Schätze am Strand
Die Jagd nach dem Gold der Ostsee – so finden Sie Bernsteine
Peenemünde / Lesedauer: 7 min

Kai Ottenbreit
Wenn der Wind sich legt und die Wellen kleiner werden, meist zwei Tage nach dem Sturm, sieht man sie, die Bernsteinjäger. Schon in den frühen Morgenstunden ziehen sie am Strand entlang, viele von ihnen mit Keschern bewaffnet, suchen sie im knietiefen Wasser nach dem Gold der Ostsee. Schon seit Jahrtausenden fasziniert Bernstein die Menschen.
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Schon im frühsten Mittelalter gab es die sogenannte Bernsteinstraße durch ganz Europa. Die alten Kelten, die Römer und gar die indischen Völker wussten den Bernstein aus dem Baltikum zu schätzen. Der Bernstein wurde sogar in einigen Ländern der Antike wie Gold gehandelt, aus dem man den schönsten Schmuck fertigte.
Berühmte Persönlichkeiten der Geschichte verzierten mit dem Gold der Ostsee ihre prachtvollen Gemächer, wie das berühmte und verschollene Bernsteinzimmer. Aber wie und wo kann man diese kostbaren Steine finden?
Eigentlich findet man den Bernstein entlang der gesamten Ostseeküste, ob auf der Insel Usedom, der Insel Rügen oder an den Stränden der Insel Wollin in Polen bis weit hinauf in den Osten. Aber wie erkennt ein Laie, wo der Bernstein nun auch wirklich liegt? Es gibt – genau wie beim Pilzesammeln – für die einheimischen Sammler ganz bestimmte Stellen, an denen schon zu deren Großeltern reichlich Bernstein fanden. Bernsteinfischer Paul aus Karlshagen ist ein echtes Usedomer Urgestein. Seit 50 Jahren sammelt er Bernsteine. Dem Nordkurier hat er ein paar Tipps für die Bernsteinsuche verraten.
Kohlestückchen und Algen weisen oft den Weg
Bernsteinsammler sollten auf bestimmte Stellen am Strand achten – auf meist kleine, kaum wahrnehmbare Buchten, wo sich die Wellen regelrecht kreuzen. Dort, wo kleine Kohlestückchen, sogenannter Gagat, kleine schwarze fossile Holzstücke und auch Blasentang am Strand angeschwemmt wurden, dort findet man das Gold der Ostsee. Einmal richtig eingefuchst, ist das Bernsteinauge schnell geschult.
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Die Bernsteine erstrahlen in verschiedenen Farben, es gibt sie in Champagnerton, im klaren Honiggelb, im trüben Gelbton und auch in einem wunderschönen Weinrot. Gerade der rote Bernstein wird häufig von den Urlaubern liegen gelassen, weil er am Strand eher einem kleinen schwarzen Stein oder einem Kohlestück ähnelt.
Dabei sind gerade die roten Steine mit ihrer warmen Farbe bei vielen Liebhabern besonders begehrt, auch wenn deren Bearbeitung bei jeden Stein eine besondere Herausforderung ist. Wenn man sich beim roten Bernstein nicht sicher ist, aktiviert man am Handy einfach die Taschenlampe und legt den Bernstein zur Kontrolle drauf. Wenn das Licht durchscheint, ist es ein Bernstein.
Bernsteinwetter ist immer
Auf welches Wetter muss man achten, oder ist das egal? In der Regel ist es egal, der Bernstein liegt das ganze Jahr über am Strand – bei Sonne, Regen, Wind und Sturm. Die richtigen Profis jedoch erwarten jedes Jahr die Herbststürme mit großer Sehnsucht, besonders die Stürme, die aus dem Osten kommen. Ein bis zwei Tage nach dem Sturm, wenn die See sich gerade wieder beruhigt hat, sieht man an den Stränden die Bernsteinjäger in ihren Wathosen mit Keschern, Taschenlampen und warmem Tee im Rucksack, denn jetzt „kommt der Bernstein”, wie sie sagen.
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Der Bernstein schwebt kurz über den Grund und teils auch kurz unter der Wasseroberfläche. Die Profis haben ein geschultes Auge für den Bernstein. So schnell kann ein Laie gar nicht schauen, wie teils mit selbstgebastelten Keschern aus Mutters Küchensieb ein Stein nach dem anderen erhascht wird. Für den Laien bleibt meist die Suche am Strand.
Gerade in der Nähe der erfahrenen Bernsteinsammler, die im Wasser den Bernstein fischen, kann auch der Laie erfolgreich sein, denn selbst dem besten Bernsteinfischer rutscht mal der ein oder andere Stein zwischen den Beinen hindurch an den Strand.
