Zugverbindung nach Usedom
Auch Berlin kämpft um Karniner Brücke
Usedom / Lesedauer: 4 min

Benjamin Lassiwe
Wer heute mit einem deutschen Sonderzug nach Polen fahren will, braucht vor allem eines: viel Geduld. Denn im vereinten Europa des 21. Jahrhunderts kann man nicht eben mal so mit einem Triebwagen die Grenze überqueren: Es braucht immer mindestens zwei Lokführer – einen, der den deutschen Zug bedienen kann, und einen, der die polnische Strecke kennt und als Lotse fungiert. Und wenn einer der beiden nicht da ist, kann es eine ganze Weile dauern, bis es weitergeht. Diese Erfahrung mussten am Samstag auch die Mitglieder des Arbeitskreises Mobilität und des Arbeitskreises Polen der Berliner SPD machen.
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Die Landespolitiker waren mit einem gecharterten Triebwagen der „Niederbarnimer Eisenbahn“ unterwegs nach Swinemünde, um sich für den Ausbau des deutsch-polnischen Schienenverkehrs einzusetzen. Zum Beispiel auf der Bahnlinie von Berlin nach Stettin. Die Strecke soll ab dem Spätherbst zwischen Angermünde und Stettin zweigleisig ausgebaut und elektrifiziert werden. Ein Vorhaben, von dem auch die Uckermark profitieren kann.
„Heute nutzen vor allem Schulkinder die Bahn, um morgens nach Angermünde zu fahren“, sagt Silke Natter, die parteilose Bürgermeisterin des kleinen Grenzorts Tantow. Doch auch zum Einkaufen in Berlin setzten viele Tantower auf die Bahn, denn das erspare die Parkplatzsuche in der Innenstadt. Für Pendler seien die Anbindungen dagegen unzureichend. Derzeit würde der erste Zug ab Tantow erst um halb sieben fahren. „Wir hoffen nach dem Streckenausbau auf eine frühere Verbindung nach Berlin, um noch mehr Verkehr von der Straße auf die Schiene zu holen.“
Fernbusse lassen Uckermark links liegen
Und auch der Amtsdirektor von Gartz, Frank Gotzmann, hofft auf einen Stundentakt – und ist sogar dazu bereit, die Haltepunkte in Petershagen und Schönow aufzugeben. „Mehr Verkehrshalte bedeuten weniger Fahrgäste“, sagt Gotzmann. „Denn desto öfter ein Zug hält, desto langsamer wird er.“ Und die Konkurrenz für die Bahnlinie zwischen Berlin und Stettin halte schon heute nirgends. „Die Fernbusse fahren zwischen den beiden Städten fast im 20 Minuten-Takt“, sagt Gotzmann. „Aber sie lassen die Uckermark links liegen.“ Eine attraktive Zugverbindung zwischen Berlin und Stettin mit einigen Halten in der Uckermark könne dagegen sogar für Zuzüge entlang der Bahnlinie sorgen.
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„32 Jahre nach dem Mauerfall muss der Bahnverkehr zwischen Deutschland und Polen endlich europäischen Standards entsprechen“, sagt der Berliner SPD-Abgeordnete Sven Heinemann. Und das gilt nicht nur für die Strecke nach Stettin: In ihrem Wahlprogramm für die Abgeordnetenhauswahlen am 26. September bekennt sich die Berliner SPD auch zum Wiederaufbau der Karniner Brücke. „Berlin – Usedom – wieder in zwei Stunden“ stand auf den Schildern, die Teilnehmer der Sonderfahrt im Hafen von Karnin in die Höhe reckten.
MV stellt drei Millionen Euro für Gutachten bereit
Zuvor waren sie mit einem Motorboot unter dem seit 76 Jahren vor sich hinrostenden Stahlresten der 1945 gesprengten Bahnbrücke hindurchgetuckert. Die Usedomer Eisenbahnfreunde und ihr Vorsitzender Günter Jikeli, der zugleich für die SPD auf Usedom in der Stadtvertretung und im Kreistag sitzt, sowie der örtliche Bundestagskandidat Erik von Malotki hatten die Besichtigung organisiert.
Ähnlich wie das Land Brandenburg bei der Planung für das zweite Gleis zwischen Cottbus und Lübbenau in Vorleistung ging, hat nun auch das Land MV rund drei Millionen Euro bereitgestellt, um die Möglichkeiten für den Wiederaufbau der Brücke mit einem Gutachten prüfen zu lassen.
Dass die oft genannten 150 Millionen Euro für den Wiederaufbau ausreichen würden, hielten dann auch viele Teilnehmer der Fahrt der Berliner SPD für eher unrealistisch. Doch die SPD steht hinter dem Wiederaufbau der Karniner Brücke, sagt Jürgen Murach, der den Fachausschuss Verkehr des Landesverbands leitet. „Schon Klaus Wowereit hatte sich ja für den Wiederaufbau stark gemacht.“
Im Wahlprogramm der SPD würden bessere Zugverbindungen mit Polen im Übrigen explizit erwähnt: „Wir wollen einen zweigleisigen Ausbau der Ostbahn und durchgehende Züge vom Flughafen BER nach Swinemünde und nach Danzig“, sagte Murach. Denn der Eisenbahnverkehr von Berlin in den Nordosten soll eines Tages genau so gut funktionieren, wie jener nach Hamburg oder Leipzig.