Volkstrauertag
„Wir leben in keiner friedvollen Zeit“
Ueckermünde/Torgelow / Lesedauer: 3 min

Fred Lucius
Unter der Beteiligung von Bundeswehrsoldaten fanden gestern in Ueckermünde und Torgelow Gedenkveranstaltungen zum Volkstrauertag statt. Ueckermündes Bürgermeister Jürgen Kliewe (parteilos) erinnerte nach einem Gottesdienst auf dem Kirchplatz an die Historie des Volkstrauertages, den es seit seit knapp 100 Jahren gebe. Damals sei der Kriegstoten aus dem Ersten Weltkrieg gedacht worden.
Tag der Versöhnung, Verständigung und des Friedens
Das gemeinsame Trauern sei aus einem Solidaritätsgedanken motiviert gewesen ‐ derjenigen, die keinen Verlust zu beklagen hatten, mit denjenigen, die ihre Ehemänner, Väter und Brüder im Krieg verloren hatten. „Mit zunehmendem Abstand vom Krieg ist es mittlerweile vor allem ein Tag der Trauer. Der Volkstrauertag ist darüber hinaus aber auch ein Tag der Versöhnung, Verständigung und für Frieden“, so Kliewe.
Man könne sich glücklich schätzen, dass man in Deutschland seit mehreren Jahrzehnten kein Kriegsgeschehen mehr erleben musste. Bereits zwei bis drei Generationen seien bisher verschont geblieben von durch Krieg verursachten Gräueln und Leid. Dennoch, es vergehe kein Tag, an dem nicht in irgendeinem Land oder Kontinent geschossen, gebombt und getötet werde. Der Ueckermünder Bürgermeister erwähnte den Terroranschlag von Islamisten in New York am 11. September 2001, den Überfall Russlands auf die Ukraine, den Nahostkonflikt und andere Auseinandersetzungen auf der Welt. „Nein, wir leben weiß Gott nicht in einer friedvollen Welt“, sagte Kliewe.
Hohe Sterberate infolge des Krieges
Auch in Ueckermünde seien in den beiden Weltkriegen einige hundert Menschen auf den Schlachtfeldern, aber ebenso durch Krankheiten, Hunger, Seuchen, Schwäche oder Suizid ums Leben gekommen. „Die Einträge des Sterbejahres 1945 mussten in fünf Bänden untergebracht werden. Es gab insgesamt 2326 Sterbeurkunden. Das sind mehr als zehn Mal so viele wie derzeit ein normales Sterbejahr erfasst“, sagte Ueckermündes Bürgermeister. Die Zahl dieser Toten habe die 104 Gefallenen an der Front deutlich übertroffen.

„Wir sehen täglich die blutigen Bilder in den Nachrichtensendungen, nehmen Informationen von Attentaten, Geiselnahmen und immer wieder neuen Kriegen in uns auf und müssen uns doch eingestehen, dass sie oft nichts weiter sein werden als ein Zwischenspeicher auf der Festplatte unseres Gedächtnisses“, sagte Bürgermeisterin Kerstin Pukallus (parteilos) bei der Gedenkveranstaltung in Torgelow. Nach dem Verarbeiten dieser Informationen kehre der Alltag wieder ein. Der Geist reflektiere die Geschehnisse, aber die Herzen würden nicht mehr berührt. Auch aus diesem Grunde gebe es den Volkstrauertag.
Deutschland als Beispiel für friedvolle Veränderung
Gerade Deutschland habe bewiesen, dass gesellschaftliche Veränderungen ohne Gewaltanwendung möglich seien, dass Mut und Gemeinsamkeit, ein fester Wille und die Stärke der Masse auch anderes bewirken könnten als bewaffnete Auseinandersetzungen. Diese Erfahrung könne heute noch ein Lehrstück für die gesamte Menschheit sein, hob Pukallus hervor.
Die Demokratie als höchstes Gut der Freiheit müsse täglich neu erstritten werden und sie brauche auch Kritik ‐ gerade heute. Aber Unzufriedenheit mit der Gegenwart dürfe nicht dazu führen, die Erfahrungen aus der Vergangenheit in Frage zu stellen. „An den Gräbern der gefallenen Soldaten wollen wir all derer gedenken, deren Tod so sinnlos war. Sinnlos auch, weil sie sterben mussten, da es nicht gelang, Kriegstreiber und Mörder rechtzeitig zu entlarven und ihre Absichten gemeinschaftlich zu vereiteln. Das Versprechen, alles dafür zu tun, dass sich derartige Entwicklungen nicht wiederholen können, sind wir den Toten schuldig“, betonte die Torgelower Bürgermeisterin.