Januar und Februar sind die besten Monate
Die beste Erfolgszeit um richtig tolle Exemplare zu finden sind die Monate Januar und Februar, dann ist die See so eisig, dass der Bernstein fast an der Oberfläche schwimmt. Für die Bernsteinsuche an sonnigen Tagen gibt es auch noch einen Tipp. Wenn man sich mit dem Gesicht zur Sonne stellt, bringt diese auch die kleinsten Steine zum Glänzen. Nach dem Sturm sollte man ruhig auch im Schilfgürteln nachschauen. Dort verfangen sich die Steine sehr oft. Auch im Seetang wurde schon so manches Prachtexemplar gefunden.
Bei Urlaubern sind gerade die ganz hellen, gelblichen Steine oder welche mit einem Einschluss begehrt. Jeder Juwelier kann solche Steine in wahre Schmuckstücke verwandeln, ob nun als Ohrringe, als Kette oder als Ring.
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Doch Vorsicht: Am Strand zum Beispiel von Peenemünde findet man immer wieder Phosphorstückchen, die dem Bernstein zum Verwechseln ähnlich sehen. Diese Stückchen sehen meistens aus wie ein alter, vergilbter Kaugummi. Die Rückstände aus dem Zweiten Weltkrieg sind meist leicht zerbrechlich und haben eine weißlich-gelbliche Farbe. Das Gefährliche an ihnen: Sie können sich leicht selbst entzünden. Darum die Funde nie in die Jackentasche stecken, wenn man sich nicht sicher ist, dass es Bernstein ist. Kein professioneller Bernsteinsammler wird es jemanden übel nehmen, wenn man höflich fragt, ob er oder sie sich die Funde mal anschauen könnten.
Hier ein paar Insider-Tipps
Insider wissen, wo die schönsten Steine zu finden sind: am Hundestrand bei Peenemünde ab Höhe Waldparkplatz bis hoch zum Zaun am Peenemünder Vogelschutzgebiet, zwischen Karlshagen und Trassenheide, am Strand zwischen undefined und Zempin, in Koserow, auch bei Ückeritz, an der Steilküste Bansin und zwischen Ahlbeck und Swinoujscie. Bei Swinoujscie meistens nur am Strandbereich der weißen Mühle. Auch auf der Insel Wollin findet man sehr schöne und auch große Steine. Hier kann man schon in Höhe vom Fort Gerhardt anfangen zu suchen bis hoch nach Miedzyzdroje, dort bei der Steilküste lohnt es sich ganz besonders. Auch ein Ausflug an den Strand in Kölpinsee lohnt sich fast immer. Dort befand sich sogar mal ein Bernstein-Tagebau.
Doch aufgepasst: Manche Einheimische machen sich einen Spaß daraus, Urlaubern etwas vorzuschwindeln. Sie packen sich ein paar große Bernsteine von daheim in die Tasche und wenn sie gefragt werden, ob sie heute schon Erfolg hatten, zeigen sie die Schätze vor. Dann beginnen die Urlauber noch eifriger, in den Muschelbergen zu suchen. Jeder, der mal einen Bernstein gefunden hat, weiß: Bernsteinsuche macht sehr süchtig.
Welche Utensilien sollte man dabei haben? Eine kleine Harke und ein kleines Gefäß mit Verschluss. Die kleinen Bernsteine sind so leicht, dass der Wind sie aus der Hand blasen kann. Warme Sachen sind wichtig, denn die Suche dauert garantiert länger als geplant. Gummistiefel sind empfehlenswert, dazu warme Socken. Wathosen aus dem Anglerbedarf haben sich besonders bewährt, wenn man den Bernstein aus dem Wasser fischen möchte. Und zu guter Letzt einen handlichen aber stabilen Kescher – am besten einen aus dem Anglerbedarf, dort wird man auch bezüglich der Bernsteinsuche sehr gut beraten. Die Kescher im Souvenirshop sind für Kinder ganz gut zu gebrauchen, damit die Knirpse beschäftigt sind, während Papa sich im Wasser abmüht, die ganz großen Brocken für Mama an Land zu holen.
Taschenlampen und Ersatzbatterien sollte man sicherheitshalber auch einpacken. Was im Rucksack nicht fehlen sollte, ist im Herbst und im Winter eine Thermosflasche mit Kaffee oder Tee, auch Zwieback, geschmierte Stullen oder einfach etwas Schokohaltige Nervennahrung kann nie verkehrt sein. Sicherheitshalber sollte man für sich und die Kinder ein Paar Schuhe oder Stiefel zum Wechseln im Auto haben. Es soll schon Leute gegeben haben, die sich in die kalten Fluten stürzten, nur um den Stein zu erhaschen, der knapp zehn Minuten später sowieso am Strand gelandet wäre. Das Betreten des Vogelschutzgebietes bei Peenemünde ist übrigens auch und gerade Bernsteinsammlern verboten, auch in den Wintermonaten. Ansonsten steht der Suche nach den Schätzen der Ostsee nichts im Wege.
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