wenn jemand vor dem Pflegeheim singt oder Trompete spielt. Wir brauchen einfach Menschen, die helfen können, und wenn es nur beim Reichen der Mahlzeiten ist“, sagt Vanessa S. Die Pflegekraft würde sich wünschen, dass, vorausgesetzt der Arbeitgeber würde dies zulassen, es Menschen gibt, die einfach mit ihrer Arbeitskraft ein bisschen unterstützen können.
Firmensprecherin sieht Haus funktionsfähig
Vom Vitanas Senioren Centrum am Ueckermünder Tierpark selbst waren keine Informationen zu bekommen, weder zu den aktuellen Zahlen von Corona-Infektionen bei den Bewohnern oder der Belegschaft des Hauses noch zur aktuellen Personalsituation in der Einrichtung. Eine Mitarbeiterin des Hauses verwies stattdessen an Alexandra Sassy, verantwortlich für Marketing und Kommunikation beim Berliner Hauptsitz der Vitanas GmbH & Co. KGaA.
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„Selbstverständlich sind das zuständige Gesundheitsamt und die Heimaufsicht zu jeder Zeit informiert über die Situation im Haus, und alle Maßnahmen erfolgen in enger Abstimmung“, erklärt die Presseverantwortliche auf Nordkurier-Anfrage und fügt hinzu: „Die Ergebnisse der Reihentestung von Mittwoch liegen noch nicht vor.“
Pflege und Betreuung der Bewohner seien zu jedem Zeitpunkt sichergestellt, versichert Alexandra Sassy. „Aufgrund der Quarantäne einzelner Mitarbeiter kann es zeitweise zu einer Einschränkung der Angebote zur sozialen Betreuung kommen“, gibt die Vitanas-Sprecherin zu. „Jedoch sind alle pflegerischen Maßnahmen, abgestimmt auf den individuellen Unterstützungsbedarf, zu jeder Zeit gewährleistet. Alle Isolations- und Hygienemaßnahmen sind umgesetzt“, versichert Alexandra Sassy und ergänzt: „Über Angebote zur Unterstützung der Einrichtung freut sich das Vitanas Senioren Centrum Am Tierpark.“
Landkreis verweist auf das Unternehmen
Eine Nachfrage bei Achim Froitzheim, Pressesprecher des Landkreises Vorpommern-Greifswald, liefert ebenfalls keine genauen Zahlen, was die Anzahl der Corona-Infizierten in der Ueckermünder Einrichtung angeht. „Das handhaben die einzelnen Unternehmen ganz unterschiedlich. Und über die genauen Zahlen können eben zunächst nur diese Unternehmen Auskunft geben“, so Froitzheim.
Eines stehe fest: Die Zahl der Coronafälle in der Ueckermünder Pflegeeinrichtung sei höher als am 18. Januar. „Das ist definitiv noch einmal angestiegen“, so Froitzheim. Ein Indiz für den Ernst der Lage in dem Seniorenheim könnte zudem sein, dass Anwohner in den vergangenen Tagen oft Krankenwagen und Notärzte beobachtet haben, die offenbar im Pflegeheim zu tun hatten.
* Name von der Redaktion geändert